LONDON (inn) – Erstmals hat die Organisation Amnesty International der Hamas Verbrechen gegen die Menschlichkeit am 7. Oktober 2023 vorgeworfen. In einem am heutigen Donnerstag veröffentlichten Bericht dokumentiert sie unter anderem gezielte Angriffe auf Zivilisten und sexuelle Gewalt. Der 173 Seiten lange Bericht trägt die Überschrift: „Zivilisten im Visier. Mord, Geiselnahme und andere Verstöße durch bewaffnete Gruppen in Israel und Gaza“.
Die Ausdrücke „Terrorist“ oder „Terrorgruppe“ kommen in den Ausführungen der Menschenrechtsorganisation nicht vor. Stattdessen ist von „bewaffneten palästinensischen Gruppen“ und von „palästinensischen Kämpfern“ die Rede. Nur im Zusammenhang mit der israelischen Anti-Terror-Einheit „Jamam“, in Zeugenaussagen von Überlebenden und in Fußnoten mit Überschriften von Artikeln erscheint der Begriff „Terror“.
Zwar verurteilt Amnesty die Akte der Gewalt, stellt sie aber auch in einen Kontext – und gibt damit dem jüdischen Staat eine Mitschuld: „Die Angriffe vom 7. Oktober 2023 und das darauf folgende Festhalten von Personen in Gefangenschaft waren Teil eines nicht-internationalen Konfliktes zwischen bewaffneten palästinensischen Gruppen und Israel. Sie fanden statt vor dem Hintergrund von Israels anhaltender Besatzung des Besetzten Palästinensischen Gebietes und der weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die von israelischen Truppen gegen Palästinenser begangen wurden, einschließlich der Errichtung eines Apartheid-Systems gegen Palästinenser und der lange anhaltenden illegalen Blockade von Gaza seit 2007.“
Nach den Angriffen habe Israel die Blockade intensiviert. „Im Dezember 2024 folgerte Amnesty International, dass Israel einen Genozid in Gaza verübt. Seine Truppen führten Aktionen aus, die unter der Genozid-Konvention verboten sind – mit der spezifischen Absicht, Palästinenser in Gaza physisch zu zerstören. Diese Akte schlossen Tötungen ein, das Verursachen schwerer körperlicher oder mentaler Schäden und das absichtliche Auferlegen von Lebensbedingungen auf Palästinenser in Gaza, die ihre physische Zerstörung herbeiführen sollten.“
Hamas-Behauptung widerlegt
Amnesty International geht auf die Behauptung der Terrorgruppe Hamas ein, sie sei nicht am gezielten Töten, an der Entführung oder Misshandlung von Zivilisten beteiligt gewesen. Viele seien von israelischem Feuer getötet worden. Auch habe sie nicht geplant, Zivilisten als Geiseln zu nehmen. Amnesty widerspricht dem: Sie habe aus Videomaterial und Zeugenberichten gefolgert, dass die große Mehrheit derjenigen, die starben, von palästinensischen Kämpfern getötet wurden.
Zwar seien laut israelischen Militäruntersuchungen in Be’eri und Nachal Os zwölf beziehungsweise drei Menschen versehentlich durch Feuer aus den eigenen Reihen getötet worden. Doch in den allermeisten Fällen macht Amnesty palästinensische Kämpfer verantwortlich, von denen die meisten der Hamas angehörten. Überhaupt sei an den Orten, an denen sich ein Großteil der Tötungen ereignete, das israelische Militär gar nicht präsent gewesen.
Überlebende befragt und Dokumente ausgewertet
Für den Bericht hat Amnesty mit Überlebenden des Massakers – dieses Wort erscheint allerdings nur in Zitaten – gesprochen. Zudem hat die Organisation Videomaterial und andere Dokumente ausgewertet. Zu den Gesprächspartnern gehören auch israelische Therapeuten und Anwälte.
Die Organisation stellt fest, dass unter den etwa 1.200 Toten vom 7. Oktober mehr als 800 Zivilisten und etwa 300 Soldaten waren. Mindestens 36 Kinder wurden demnach ermordet. Der Angriff habe vor allem jüdische Israelis getroffen, aber auch Beduinen, ausländische Arbeiter, Studenten und Asylsuchende. Mehr als 4.000 Menschen seien verletzt worden, hunderte Wohnhäuser und zivile Gebäude zerstört oder unbewohnbar gemacht. Auch von den 251 Geiseln waren die meisten Zivilisten, 36 der Verschleppten waren schon tot.
