Suche
Close this search box.

Bericht: Der Wurstkönig aus der Schweiz

Nach Geflügel und Fisch ohne Ende, Pittabrot mit Houmus, Tehina und Falafel: Sind Sie bereit für den König der Würste?

Europäische Israel-Reisende träumen nach zehn Tagen im Heiligen Land nicht nur von Sonne, Strand und heiligen Stätten, sondern auch vom heimischen Schwarzbrot und geräucherter Wurst. Marcel Hess (51) kennt die Träume, träumt sie selbst und kann helfen. Der „Sausage King from Switzerland“ führt mehr unterschiedliche Wurst-Delikatessen als alle anderen Metzgereien Israels zusammen. Und alles ist frisch und glatt-koscher.

Feinschmecker und heißhungrige Europäer pilgern andächtig zur Heleni-Hamalka Straße nahe der Polizeistation am Russian Compound in der Hauptstadt Jerusalem. Wer den kleinen Laden mit Restaurant betritt, traut seinen Augen nicht: Mortadella, Rumänische Pastrami oder Rohwurst Mailänder Art gibt es hier ebenso wie Leberwurst oder Krakauer – und sogar Bratwurst mit Kartoffelsalat. Marcel Hess sagt: „Wurst ist mein Lebensinhalt. Es ist die Möglichkeit, kreativ zu sein, ein lebendiges Lebensmittel zu produzieren und den Menschen Freude zu machen.“

Seit 1795 stellt die Familie Hess koschere Wurstspezialitäten her – sechs Generationen lang. Zeit genug, um die besten Rezepte zu finden, sollte man meinen. So ist es auch. Zertifikate und Diplome an der Wand zeugen von der preisgekrönten Qualität der „Gepökelten Ochsenbrust“ oder der „Rotkrautwurst“. Die Urkunden stammen aus der Schweiz. In Basel ließ sich Marcels Vater Hermann Hess 1931 nieder, damals übernahm er die „Jüdische Metzgerei AG“ am Oberen Heuberg. Zuvor hatte die Familie ihren Betrieb im nordhessischen (Bad) Zwesten.

Seit 1999 besteht die Metzgerei Hess in Israel – zunächst in Ra´anana bei Tel Aviv, seit Ende Januar nun auch in Jerusalem. Der damals in Basels Kommunalpolitik aktive Hess folgte seinen Kindern, die vorher zum Studium nach Israel gekommen waren. Viele Kunden aus Basel waren ohnehin schon ausgewandert. Metzgermeister Marcel Hess – auch gelernter Koch – tritt den Beweis an, daß koschere Wurstwaren geschmacklich nicht hinter nichtkoscheren zurückstehen müssen.

„Unsere Kaschrut-Vorschriften sind nicht allein Gewohnheiten, sondern integraler Bestandteil der Toragesetze – göttliche Gebote, die den Juden erziehen, leiten und prägen sollen“, sagt er. In 3. Mose 20: 25,26 heißt es: „Unterscheidet zwischen dem reinen und dem unreinen Tier, zwischen den reinen und unreinen Vögeln und macht euch nicht zur Abscheu durch Vieh und Vögel und durch alles, was sich auf Erden regt, das ich für Euch ausgesondert und für unrein erklärt habe. Ihr sollt mir heilig sein, denn heilig bin ich, der Ewige, ich habe euch von den Völkern abgesondert, um mir zu dienen.“ Praktisch heißt dies: Alle erlaubten Landtiere sind Pflanzenfresser und haben gespaltene Klauen. Ein Rabbi überwacht, daß alles richtig gemacht wird. Die Metzgerei Hess verwendet fast ausschließlich Rind- und Kalbfleisch, seltener Lamm oder Geflügel. Das macht es schwierig, geschmacksintensive Würste zu produzieren. Eine Wurst ohne Schweinefleisch muß logischerweise ohne Speck als Geschmacksträger auskommen. Darum hat eine koschere Wurst grundsätzlich einen tieferen Anteil an Fett.

„Wurstkönig“ Hess zählt die Gourmets der Hauptstadt zu seinen Untertanen – also alle, die die israelischen Industrie-Würste am liebsten als Nahrungsmittelhilfe an Arafat schicken würden. Wer 90 Shekel (22 Euro) auf den Tisch des Hauses legt, dem serviert er eine gigantische Wurstplatte mit Carne Secco Di manzo, Pastrami, Salami, Gänseleber (fois gras) und Delikatessenaufschnitt – alles ohne chemische Konservierungsstoffe und das allermeiste mit weniger als neun Prozent Fett. Dazu gibt es verschiedene Brotsorten. Ein Schluck aus dem opulenten Weinkeller – etwa ein 98er Tishbi Grand Reserve Cabernet Sauvignon aus Galiläa – kostet extra, lohnt sich aber allemal. Hinterher einen Williams oder ein Kirschwasser – nach solch einem Mahl bestreitet niemand von Verstand mehr, am Tisch des besten Koscher-Metzgers der Welt zu sitzen.

Die Eröffnung des Geschäftes in Jerusalem hätte übrigens beinahe verschoben werden müssen, weil sich kurz vorher unweit entfernt die Selbstmord-Attentäterin Wafa Idris auf der Jaffastraße in die Luft gesprengt hatte. Der ausgebildete Sanitäter Marcel Hess lief sofort zum Tatort und leistete Erste Hilfe. Dann folgte die feierliche Eröffnung mit Jazz-Musik und Delikatessen, an der auch Oberrabiner Israel Meir Lau, Bürgermeister Ehud Olmert und die Botschafter Deutschlands und der Schweiz teilnahmen.

Für die Schweizer stand Marcel Hess sogar in der Metzger-Nationalmannschaft, sammelte Edelmetall wie andere Briefmarken. Bei den letzten Titelkämpfen gewann er eine Medaille für Israel – seitdem ist auch Staatspräsident Moshe Katzav sein Fan.

Der Weg zum Königreich der Würste ist kurz und einfach zu finden. Wer am Russian Compound einen lebensfrohen zigarrerauchenden Metzgermeister entdeckt, der einen jungen, in Israel äußerst seltenen Berner Sennenhund „gassi“ führt, der folge ihm – und schlemme, schlemme, schlemme …

Info:
Metzgerei Hess
The Sausage King from Switzerland
Heleni Hamalka St. 9
IL-94221 Jerusalem

eMail: hess-m@inter.net.il

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen