Der Psychologe Ran Hassin und seine Kollegen zeigten Versuchspersonen auf einem Bildschirm eine Reihe von Fragen, meistens zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Die Versuchsteilnehmer mussten die Fragen beantworten. Manchmal wurde vor den Fragen jedoch ganz kurz eine israelische Flagge eingeblendet, und zwar so kurz, dass die Teilnehmer sie nicht bewusst wahrnehmen konnten.
Die Versuchsleiter hatten die Teilnehmer dabei in zwei Gruppen aufgeteilt: die einen identifizierten sich sehr stark mit dem Staat Israel und waren politisch eher rechts angesiedelt. Die anderen entstammten eher der politischen Linken.
Linke und Rechte näherten sich an
Es zeigte sich, dass sowohl die rechts gerichteten Teilnehmer als auch die Linksgerichteten immer mehr von radikaleren Standpunkten abwichen, je mehr sie unbewusst die israelische Flagge zu sehen bekommen hatten. Beide Gruppen näherten sich so durch den Fahnen-Effekt in ihren politischen Überzeugungen aneinander an. Als die Psychologen schließlich die Frage stellten, welche Partei die Studienteilnehmer wählen würden, bekamen die Parteien der politischen Mitte eine deutliche Mehrheit – anders als vor dem Versuch.
Die Ergebnisse ihres Experiments veröffentlichten Hassin und sein Team in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academies of Sciences" in der Ausgabe vom 4. Dezember 2007. Die Wissenschaftler sehen den Grund in der erstaunlichen Auswirkung der Nationalflagge darin, dass besonders in Israel die Staatsflagge besonders wichtig in der Geschichte des jungen Staates ist und damit emotional sehr wirksam. Ihr Anblick löse eine Art "Mainstream-Zionismus" aus, der sowohl Linke als auch Rechte in der politischen Mitte sammeln lässt. Dass der Effekt auch dann zutage tritt, wenn die Flagge nur wenigste Sekundenbruchteile zu sehen ist, ist mit früheren Experimenten zur subliminalen Wahrnehmung erklärbar. Ob der Effekt auch in anderen Ländern zu sehen wäre, hängt offenbar davon ab, ob die Versuchsteilnehmer einen ähnlichen Nationalstolz wie die Israelis aufbringen.