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Antisemitismus in der deutschen Rapmusik

Jonathan Kalmanovich alias Ben Salomo ist Jude, gebürtiger Israeli und Rapper. Er kennt die deutsche Rapmusikszene – und beobachtet dort einen bedenklichen Anstieg an Antisemitismus. Eine Rezension von Lukas Reineck
Beim Namen des Autors ist das A durch den hebräischen Buchstaben Alef ersetzt

Der Jude Ben Salomo, der eigentlich Jonathan Kalmanovich heißt, hat schon einiges erlebt. Anfang dieses Jahres hat der gebürtige Israeli ein Buch über seine Zeit bei der Veranstaltung „Rap am Mittwoch“ (RAM) veröffentlicht, die er acht Jahre lang erfolgreich moderierte. Diese wurde monatlich bis zu zwei Millionen Mal auf YouTube aufgerufen. Ende 2018 stieg er aus. Der Grund: Antisemitismus in der deutschen Rapmusikszene.

Aufgewachsen im Migrantenmilieu

Das Buch trägt den Titel: „Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“. Der Leser erfährt durch das persönliche Erleben Ben Salomos, wie ein Großteil der deutschen Rapszene tickt. Anti-israelische und antisemitische Äußerungen scheinen heute für viele Rapper in Deutschland zum guten Ton zu gehören. Doch ist das Buch mehr als nur ein Blick in die Abgründe der deutschen Rapkultur. Ben Salomo schreibt über seine jüdische Kindheit in Deutschland, seine Liebe zu Israel und die eigene Identitätsfindung in einem multikulturellen Umfeld Berlins in den 90er Jahren.

Seine Familie hat rumänische und ukrainische Wurzeln. 1977 kam Jonathan Kalmanovich in der israelischen Stadt Rehovot zur Welt. Wohlgefühlt haben sich seine Eltern in Israel nie. Anfang der 1980er Jahre wanderten sie zu den Großeltern nach Deutschland aus – genauer gesagt nach Berlin. Aufgewachsen ist er, wie er selbst sagt, im Migrantenmilieu.

In seiner Jugend bewegte sich Ben Salomo in unterschiedlichen Welten. Genau genommen sind es drei Welten – die deutsche Schule, das jüdische Jugendzentrum und die Hinterhöfe Berlins. „Ich spürte keinerlei Unterschiede zu den anderen, zu den Türken, Kurden, Arabern. Wir waren alles dunkle Typen, hatten dunkle Haare und einen nichtdeutschen Hintergrund“, schreibt der Autor über seine Kindheit in Berlin.

Frühe Erfahrungen mit Antisemitismus

Als Teenager erleben Ben Salomo und seine Schwester aufgrund ihres Jüdischseins Anfeindungen. Hakenkreuze, durchgestrichene Davidsterne (auf ihre Schulbänke gekritzelt) und immer wieder pauschalisierende Anschuldigungen des Landraubes an den Palästinensern durch Mitschüler machen ihnen das Leben schwer.

Ein Tiefpunkt ist eine Geburtsparty einer Klassenkameradin. Drei türkische Jungs winken den damals 15-jährigen Jonathan zu sich. Ob er wisse, wie die jüdische Nationalhymne klinge, wird er gefragt. Er kenne nur die israelische Nationalhymne, ist seine Antwort. Daraufhin halten sie ihm ein Gasfeuerzeug ans Ohr und lassen nur das Gas ausströmen. Das sei die jüdische Nationalhymne, bekommt er zu hören. Schallendes Gelächter.

Mit Anfang Zwanzig beginnt Ben Salomo zu rappen. In den 2000er Jahren ist Berlin einer der wichtigsten Orte für deutsche Rapmusik. Die Szene blüht. Der Leser erfährt viel über die Dynamiken der damals jungen Szene und die Rivalitäten der Rapper. Die Hoffnungen und Träume, welche die jungen Künstler in ihre Musik hatten, beschreibt der Autor nachvollziehbar. Wer sich in der deutschen Rapszene auskennt, wird staunen, welche Bekannten Ben Salomo hat. Sido und Kool Savas gehören dazu. Beide sind mittlerweile deutsche Rapsuperstars und Millionäre.

Judenhass in Rapkultur alltäglich

Frauenfeindliche und homophobe Wortwahl sind nichts Neues in der deutschen „Raplandschaft“. Leider! Längst hat deutsche Rapmusik an Verspieltheit und Unschuld verloren. Das Musik-Genre Rap, das als lyrische, kreative Ausdrucksform von Jugendlichen – in den USA – entstand, ist zu einem Geschäft geworden. Oft gehen Raptexte auf Kosten anderer.

Doch mittlerweile ist auch Judenhass alltäglich in dieser Jugendkultur, kritisiert der Autor Ben Salomo. Man müsse nur in die Kommentarspalten der sozialen Medien sehen oder sich auf YouTube „Battle-Rap“-Videos anschauen.

Das Publikum scheint sich an politischen Statements von manchen Rappern nicht zu stören. Denis Cuspert alias Deso Dogg holte 2006 bei einem Konzert die Hisbollah-Flagge aus seinem Rucksack. 2.000 Menschen grölten beim Anblick der Fahne. Deso Dogg ging später zum IS und ist seither spurlos verschwunden. Über solche Ereignisse kann der Autor nur den Kopf schütteln.

Typisches Beispiel: Kollegah und Farid Bang

Ein weiterer Gipfel von antisemitischen Äußerungen im deutschen Rap ist die Verleihung des Musikpreises Echo an die Rapper Kollegah und Farid Bang im letzten Jahr. In einer Textzeile der Rapper heiß es: „Mein Körper definierter als von Ausschwitzinsassen“.

Der Echo wird schließlich abgeschafft. Auf Einladung des Internationalen Ausschwitz-Komitees besuchten Farid Bang und Kollega das Konzentrationslager. Ende 2018 ließ Kollegah seinen Echo einschmelzen.

Für Ben Salomo sind viele Texte von Kollegah antisemitisch. So geht er über mehrere Seiten auf die beiden Songs „Apokalypse“ und „Armageddon“ ein. Kollegah beschreibt dort ein verschwörungstheoretisches Weltuntergangsszenario.

Ungeschönter Blick

Ben Salomo schreibt nicht nur für eingefleischte Rapfans. Das Buch ist ein spannender Tatsachenbericht. Es wirft einen ungeschönten Blick auf den grassierenden Antisemitismus in der deutschen Rapmusik. Jeder, der sich für diese Jugendkultur interessiert, erfährt etwas Neues. Es ist kurzweilig geschrieben und der Autor verliert sich nicht im Szene-Jargon.

Heute setzt sich Ben Salomo gegen Rassismus und Antisemitismus ein. Er wird in Talkshows eingeladen und bekam für sein Engagement 2018 das Robert-Goldmann-Stipendium verliehen.

Ben Salomo: „Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“, Europa Verlag, 240 Seiten, 18 Euro, ISBN 978-3-95890-259-6

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