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Alltag in Israel: Warten ohne Murren

Meist sind die Israelis lauter als die Deutschen. Oft schimpfen sie scheinbar ohne Anlaß los. Aber es gibt auch Situationen, in denen sie gelassen längere Zeit warten, ohne sich zu beschweren – weil es um Leben und Tod geht.

Überall in der Stadt wehen israelische Flaggen. Am Yom HaShoa denken Juden weltweit an diejenigen, die unter Hitlers Regime umgebracht wurden. Ich habe gerade die Melech George-Strasse überquert, um in der Innenstadt eine Bank und eine Post aufzusuchen, als die Sirene ertönt.

Menschen steigen aus ihren Autos, Fußgänger bleiben stehen, Gespräche werden unterbrochen. Um mich herum erblicke ich ernste Gesichter. Ich denke nicht nur an die Opfer der Shoah, sondern auch an die vielen Europäer, die heute terroristische Anschläge gegen Juden kritiklos hinnehmen.

Nach zwei Minuten ist die Unterbrechung der alltäglichen Tätigkeiten vorbei. Autos und Fußgänger setzen sich wieder in Bewegung. Eine Dreiviertelstunde später habe ich alles erledigt und gehe ich durch die Jaffa-Straße zurück. Plötzlich höre ich einen Lautsprecher. Eine Kundgebung zum Gedenktag? Ein Polizeiauto steht quer auf der Straße, kein Fahrzeug kann vorbeifahren. Auch die Fußgänger werden angehalten. „Nicht weitergehen, gehen Sie bis zu dem Bus zurück”, ruft ein Sicherheitsbeamter.

Ich frage ihn, was los ist. „Jesch chafetz chaschud”, lautet die knappe Antwort, die alles erklärt – es gibt einen verdächtigen Gegenstand. Ich weiche mit den anderen Fussgaengern zurück.

Busse und Fußgänger warten geduldig. Niemand hupt, schreit oder schimpft. Dieses Verhalten ist für Israelis absolut ungewöhnlich. Sicherheitskräfte untersuchen, ob es in der Umgebung des verdächtigen Gegenstandes weitere mögliche Gefahrenquellen gibt. Die Spannung in der Luft ist greifbar.

Wer neu dazukommt, fragt die Wartenden, was geschehen ist. Wer ein Mobiltelefon hat, informiert Angehörige darüber, daß es ihm gut geht. Immer wieder werden wir aufgefordert, noch weiter zurückzugehen. In einiger Entfernung ist ein Knall zu hören. Ein paar Minuten später geben die Polizisten die Straße wieder frei. Erleichtert setzt jeder seien Weg fort. Insgesamt haben wir fast eine halbe Stunde gewartet. Dafür, daß vielleicht ein Terroranschlag verhindert worden ist, hat sich das auf jeden Fall gelohnt.

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