Bekannte Krimiautorin: Mord im Heiligen Land

Im Jahr 1928 reiste Agatha Christie erstmals in den Nahen Osten: Nach einer schmerzhaften Trennung suchte sie in der Ferne nach Abstand. Im Orient tauchte die Britin in eine neue Welt ein. Begegnungen und Eindrücke inspirierten sie literarisch.
Von Gundula Madeleine Tegtmeyer

„Appointment with Death“, der deutsche Titel lautet „Verabredung mit dem Tod“, ist der 23. Kriminalroman der britischen Erfolgsautorin Agatha Christie. Weitere deutsche Titel sind „Der Tod wartet“ oder „Rendezvous mit einer Leiche“. Erstveröffentlichung war am 2. Mai 1938 vom Collins Crime Club. Auch in diesem kniffligen Fall ermittelt der belgische Detektiv Hercule Poirot. In ihrem ersten Roman, „Das fehlende Glied in der Kette“, hatte die Schriftstellerin den Detektiv den Lesern erstmals vorgestellt.

Der Roman Verabredung mit dem Tod spiegelt Christies Erfahrungen auf Reisen durch den Nahen Osten mit ihrem zweiten Ehemann, dem Archäologen Sir Max Mallowan, wider. Die Hauptschauplätze sind Jerusalem und die antike Nabatäerstadt Petra in Jordanien.

Der Plot: In einem Hotel in Jerusalem belauscht Hercule Poirot während seines Urlaubs an einem heißen Sommerabend ein Gespräch und hört, wie eine junge Männerstimme zu einer anderen Person sagt: „Du denkst doch auch, dass sie am besten tot wäre.“ Mit „sie“ ist die tyrannische Stiefmutter gemeint, unter der die gesamte Familie leidet. Den Sprecher identifiziert Poirot im späteren Verlauf der Geschichte und seiner Ermittlungen anhand der Stimme als jüngeren Sohn der amerikanischen Familie Boynton.

Einige Tage nach dem belauschten Gespräch wird die Stiefmutter tot zwischen den markanten roten Felsen in Petra aufgefunden. Poirot hat einen neuen Fall, undgibt sich auch dieses Mal nur 24 Stunden Zeit, um den mysteriösen Tod aufzuklären. Denn einziger Anhaltspunkt ist ein winziger Einstich an ihrem Handgelenk, ein Anzeichen für eine mögliche tödliche Injektion.

Poirot erinnert sich an das Gespräch, das er Tage zuvor in Jerusalem im Salomon-Hotel, einem Grand Hotel, belauscht hatte. Denkbar, dass sich Agatha Christie zu diesem Namen vom King David Hotel inspirieren ließ, denn Salomo ist der Sohn vom biblischen König David und wurde später sein Nachfolger als König. Das King David Hotel wurde 1931 eröffnet und war zu jener Zeit das führende und luxuriöseste Hotel in Jerusalem. In der 1988 von Peter Ustinov gedrehten Romanadaption wohnten alle Hauptfiguren im American Colony Hotel in Jerusalem. Auch die Dreharbeiten fanden hier statt, mit Ustinov in der Rolle des Detektivs Hercule Poirot.

Foto: Gundula M. Tegtmeyer
Blick von der Davidszitadelle auf das King-David-Hotel

Die Bestsellerautorin Agatha Miller wurde am 15. September 1890 in Torquay an der britischen Südküste als drittes Kind einer Engländerin und eines wohlhabenden Amerikaners geboren. Für Mädchen bestand in England Ende des 19. Jahrhunderts bis zum 16. Lebensjahr keine allgemeine Schulpflicht. Agatha hatte Glück, ihre Eltern unterrichteten ihre Kinder privat. Sie lernte früh lesen, schreiben und rechnen und schon in früher Kindheit begeisterte sich Agatha besonders für das Lesen von Kriminalromanen. Ihre Lieblingslektüre war Sherlock Holmes.