Weiter heißt es: „Zehntausende Bewohner der angegriffenen Gebiete, ebenso wie aus anderen Teilen von Südisrael, wurden am 7. Oktober aus ihren Häusern vertrieben. Tausende bleiben evakuiert, haben ihre Lieben und ihre Häuser verloren und sind einem fortdauernden Trauma ausgesetzt.“
Systematische und absichtliche Angriffe auf Zivilisten
Der Bericht geht von systematischen und absichtlichen Angriffen auf Zivilisten aus: Wohnhäuser, private Schutzräume und öffentliche Bunker seien Ziele gewesen. Zudem hätten Angreifer diejenigen gejagt, die fliehen wollten. Mehrere Geiseln seien nach der Entführung getötet worden. Im Kibbuz Be’eri hätten Bewaffnete in einem Haus Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht.
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„In Be’eri wurden 101 Zivilisten getötet, unter ihnen zehn Kinder. Das jüngste von ihnen war die neun Monate alte Mia Cohen, die in den Armen ihrer Mutter im Schutzraum der Familie erschossen wurde“, heißt es in dem Bericht. Und weiter: „Ältere Menschen wurden nicht verschont und gehörten zu den Zivilisten, auf die absichtlich gezielt wurde.“
Die meisten Geiseln waren jüdische Israelis, stellt Amnesty fest und merkt an: „Die Entführung und das Festhalten von Zivilisten als Geiseln, ebenso wie das Halten von Soldaten als Geiseln, stellen ernsthafte Verletzungen internationalen Menschenrechtes dar. Die Beschlagnahme und Misshandlung von Leichen ist ebenfalls eine Verletzung von internationalem Menschenrecht.“
Die Organisation hat die körperliche Misshandlung von 16 Menschen dokumentiert: von sechs Männern und einer Frau während der Angriffe in Südisrael sowie von neun Männern auf dem Weg nach Gaza. Der Großteil der dafür Verantwortlichen sei klar als Mitglieder bewaffneter Gruppen identifizierbar.
Sexuelle Gewalt in Israel und Gaza
Bezüglich der sexuellen Gewalt sprach Amnesty mit einem Teilnehmer des Nova-Festivals, der sich bereits gegenüber Medien geäußert hatte. Er bestätigte, dass er auf dem Gelände bei Re’im vergewaltigt worden sei. Darüber hinaus sei es schwer, mit Opfern in Kontakt zu kommen. Deshalb sei zwar die Tatsache sexueller Übergriffe bekannt, aber nicht deren Ausmaße. Auch habe die Organisation nicht feststellen können, ob die Hamas oder eine andere Gruppe vor dem Angriff entsprechende Anweisungen gab. Klar sei hingegen, dass auch Geiseln physische und sexuelle Gewalt erlitten.
Der Bericht geht auch auf psychische Misshandlung ein. Sie sei allen Geiseln widerfahren, ebenso wie ihren Familienangehörigen. Denn diesen hätten die Entführer Informationen über den Zustand der Verschleppten verweigert. Auch die veröffentlichten Videos von Geiseln, die teilweise weinten und um Freilassung flehten, stuft Amnesty Internation in diesen Kontext ein: „Das Filmen und Senden solcher Videos verstößt gegen das Verbot von Folter und anderer Misshandlung.“
Dabei nennt die Organisation Evjatar David, von dem die Hamas am 2. August 2025 ein Video veröffentlichte. Darin wurde er gezwungen, sein eigenes Grab zu schaufeln. „Unter diesen Umständen gezwungen zu werden, sein eigenes Grab zu schaufeln, läuft auf Folter hinaus“, schreiben die Autoren des Berichtes. „Das gilt auch für absichtliches Versagen von Nahrung für längere Zeit in Gefangenschaft.“
Amnesty kommt zu dem Schluss: Die Hamas, andere bewaffnete Gruppen und einzelne Palästinenser haben gegen mindestens eines der folgenden Verbote unter internationalem Recht verstoßen: Folter und andere Misshandlung; Verstümmelung; Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt.
Motiv der Vernichtung
Die Organisation sieht auch Mord an hunderten Zivilisten und das Motiv der Vernichtung: Die Mordtaten „waren als Massentötung einer Zivilbevölkerung gedacht, oder fanden als Teil davon statt“. Das Festhalten der Geiseln wiederum sei „Teil eines explizit geäußerten Planes der Führung von der Hamas und anderen bewaffneten palästinensischen Gruppen“ gewesen.
Eine weitere Rubrik sind „andere unmenschliche Akte“. Darunter listet Amnesty, dass die Geiseln unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten worden seien: Verweigerung von angemessener Nahrung und medizinischer Versorgung gehöre dazu. Außerdem seien ihnen großes Leiden oder schwere Verletzungen an Leib oder Seele zugefügt worden.
