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Altes und Neues Testament: Messias bringt Frieden

Auf dem Israelkongress in Schwäbisch Gmünd steht in diesem Jahr der Friede Gottes im Mittelpunkt. Ein Israeli und ein Deutscher spüren ihm im Alten und im Neuen Testament nach.
Guido Baltes forderte die Kongessteilnehmer auf, Missverständnisse der christlichen Auslegung aufzuklären

SCHWÄBISCH GMÜND (inn) – Das Wort „Schalom“ kommt 237-mal in der Hebräischen Bibel vor. Darauf hat der messianische Jude Erez Soref am Donnerstag auf dem Israelkongress in Schwäbisch Gmünd aufmerksam gemacht. Der Direktor des „Israel College of the Bible“ in Netanja fügte hinzu, bei diesem Wort gehe es um viel mehr als die Abwesenheit eines Konfliktes. Es sei eine Gabe, die nur Gott den Menschen geben könne. Dieser ziehe ins Herz ein – unabhängig von den äußeren Umständen. Schutz und Segen seien darin eingeschlossen.

Das Thema der Bibelarbeit lautete: „Der Messias bringt den Schalom – alttestamentliche Perspektiven“. Ein Schlüsselabschnitt zum Thema „Friede“ ist für Soref der Aaronitische Segen (4. Mose 6,22–24): „Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Hier beauftrage Gott die Priester, seinen Segen auf das Volk Israel zu legen. Damit erhielten sie auf geheimnisvolle Weise auch die Vollmacht, Frieden auf das Volk zu legen. Der Israeli merkte an, dass am Pessachfest und am Laubhüttenfest Tausende Juden zur Klagemauer gingen, um diesen Segen zu empfangen.

Gott hat Pläne für jeden Menschen

Eine weitere Bibelstelle, in der die Bedeutung von Schalom deutlich wird, sei Jeremia 29,11: „Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ Nach dem traumatischen Ereignis der Tempelzerstörung durch die Babylonier und der Verschleppung ins Exil tröste Gott die Juden durch Jeremia, erläuterte Soref. Er teile ihnen mit, dass er noch Pläne für sie habe und sich Gedanken über sie mache. Der Plan laute: Friede. Gott denke über jeden Menschen nach.

Jesaja 53,5–6 wiederum zeige: „Der Messias bringt den Frieden mit Gott.“ Dort heißt es: „Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.“ Die Verse befassten sich nicht nur mit dem Frieden, der von Gott kommt. Es gehe auch um Frieden mit Gott, betonte der Referent.

Soref ging auch auf das Neue Testament ein. Epheser 2,11–22 fordere Heidenchristen dazu auf, ihre Herkunft nicht zu vergessen. Das gelte aber auch für Juden. Er rief die Teilnehmer der Konferenz auf dem Schönblick auf, das Evangelium mit Juden zu teilen. Der beste Weg, Israel zu segnen, führe über Jesus.

Theologe Baltes: Missverständnisse über Juden aufklären

In einem zweiten Vortrag ging es um das Thema „Jesus ist unser Schalom – neutestamentliche Perspektiven“. Referent war nun der Theologe Guido Baltes, der mehrere Jahre das Johanniterhospiz in der Jerusalemer Altstadt leitete. Derzeit lehrt er an der Theologischen Hochschule Tabor und am Bibelseminar in Marburg. Seinen Ausführungen legte er Epheser 2,14 zugrunde: „Jesus ist unser Friede.“

Wichtig ist es dem Theologen, unter Christen verbreitete Missverständnisse über Juden und Israel aufzuklären. Dazu gehöre etwa die Vorstellung von einer angestammten Feindschaft zwischen Juden und Nichtjuden, die nur durch Jesus überwunden werden könne. Deutlich werde sie durch das „Bild von der Ausgrenzung der Heiden“. Vollständig lautet der zitierte Epheservers: „Denn er ist unser Friede, der aus beiden eins gemacht hat und hat den Zaun abgebrochen, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch die Feindschaft wegnahm.“

Baltes legte dar, dass seit Jahrhunderten christliche Ausleger diese Bibelstelle auf die Absperrung beim Tempel bezogen hätten. Deren Existenz belegen zwei griechische Inschriften, die erste wurde 1871 entdeckt. Dass diese Absperrung Juden von Nichtjuden habe trennen sollen, sei allerdings ein altes antijüdisches Klischee, das bereits beim römischen Historiker Tacitus (55–120 nach Christus) vorkomme. Bei Predigern sei das Bild von der Ausgrenzung der Heiden beliebt, sie verwendeten es etwa im Zusammenhang mit den Samaritanern. Aus dieser Auslegung entstehe dann das „Evangelium“: „Jesus hat den Zaun überwunden.“