Agathas Mutter hatte früh das literarische Talent ihrer Tochter erkannt und gefördert. Der Vater starb, als sie elf Jahre alt war. Sein Tod markiert auch das Ende des luxuriösen Lebens der Millers. Die Familie musste den Gürtel enger schnallen, auch Hauspersonal konnte man sich fortan nicht mehr leisten

Mit 17 ging Agatha für ein Klavier- und Gesangsstudium nach Paris, brach es nach kurzer Zeit wieder ab. Zurück in England traf sie die große Liebe ihres Lebens: 1914 heiratete sie Oberst Archibald Christie, einen Flieger der königlichen Luftwaffe. Mit ihm hatte sie eine Tochter, die am 5. August 1919 geboren wurde. Im Ersten Weltkrieg musste ihr Mann an die Front,

Agatha arbeitete als Krankenschwester (Voluntary Aid Detachment) beim Britischen Roten Kreuz im Kriegslazarett von Torquay, später in einer Apotheke. Der Umgang mit Medikamenten und Giften regte offensichtlich ihre Fantasie an: Ihr erster Krimi dreht sich um einen Giftmord, erschienen 1921, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Mit ihrem sechsten Roman „The Murder of Roger Ackroyd“ (Roger Ackroyd und sein Mörder) gelang ihr 1926 der große Durchbruch. Nach Kriegsende begleitete Agatha Christie ihren Mann oft auf seinen Reisen in die britischen Kolonien.

Suchaktion nach Inszenierung

Als Autorin ging es stetig aufwärts, sie konnte sich als Schriftstellerin etablieren. Privat hingegen lief es nicht rund in ihrem Leben. Eine von vielen heftigen Auseinandersetzungen mit ihrem Partner löste gar eine groß angelegte Suchaktion nach ihr aus.

Christie hatte Wind bekommen vom außerehelichen Verhältnis ihres Mannes und stellte ihn zur Rede. Trotz mehrerer Versöhnungsversuche entzweite sich das Ehepaar immer mehr. Nach einem weiteren heftigen Streit am 3. Dezember 1926 verließ Agatha Christie das Haus. Ihr Auto wurde wenige Tage später verlassen an einem See gefunden.

Die Suchmeldung der Polizei von Berkshire vom 9. Dezember 1926 zeigte ein Foto der Vermissten und lautete: „VERMISST wird Mrs. Agatha Mary Clarissa Christie, Ehefrau von Colonel A. Christie. Alter: 35, Größe 5 Fuß’7, Haarfarbe rot (kurz), natürliche Zähne, graue Augen, Hautfarbe hell, gut gebaut. Sie trägt einen grauen Rock mit Seidenstrümpfen, grünen Pullover, dunkelgraue Weste, kleinen grünen Hut aus Velours. Möglicherweise hat sie eine Handtasche mit 5–10 Pfund Bargeld bei sich. Verließ das Haus in einem viersitzigen Morris Cowley um 9:45 Uhr am Abend des 3. Dezember. Hinterließ eine Notiz, dass sie einen Ausflug mit dem Wagen machen werde. Am nächsten Morgen wurde der Wagen zurückgelassen in Albury, Surrey, an der Newlands-Ecke gefunden. Falls Sie diese Frau gesehen oder Informationen über ihren Verbleib haben, melden Sie sich bei jeder Polizeidienststelle oder direkt bei Charles Goddard, Leiter der Dienststelle in Wokingham, Telefon Nr. 11 Wokingham.“

Es folgte eine spektakuläre Suchaktion, über die auch die New York Times berichtete. Auch Arthur Conan Doyle, Arzt und Autor der Abenteuer des Sherlock Holmes, beteiligte sich daran.

Genaue Ereignisse ungeklärt

Nach zehn langen Tagen des Bangens fand man Agatha Christie in einem Hotel in Harrogate, wo sie unter dem Namen der Geliebten ihres Mannes als Mrs. Neele abgestiegen war. Als die Frage der hohen Kosten der aufwendigen Suchaktion auch das britische Parlament beschäftigte, streute Christies Familie eine dubiose Darstellung: Demnach htte Agatha Christie einen Gedächtnisverlust für diese zehn Tage erlitten. Christie selbst hat sich sich nie über ihre Beweggründe und Umstände ihres tagelangen Verschwindens geäußert. 1928 wurde ihre Ehe mit Archibald Christie geschieden.

