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Archäologische Sensationen sind Fälschungen

Ein Knochenkasten und eine Steintafel haben in den vergangenen Monaten weltweit als archäologische Sensation Aufsehen erregt. Beide Fundstücke sind Fälschungen. Zu diesem Ergebnis kommen jetzt zwei Forscherteams der israelischen Altertumsbehörde. Shuka Dorfman, Direktor der Altertumsbehörde Israels, stellte am Mittwochvormittag auf einer Pressekonferenz in Jerusalem Mitglieder zweier von ihm eingesetzter wissenschaftlicher Untersuchungskommissionen und deren Forschungsergebnisse vor.

Eine Forschergruppe untersuchte das Material der Fundstücke, die andere die Inschriften. Die insgesamt 14 Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen arbeiteten unabhängig voneinander und kommen aufgrund ihrer jeweiligen Untersuchungstechniken einstimmig zu dem Schluß: Die Inschrift „Jakob, Sohn des Josef, Bruder des Jesus“ auf einem antiken Knochenkasten, wie auch die Steintafel aus der Zeit des ersten Tempels mit einer Inschrift, die an einen Text aus dem 2. Buch der Könige, Kapitel 12, erinnert, sind nicht echt.

Ein entscheidender Faktor in der Beweisführung der Wissenschaftler ist die Untersuchung der Patina, einer Ablagerungsschicht, die im Laufe der Jahrhunderte durch Umwelteinflüsse auf archäologischen Fundstücken entsteht. Mikroskopaufnahmen zeigen eindeutig, daß die in den Stein eingemeißelten althebräischen Buchstaben auf beiden Objekten die ursprüngliche Patina durchschneiden, also sehr viel jünger sind.

Offensichtlich suchte der Fälscher diesen eigentlich augenscheinlichen Tatbestand dadurch zu verdecken, daß er da, wo die Oberfläche durch das Einritzen der Buchstaben verletzt worden war, eine künstliche Patina herzustellen suchte. Dabei war ihm aber anscheinend unbekannt, daß die von ihm verwendete Mischung aus Kalk, roter Erde, Kohlenstoffen und Gold so durch natürliche Einflüsse nicht entstehen kann.

Außerdem enthält die künstliche Patina einzellige Organismen, die sonst nur im natürlich abgelagerten Gestein als Versteinerung vorkommen. Und schließlich verwendete der gewiefte Fälscher Kalk, der nicht durch Wasser aufgelöst werden kann. Vielmehr wurde beim Fälschungsprozeß Leitungswasser auf Temperaturen erhitzt, die in den vergangenen 3.000 Jahren in den judäischen Hügeln nicht vorkamen. Das schließen die Wissenschaftler aus den Isotopen in der Zusammensetzung des Sauerstoffes.

Auffallend ist auch die Tatsache, daß die Steinplatte, deren Text offensichtlich an die Tempelrenovierung durch den judäischen König Joasch anspielt, nicht etwa aus der Umgebung Jerusalems stammt, sondern aus dem Norden Syriens oder von der Mittelmeerinsel Zypern.

Die Untersuchung der Texte und Schreibweisen bestätigen laut den israelischen Wissenschaftlern den Fälschungsverdacht. Die sogenannte „Joasch-Inschrift“, die vorgibt, aus dem 9. Jahrhundert vor Christus zu stammen, wurde offensichtlich von einem modernen Hebräisch-Sprecher verfaßt, der Textteile aus der Bibel verwendete und sie so zusammensetzte, daß sie ihm als biblisches Hebräisch erschienen.

Der Spezialist für biblisches Hebräisch, Professor Avigdor Horowitz von der Ben-Gurion-Universität in Be´er Sheva, hat den Text der Steintafel unter linguistischen Gesichtspunkten unter die Lupe genommen. Der orthodoxe Jude bezeichnete den Text als „bezaubernd“ und meinte: „Ich wünschte, dieser Text wäre authentisch!“ Nach genauem Vergleich der Syntax und Wortwahl kommt der Sprachwissenschaftler allerdings zu dem vernichtenden Urteil: „Kein einziger Satz dieser Inschrift weist aus der Sicht des 9. Jahrhunderts vor der Zeitrechnung nicht gravierende Fehler auf.“

Das Ossuarium (Knochenkasten) selbst ist authentisch, was die Archäologen nicht erstaunt: „Wir haben Hunderte ähnliche Ossuarien in unseren Magazinen.“ Auch weist die Aufschrift, die an den Jesus-Bruder Jakobus erinnert, keine grammatikalischen Fehler auf. Allerdings gelang es den Forschern der israelischen Altertumsbehörde, die Vorlagen der Fälscher in einem allgemein zugänglichen Katalog für Knochenkästen aufzufinden. Die unterschiedlichen Schreibweisen derselben Buchstaben innerhalb des kurzen Schriftzuges sind selbst für Laienaugen zu erkennen, die Ähnlichkeit zu den Vorlagen offensichtlich.

Während die Beweisführung der Wissenschaftlerteams einleuchtend erscheint, wurde die Tatsache, daß erst im Januar Untersuchungsergebnisse des geologischen Instituts die „Joasch-Tafel“ für authentisch erklärt hatte, nur sehr unbefriedigend erklärt. Ausflüchte, Ausweichmanöver und demonstrative Einigkeit der jetzt vorgelegten Untersuchungsergebnisse sollten den offensichtlichen Lapsus des Geologischen Instituts am Nationalen Ministerium für Infrastruktur des Staates Israel überspielen.

Auch bleibt unklar, wer wann diese Fälschungen vorgenommen hat. Die Herkunft des Knochenkastens und der Steintafel liegt nach wie vor im Dunkeln. Bislang enden die Spuren für beide Stücke bei einem privaten Antiquitätensammler, Oded Golan, der seine Identität lange Zeit nicht preisgeben wollte. Vielleicht werden von den wissenschaftlichen Untersuchungen vollkommen unabhängige und noch nicht abgeschlossene Ermittlungen der israelischen Polizei, die die Steintafel im März beschlagnahmt hat, dieses Rätsel in absehbarer Zeit lösen.

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