Jüdische Quellen zu Rate ziehen

Um Missverständnisse zu vermeiden, empfahl Baltes einen Blick in die jüdischen Quellen. Im Alten Testament begegnen Menschen aus aller Welt dem Gott Israels. Abraham soll zum Segen für alle Völker werden. Die Kanaaniterin Rahab und die Moabiterin Ruth werden ins Volk aufgenommen. Jona wird ausgesandt, um den Heiden in Ninive zu predigen – und selbst eine Lektion zu lernen. Dies widerspreche der These von der Trennung.

Der Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet, im ersten nachchristlichen Jahrhundert seien Nichtjuden in Synagogen gegangen. Im Tempel brachten sie Opfer dar und beteten Gott an. Allerdings seien sie, ebenso wie die Juden, im Vorhof geblieben, hob Baltes hervor. Die Opfer hätten sie an die Priester übergeben. Vorhöfe habe es für verschiedene Gruppen gegeben: für jüdische Männer, für Frauen, für Nichtjuden sowie für Juden, die unrein geworden waren. Doch der gesamte Tempelberg habe als Tempel gegolten, und somit auch der Vorhof der Heiden – der unter Herodes sogar erweitert worden sei.

Daraus folgerte der Theologe, dass die Heiden nicht vom jüdischen Gottesdienst ausgeschlossen worden seien. Vielmehr habe jede Gruppe sich an dem für sie bestimmten Platz aufgehalten. Unterscheidung sei aber kein Zeichen für Feindschaft. Überdies verwende Paulus in dem Epheser-Vers einen anderen griechischen Ausdruck für den Zaun, als er bei Flavius Josephus und auf den entdeckten Steintafeln im Zusammenhang mit dem Tempel erscheint. Im Epheserbrief gehe es nicht um Frieden zwischen Juden und Heiden, sondern um den Frieden beider Gruppen mit Gott.

Tora aufgehoben?

Ein weiteres Missverständnis leiten viele Christen aus Epheser 2,15 ab: „Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache.“ Die Schlussfolgerung sei über die Jahrhunderte gewesen, Gott habe den „Zaun des Gesetzes“ entfernt. Dies werde gestützt durch die jüdische Mischna. Im Traktat „Pirke Avot“ (Sprüche der Väter) heißt es am Anfang: „Mache einen Zaun um die Tora.“ Doch ist damit wirklich gemeint, dass das Gesetz für Juden eine einschränkende Funktion hat?

In der jüdischen Tradition gilt das Gesetz als gute Gabe Gottes. Nach 5. Mose 6,24 wird derjenige leben, der die Gebote hält. Wie dankbar Juden für das Gesetz sind, wird beim Fest Simchat Tora (Freude über die Tora) deutlich. Dann tanzen sie vor lauter Freude mit den Torarollen auf dem Arm. In diesem Jahr beginnt das Fest in Israel am Montagabend, in der Diaspora wird es einen Tag später gefeiert.

Baltes weist darauf hin, dass Martin Luther bei der Übersetzung des Verses etwas unterschlagen hat. Richtig müsste er heißen: „Er hat das Gesetz, das in Gebote gefasst war, in seinen Urteilssprüchen abgetan, damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache.“ Das bedeute, dass Menschen durch Jesus frei werden könnten vom Fluch des Gesetzes, nicht vom Gesetz selbst.

Ein dritte Missverständnis sei die Behauptung, die Christen seien ein neues Gottesvolk. Eine solche Vorstellung sei bedrohlich für Juden: „Jesus bringt Frieden. Dadurch gibt es keine Juden mehr.“ Doch der Gedanke, dass die Christen zu einem neuen Volk Gottes würden, finde sich im Neuen Testament nicht. Vielmehr seien Juden und Nichtjuden unterschiedlich, und doch eins in Christus. Diesem Missverständnis liegt der zweite Teil von Epheser 2,15 zugrunde: „damit er in sich selber aus den zweien einen neuen Menschen schaffe und Frieden mache“. Demnach sei es das vorrangige Ziel des Messias, Menschen in den Frieden mit Gott einzuladen.

Von: Elisabeth Hausen

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