Bis heute ist ungeklärt, was genau in jenen zehn Tagen geschah. Es bietet Raum für wilde Spekulationen, wie etwa im Jahr 1979 von Regisseur Michael Apted filmisch umgesetzt in Das Geheimnis der Agatha Christie, mit Vanessa Redgrave in der Hauptrolle. 2020 erschien in New York und 2022 in deutscher Übersetzung der Roman The Mystery of Mrs. Christie: A Novel (Mrs Agatha Christie. Roman). Die amerikanische Autorin und Anwältin Marie Benedict erzählt die zehntägige Suche nach Agatha Christie und ihre Ehe in Rückblenden als Krimi nach. 2023 erschien das Musical Vermisst! Was geschah mit Agatha Christie?, von Paul Graham Brown. Die Uraufführung war im Kleinen Theater Berlin.

Nachdem Christie wieder aufgetaucht war, entschloss sie sich, zu reisen, um sich von ihrer gescheiterten Ehe abzulenken. Im Herbst 1928 brach sie erstmals spontan und allein zu einer Reise in den Nahen Osten auf, bestieg in London den legendären Orient-Express mit Ziel Bagdad. Von dort reiste sie weiter nach Ur, um an Ausgrabungen des Archäologen Leonard Woolley teilzunehmen.

Wolley und seine Frau empfingen ihren berühmten Gast herzlich. Agatha Christie blieb längere Zeit beim Grabungsteam und freundete sich mit den Woolleys an. Später widmete sie dem Ehepaar die Kurzgeschichtensammlung Der Dienstagabend-Klub. Das Ehepaar Woolley stand auch Modell für die Hauptfiguren ihres 19. Kriminalromans Mord in Mesopotamien.

Zweite Ehe mit Archäologe Mallowan

1930, während eines zweiten Aufenthalts in Ur, lernte Agatha Christie den 14 Jahre jüngeren Archäologen Max Mallowan kennen, der als Grabungsassistent bei Woolley arbeitete. Mallowan wurde von den Woolleys „abkommandiert“, Christie die vorangeschrittenen Ausgrabungen und die Gegend zu zeigen. Die beiden verbrachten viel Zeit zusammen, verliebten sich ineinander und heirateten noch im selben Jahr am 11. September im schottischen Edinburgh.

Diese Verbindung markiert den Beginn einer literarisch-archäologischen Partnerschaft. In den nächsten Jahrzehnten –  unterbrochen vom Zweiten Weltkrieg – begleitete Agatha Christie ihren Mann jedes Jahr auf seinen Grabungskampagnen zunächst im Irak (Tell Brak) und später in Syrien (Chagar Bazar). Christie dokumentierte die Ausgrabungen ihres Mannes fotografisch und nutzte die Zeit, um an neuen Kriminalgeschichten zu arbeiten.

Die auf den Reisen gewonnenen Kenntnisse über Land und Leute flossen in einige ihrer berühmtesten Kriminalromane ein. Auch ihr Krimi Verabredung mit dem Tod profitiert von ihrem reichen Erfahrungsschatz und detaillierten Ortskenntnissen, wie etwa der Schauplatz Petra, die antike Felsenstadt der Nabatäer.

Foto: NoCloo | CC BY-SA 4.0 International
Der Krimi profitiert vom Erfahrungsschatz der Autorin

Von 1949 bis 1963 führte ihr Ehemann Max Mallowan Ausgrabungen in Nimrud im heutigen Irak, 30 Kilometer entfernt von Mossul, durch. Auch hier wich Agatha nicht von seiner Seite. Ihre Begegnungen und Erfahrungen schildert Agatha Christie eindrücklich in ihrem Buch Come, tell me how you live, auf Deutsch: Komm, erzähl mir wie Du lebst.

