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Aschrawi hofft auf Ende von Arafats „One-Man-Show“

RAMALLA (inn) – Die palästinensische Politikerin Hanan Aschrawi hat in einem Interview Palästinenserführer Jasser Arafat vorgeworfen, das Gesetz zu brechen, so lange er die Kontrolle über jegliche Sicherheitsfragen zu halten versucht. Die ehemalige Ministerin kritisierte zudem seine Politik und „den Mangel an durchsichtigen Finanzen“, verwahrt sich jedoch gleichzeitig vor „Kritik an einer Person oder Kritik am Präsidenten“.

In dem Interview mit dem Reporter des Nachrichtensenders n-tv, Ulrich Sahm, bezweifelt die Politikerin die Glaubwürdigkeit Arafats und drückt ihre Hoffnung auf baldige Neuwahlen aus: „Glaubwürdigkeit hat nichts mit Erklärungen einer politischen Führung zu tun. Es ist sehr viel mehr als das. Wenn wir unsere Führung auswechseln wollen, gibt es nur den Weg der Wahlen.“ Dem Grundgesetz gemäß müsste die innere Sicherheit in der Verantwortung des Kabinetts liegen und nicht beim Präsidenten.

Nach vierzig Jahren wünscht sich die palästinensische Politikerin ein Ende der „One-Man-Show“ Arafats. Statt über einzelne Personen sollte man über Institutionen und Gesetze reden. Arafat stehe wieder einmal „am Rande des Abgrunds“. Doch er sei „ein Meister des Überlebens“, und in Aschrawis Augen auch eine „tragische Figur“. Dennoch sollte man sich nicht „zurücklehnen und Arafat zum Sündenblock machen“, so wie Israel ihm jede Schuld anlaste.

Letztendlich sei Israel schuld am „Desaster“ der Palästinenser, weil Israel „systematisch“ deren Institutionen zerstört habe. In jedem anderen Land der Welt, so Aschrawi, würde ein Volk unter Besatzung zu den Waffen greifen und sich oder sein Land legitim verteidigen. Das palästinensische Volk sei seiner Wirtschaft, seiner Freiheit und seiner Hoffnung beraubt und daher „völlig traumatisiert“.

Zu den Selbstmordattentaten durch Palästinenser befragt, antwortete Aschrawi, es habe „seit Ewigkeiten“ keine mehr gegeben, und sie wundere sich, warum dieses Thema „immer wieder“ hochgebracht werde. Das Märtyrertum sei länder- und religionsübergreifend. Auch der biblische Samson habe diesen „Akt der Verzweiflung“ schon begangen.

Einen Bürgerkrieg in den Palästinensergebieten fürchtet die Politikerin nicht. Jedoch machten ihr „massive Waffenkäufe“ in Gaza und im Westjordanland Sorge. Sie beobachte zudem eine neue „allgemeine Unzufriedenheit“ in der Bevölkerung über die politischen Zustände, nachdem sich bisher lediglich Oppositionspolitiker und Intellektuelle kritisch geäußert hätten.

Hanan Aschrawi wurde 1946 in Nablus geboren und wuchs in einer protestantischen Familie auf. Sie besitzt einen palästinensischen und jordanischen Pass sowie einen israelischen Personalausweis. Aschrawi studierte englische Literatur an der Amerikanischen Universität in Beirut. Seit 1988 ist sie politisch aktiv, ab 1991 war sie Sprecherin der palästinensischen Delegation bei der Friedenskonferenz in Madrid und bei Verhandlungen in Washington. 1996 wurde sie ins Parlament gewählt und war bis 1998 Ministerin für höhere Erziehung und Forschung.

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