Beleidigen, was das Zeug hält

Im Nahen Osten gerät in diesen Tagen der normale Menschenverstand aus dem Ruder. Nach dem Motto, "jeder gegen jeden", werden bewusst, gezielt, versehentlich oder aus Unwissen Beleidigungen ausgesprochen, denen aufwallende Emotionen und weitere "Schläge vor den Kopf", "Ohrfeigen" und "Kriegserklärungen" folgen.

Die Serie begann mit der Beleidigung des Premierministers Benjamin Netanjahu gegenüber dem amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden. Dieser war nach Israel gekommen, um eine seit der Wahl Barack Obamas andauernde Eiszeit zwischen Washington und Jerusalem aufzutauen. Biden verstreute Komplimente, stellte sich als überzeugter Zionist auf die Seite Israels und beschwor die tiefe Freundschaft beider Nationen.

Zu diesem Zeitpunkt verkündete die Planungsabteilung des Innenministeriums den Bau von 1.600 neuen Wohnungen in einem Viertel in Ostjerusalem. Für Biden war das ein Schlag ins Gesicht, für Netanjahu eine Peinlichkeit und für den Innenminister ein „Versehen“. Die Amerikaner waren wütend. Netanjahu entschuldigte sich förmlich, ohne eine Ahnung von den Vorgängen in seiner Regierung gehabt zu haben. Er versprach Mechanismen, damit solche „Pannen“ sich nicht wiederholen. Gleichwohl, so Netanjahu, sei Jerusalem nicht in den „Baustopp in den Siedlungen“ einbezogen worden.

„Rücksicht auf amerikanische und palästinensische Empfindlichkeiten“

Die Palästinenser fordern seit einem Jahr als Vorbedingung für eine Aufnahme indirekter Friedensgespräche eine Einstellung jeglicher israelischer Bautätigkeit jenseits der „Grenze von 1967“. Obgleich Biden Netanjahus „Erklärungen“ akzeptierte und eine weitere pro-israelische Rede an der Universität in Tel Aviv hielt, legte die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton am Freitagabend noch einmal nach. In einer telefonischen Standrede forderte sie 42 Minuten lang ohne Punkt und Komma mehr Rücksichten auf amerikanische und palästinensische Empfindlichkeiten von Netanjahu. Inzwischen kritisieren republikanische Abgeordnete diesen Umgang mit Israel als „übertrieben und beleidigend“.

Derweil erreichten Israel auch gute Nachrichten. Ägypten habe die Synagoge des Maimonides in Kairo für zwei Millionen Dollar renoviert. Das Gotteshaus wurde nach jüdischem Ritus mit dem traditionellen Segen über den Wein neu geweiht. Wütend sagten die Ägypter daraufhin die offizielle Einweihung ab. Behördenchef Zahi Hawass erklärte, dass die Synagoge unter der Verwaltung der Altertumsbehörde bleiben und nicht der jüdischen Gemeinde übergeben werde. Der Alkoholgenuss sei eine „Beleidigung“ des ägyptischen Volkes gewesen. Zudem hätten die Juden in dem Gotteshaus „getanzt“ (was bei der Einführung neuer Torahrollen üblich ist). Ebenso seien Israelis (!) gesichtet worden.

Die Ägypter reagierten damit auch auf eine „Beleidigung“ des Islam durch die Weihung der wiedererrichteten Hurva-Synagoge im jüdischen Viertel Jerusalems am Montag. Die seit zweitausend Jahren mehrfach errichtete, von Osmanen beschlagnahmte, von Arabern zerstörte und 1864 wieder aufgebaute „große Synagoge“ wurde 1948 von den Jordaniern gesprengt. „Wir sprengen die Synagoge, damit die Juden nie wieder in Jerusalem auferstehen“, verkündete damals König Abdullah.

„Es soll wieder Blut fließen für die Religion“

Insgesamt 58 Synagogen wurden von den Jordaniern dem Erdboden gleich gemacht, 38.000 jüdische Grabsteine auf dem alten Friedhof auf dem Ölberg zerschlagen und die Klagemauer für Juden gesperrt. Die Hurva galt den Juden als Symbol für die jordanische Verwüstung jüdischer Heiligtümer in Ost-Jerusalem. Ihre neue weiße Kuppel überragt nun die Kuppel der wenige hundert Meter entfernten Al-Aksa Moschee.

Für den Hamas-Prediger Halil el Schahia im Gazastreifen ist das eine unerträgliche Beleidigung des Islam und kommt einer „israelischen Kriegserklärung“ gleich. „Es soll wieder Blut fließen, für die Religion“, verkündete er am Montag. Moslems sollten nach Jerusalem kommen, um „Al-Aksa zu beschützen“. Gerüchte wurden gestreut, wonach „hunderttausende Siedler“ nach Jerusalem marschieren, um die Al-Aksa zu zerstören und den Grundstein für einen neuen (jüdischen) Tempel zu legen.

Dienstag als „Tag der Wut“

Der (heutige) Dienstag wurde zum „Tag der Wut“ erklärt. Hunderte Beduinen kamen mit Bussen aus der Negev-Wüste, „weil Juden in Jerusalem nichts zu suchen haben und die Hurva-Synagoge an der Stelle der Omar-Moschee errichtet worden ist“, sagte einer von ihnen. Tausende Polizisten standen bereit, um mit Tränengas gegen Unruhestifter und Steinewerfer vorzugehen. Ahmad Qrea, ehemaliger palästinensischer Regierungschef, rief wegen der „Provokation“ der Synagogen-Einweihung zur „dritten Intifada“ auf.

Derweil wurde in Ramallah eine „Beleidigung“ Israels auf amerikanischen und israelischen Druck oder „aus technischen Gründen“, nach palästinensischer Aussage, teilweise abgewendet. Der zentrale Manara-Platz sollte zu Ehren von Dalal Mughrabi nach ihm benannt werden. Sie hatte 1978 ein Kommando zur Küstenstraße nördlich von Tel Aviv angeführt, eine amerikanische Fotografin erschossen, zwei Busse gekapert und 38 Israelis, darunter Frauen und Kinder, ermordet. Ursprünglich wollte sogar Präsident Mahmoud Abbas an dieser Zeremonie am 11. März teilnehmen, als Joe Biden nach Ramallah reiste. Die von Israel als unerträgliche Hetze und „Verherrlichung des Terrors“ bezeichnete Umbenennung fand dennoch statt – sogar mit Beteiligung des ehemaligen Geheimdienstchefs Taufik Tirawi.

Die nächste anstehende Beleidigung fiel kaum mehr ins Gewicht. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hält sich zum Staatsbesuch in Israel auf. Das Protokoll plante eine Kranzniederlegung am Grab des Propheten des jüdischen Staates und Gründers der zionistischen Bewegung, Theodor Herzl. Doch da Silva legte ein Veto ein. Beleidigt boykottierte daraufhin Israels Außenminister Avigdor Lieberman demonstrativ die Festrede da Silvas in der Knesset. Am Dienstag erklärte Lieberman: „Für mich ist es unerträglich, dass Brasiliens Präsident Herzls Grab verschmäht, aber in Ramallah das Grab Jasser Arafats würdigt.“

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