Auch in ihren Filmaufnahmen und Fotos zeigte sie sich als die scharfe und humorvolle Beobachterin von Menschen und Situationen, die sie als Schriftstellerin ausgezeichnet hat. 1930 hatte im Roman Mord im Pfarrhaus (The Murder at the Vicarage) eine neue Protagonistin als Detektivin ihren ersten Auftritt: Miss Marple. Sie wird in zwölf weiteren Kriminalromanen und einigen Kurzgeschichten Christies die Hauptrolle übernehmen.

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Zum 80. Geburtstag erschien im Jahr 1970 ein für Christie atypischer Roman: Passagier nach Frankfurt, in dessen Handlung es um eine Weltverschwörung von Neonazis geht. Das umstrittene Buch wurde erst 2008 ins Deutsche übersetzt. 1971 nahm Königin Elisabeth II die Schriftstellerin Agatha Christie als Dame Commander in den Orden des Britischen Empires auf, was die bürgerlich Geborene in den Adelsstand erhob. Ihren letzten Roman  Alter schützt vor Scharfsinn nicht schrieb Agatha Christie von 1973 bis 1974.

Detektive mit besonderer Herangehensweise

Um zur Lösung von Kriminalfällen zu gelangen, haben Christies detektivische Protagonisten ihre eigene Herangehensweise: Miss Marple folgt meist ihrer Intuition, bei Hercule Poirot regiert die Logik.

Agatha Christie starb am 12. Januar 1976 im Alter von 85 Jahren in ihrem Zuhause Winterbrook House in Wallingford, einem beschaulichen Ort in der Grafschaft Oxfordshire, an einem Schlaganfall. Ihre letzte Ruhestätte befindet sich auf dem nahegelegenen Friedhof St Mary’s in Cholsey. Christies Kriminalromane mit Schauplätzen im Nahen Osten, reich an ihren detaillierten Beschreibungen des Lokalkolorits, sind unsterblich.

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5 Antworten

  1. Es freut mich, dass Agathie Christine so eine erfolgreiche Autorin war. Ich selbst habe im Alter von 12 bis 14 Jahren Horrogeschichten geschrieben. Aber meine Eltern haben geschimpft, weil ich schlecht in der Schule war. Danach habe ich damit aufgehört.

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    1. @Ute Engels
      Ich habe die Bücher von Agatha Christie als Jugendliche verschlungen. Auch die Filme waren gut. 👍👍
      Gruß Manu

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  2. Vielen Dank liebe Frau Tegtmeyer für auch diesen wieder sehr interessanten Artikel. Neben den Büchern und Filmen ist es spannend, auch etwas über ihr Leben zu erfahren.
    @Ute Engels
    Schön, dass auch Sie ein Schreiberling sind.😉 Ich selber bin nicht so der Typ für Krimis, geschweige denn Autorin. Aber hobbymäßig schreibe ich für meine Enkel Kindergeschichten. Das nächste bekommen die Zwillinge zur Einschulung im Sept. Zu jedem Buchstaben des Alphabets eine Geschichte mit vielen A-Wörtern, B-Wörtern, usw und ich male dazu. So unsterblich wie A.G. bin ich nicht, aber die Enkel haben bleibende Erinnerungen.

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    1. @Hey Ella
      Das finde ich ja niedlich! 👍😃📚 Du hast deine Enkelchen sehr lieb,stimmts? Ich hatte nur das Talent meinem Sohn Geschichten vorzulesen und für jede Figur/Tier eine andere Stimme zu haben. Er fand es immer toll! Sagt er heute noch. 🤭🥰
      Gruß Manu

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      1. @Manu
        Liebe Manu, danke. Die Idee mit dem Schreiben kam mir zu Anfang von Corona, wo man sich nicht besuchen durfte. Als ich die Lastwagen voller Toten aus Italien sah, wollte ich, dass die Kinder mich nicht vergessen. 6 Bücher a 12 Geschichten hab ich geschafft. Jetzt ist grad Künstlerpause.😉
        Vorlesen ist auch ein großes Talent. Und schau, dein Sohn freut sich heute noch drüber. Heutzutage werden die Kleinen stundenlang vor dem Fernseher geparkt. Gibt’s bei uns eher nicht.
        Liebe Grüße Ella 😘

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