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Analyse: Fragliche Maßnahmen gegen die „Jerusalem-Intifada“

Das Sicherheitskabinett versucht, mit neuen Maßnahmen gegen den Terror der Messerstecher vorzugehen. Ein wirksames Mittel ist darunter nicht auszumachen.
Die israelischen Polizei arbeitet bereits an der Grenze der Belastbarkeit
Während der Terror vor allem „individueller“ Täter zuschlägt – darunter sogar ein todesbereiter 13-jähriger Palästinenser aus Ostjerusalem –, steht die israelische Regierung fast hilflos vor dem Dilemma, den Bürgern ein Gefühl der Sicherheit zu geben, und nicht noch mehr Palästinenser zu Mordtaten zu beflügeln. Bei mehreren Anschlägen der vergangenen Tage stellte sich heraus, dass sehr junge Menschen am Morgen auf Facebook verkündet haben, „Märtyrer“ werden zu wollen, sich ein Küchenmesser gegriffen und in Jerusalem willkürlich Juden abgestochen haben: Fromme, Polizisten, Grenzschützer oder einfach nur Passagiere im Linienbus. Weil in den meisten Fällen keine Organisation oder terroristische Infrastruktur dahinter steckt, die Sprenggürtel bereitstellt oder die Täter gezielt irgendwo hinbringt, hat Israels Geheimdienst kein Mittel in der Hand, die Terroristen rechtzeitig auszumachen und festzunehmen, ehe sie ihre Mordanschläge verüben. In Israel wird darüber diskutiert, Algorithmen zu verbessern, um tausende Nachrichten auf Twitter und Facebook abzuklopfen und so vielleicht potentiellen Tätern auf die Spur zu kommen. Doch die „Jerusalem-Intifada“ ist noch relativ neu und Patentlösungen gibt es nicht. Gleichzeitig haben die Menschen Angst und wagen sich kaum noch auf die Straßen. Kaufhäuser und Restaurants bleiben leer, Touristen machen sich rar. Dieser Zustand bedarf akuter und schneller Abhilfe. In der Nacht zum Mittwoch hat das israelische Kabinett eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um „das Gefühl der Sicherheit“ zu stärken. Doch manche Maßnahmen lassen sich gar nicht umsetzen. Und manche sind bei Experten wie Militärs umstritten.

Sperren treffen auch die „Guten“

So hat die Polizei die Genehmigung erhalten, gewisse Viertel zu „sperren“ oder zu „umzingeln“. Aber wer Jerusalem kennt, versteht sofort, dass das ein sinnloses Unterfangen ist. Jüdische und arabische Viertel sind teilweise vermischt oder lediglich durch eine Straße getrennt. Die Idee, Straßensperren zu errichten, würde nur die „Guten“ treffen, also Bürger auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen. Wer einen Terroranschlag plant, müsste nur irgendwo über einen Zaun springen oder an anderer Stelle die Straßenseite wechseln. Mitten in einer Stadt einzelne Viertel hermetisch abzusperren ist praktisch unmöglich. Weiter soll verboten werden, zerstörte Häuser von Terroristen wieder aufzubauen. Ebenso soll Eigentum von Terroristen beschlagnahmt werden. Das alles sind Abschreckungsmaßnahmen, die sich in der Vergangenheit als wenig wirksam erwiesen haben und international als „Kollektivbestrafung“ verurteilt werden. Während israelische Politiker davon ausgehen, dass die „unschuldigen“ Familienangehörigen in die Anschlagspläne eingeweiht waren, ist das nicht unbedingt nachgewiesen. Andererseits könnte es vielleicht einen Jugendlichen abhalten, wenn er weiß, welchen Schaden er seiner engsten Familie beifügt.

Mehr Personal, mehr Sicherheit?

Der Beschluss, Terroristen das Aufenthaltsrecht in Jerusalem zu nehmen, dürfte vor allem jene nicht abschrecken, die mit ihrem Tod rechnen und Schahid (Märtyrer) werden wollen. 300 Sicherheitsleute sollen rekrutiert werden, um öffentliche Verkehrsmittel zu sichern. Das hat es zeitweilig während der „Zweiten Intifada“ zwischen 2000 und 2005 gegeben. Nur in ganz seltenen Fällen ist es einem bewaffneten Sicherheitsmann auf dem Platz neben dem Busfahrer gelungen, einen potentiellen Selbstmordattentäter rechtzeitig zu identifizieren und daran zu hindern, sich im Bus in die Luft zu sprengen. Der Beschluss, die Polizei zu verstärken, dürfte vor allem ein frommer Wunsch sein. Denn heute schon ist ausgebildetes Personal bis an die äußersten Grenzen im Einsatz. Die Idee, auch Soldaten in „empfindlichen Gebieten“ einzusetzen, stößt auf Widerspruch vom Militär. Denn Soldaten sind nicht für polizeiliche Aufgaben ausgebildet. Weiter wurde beschlossen, den Bau des Sperrwalls, vor allen in der Gegend südlich von Hebron, voranzutreiben. Dieser Sperrwall, seit 2003 errichtet, ist noch längst nicht fertig und weist Lücken auf. Terroristen können durch diese unerkannt nach Israel wechseln, anstatt die offiziellen Grenzübergänge zu passieren und kontrolliert zu werden. (uws)

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