Als Hauptverantwortlichen macht Amnesty die Hamas aus. Sie und andere bewaffnete Gruppen hätten bislang keine Untersuchungen zu den Verbrechen vom 7. Oktober durchgeführt. „Die politische und ebenso die militärische Führung der Hamas hat es nicht geschafft, begangene Verbrechen öffentlich anzuerkennen oder zu verurteilen. Sie haben falsche Taten unabhängigen Palästinensern aus Gaza angelastet.“ Die Organisation fügt an: „Sie haben sogar mit manchen Taten angegeben, die auf Verbrechen hinauslaufen, wie das Abfeuern ungelenkter Raketen nach Israel.“
Untersuchung gefordert
Die Hamas habe angekündigt, nach dem Ende des bewaffneten Konfliktes Untersuchungen einzuleiten. Doch das sei auch in früheren Fällen nicht geschehen. Die „Behörden des Staates Palästina“ hätten ebenfalls nichts unternommen, um Täter vor Gericht zu bringen. Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas (Fatah), habe nur zur Freilassung von Geiseln aufgerufen und das Töten von Zivilisten verurteilt, aber nicht die große Zahl an Verstößen.
Amnesty fordert die „Hamas und andere bewaffnete Gruppen“ auf, ohne Bedingungen den Leichnam der letzten Geisel, Ran Gvili, zurückzubringen, sobald er aufgefunden werde. Dafür sollten sie internationale Hilfe erbitten. Nach den Bestimmungen zur Waffenruhe hätten alle lebenden und toten Geiseln bis zum 13. Oktober an Israel übergeben werden müssen.
„Sie müssen schwere Verstöße gegen internationales Menschenrecht, einschließlich Verbrechen nach internationalem Recht, untersuchen, die während der Angriffe vom 7. Oktober 2023 und seitdem von ihren Truppen begangen wurde, darunter auch mit Blick auf die Geiseln.“ Die Verstöße müssten sie öffentlich bekennen, verurteilen und einstellen. Hamas als De-facto-Behörde in Gaza wird aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden – von einem unabhängigen und unparteiischen Rechtsmechanismus.
Dass die Auslöschung Israels in der Charta der Terrorgruppe festgeschrieben ist, thematisiert Amnesty nicht. Die Organisation fordert die israelischen Behörden auf, Verletzungen des internationalen Rechtes gegen Palästinenser in den „Besetzten Palästinensischen Gebieten“ und gegen „palästinensische Bürger Israels“ zu beenden. (eh)
4 Antworten
Warum erzählt niemand gewissen Gaza Arabern, dass Mahatma Gandhi, Nelson Mandela und Martin Luther King so erfolgreich waren, weil sie sich friedlich und pazifistisch für politische Ziele eingesetzt haben??? Je mehr die Welt die Agressivität der Hamas entschuldigt, desto mehr Öl gießt sie in das Feuer. Das nützt dem Frieden im Heiligen Land gar nicht. Vieles was Israel macht ist Notwehr – und ja niemand behauptet dass Israelis immer alles richtig machen, sie sind Menschen! – . Möge der Friede in kleinen Schritten wahr werden und Israel kluge Vorsicht kennen und gesegnet mögen alle dort sein, die ehrlichen Frieden wollen!*SHALOM
Psalm 4:9
Ich liege und schlafe ganz mit Frieden;
denn allein du, HERR,
hilfst mir, dass ich sicher wohne.
Amnesty International behauptet eine israelische Mitschuld an Folter und sexuelle Gewalt gegen Israelis und die Auslöschung Israels durch die Hamas auch kein Tema. Diese Organisation hat fertig, sie muss weg!
„Amnesty International“ ist, wie sie ist: Israel-feindlich ! Nun räumt sie sexuelle Gewalt gegen Israelis ein, um im gleichen Atemzug den Israelis eine Mitschuld daran zu geben.
Es ist erbärmlich.
Mit Menschenrecht hat diese „Menschenrechtsorganisation“ NICHTS zu tun.
Endlich rückt Amnesty International mal mit der Sprache heraus, die Grausamkeiten der Hamas betreffend. Das ist wohltuend zu bemerken Allerdings geht es wahrscheinlich nicht ohne die Kontextuierung in Form einer Mitschuld der Israelis, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Unrecht haben Amnesty zumindest nicht, wenn man davon ausgeht, daß diese Katastrophe wohl hätte vermieden werden können, wäre die israelische Führung nicht der Arroganz eines
wie auch immer gearteten ungerechtfertigten Überlegenheitswahnes verfallen welcher Shin Bet und Generalstab pennen ließ.
Weiter möchte ich das erstmal nicht kommentieren, bis ich was handfestes darüber in Händen halte.
SHALOM