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Alltag in Israel: „Nur mal schnell zur Post“

Es ist Mittag, also könnte ich die Arbeit unterbrechen und schnell zur Post gehen. Die nächste sei in der KKL-Straße, hat man mir erklärt. Das ist etwa zehn Minuten von meinem Quartier entfernt. Ich gehe hin, finde das Postamt - und bleibe irritiert stehen. Es wird gerade renoviert und sieht nicht besonders anheimelnd aus.

Draußen steht ein Automat, der offenbar noch funktioniert, doch der hilft mir nicht weiter. Von der übrigen Einrichtung ist nichts zu erkennen. Am Seiteneingang treffe ich auf einen Tisch und zwei Israelis, die einen kleinen Teil der Dienste übernehmen. Sie schicken mich zur Schamai-Straße, das dauert noch einmal etwa zehn Minuten.

In diesem Postamt sind viele Menschen versammelt. Als ich eine Nummer ziehe, stelle ich fest, dass ungefähr 50 Leute vor mir an die Reihe kommen. Wenigstens finde ich einen freien Sitzplatz. Aber womit soll ich mir die Wartezeit vertreiben? Natürlich habe ich nicht daran gedacht, für einen solchen Fall ein Buch mitzunehmen. Doch nach wenigen Minuten kommt ein älterer Mann mit Kippa herein, der vier Nummern hinter mir ist, und setzt sich zögernd neben mich. Ich begrüße ihn mit „Schalom“. Das ermutigt ihn offenbar zu der Frage: „Können Sie mir helfen und das für mich aufschreiben?“

Kurz durchzuckt mich der Gedanke, dass mir diese Formulierung irgendwie bekannt vorkommt, da fällt mir auch schon ein, woher. Das fragen die arabischen Händler in der Altstadt, wenn sie einen Touristen in ihren Laden locken wollen. Dann bitten sie den Besucher, das Wort „Sommerschlussverkauf“ (obwohl es den in Deutschland gar nicht mehr gibt) oder das englische „Sale“ (Angebot) für sie zu notieren. Und schon ist der unfreiwillige Kunde mitten im Gespräch mit dem Verkäufer, dem er eigentlich ausweichen wollte.

Doch das hier ist kein arabischer Basar, sondern eine israelische Postfiliale. Und neben mir sitzt kein gerissener Händler, sondern ein vertrauenerweckender Israeli, der Hebräisch mit mir spricht. Also überwinde ich meine Zurückhaltung und erkundige ich mich, worum es geht. Er möchte ein Paket nach China schicken, die Adressen stehen schon darauf. Doch nun muss er sie noch in ein Formular eintragen. In lateinischer Schrift. Ich schreibe die Anschriften in die entsprechenden Felder, er bedankt sich, wir kommen ins Gespräch. Das Paket ist für seinen Sohn bestimmt, der in China arbeitet. Ich erzähle ihm, dass ich aus Deutschland komme und eigentlich in das Postamt wollte, das renoviert wird. Da meint der Israeli: „Und dann hat Gott dafür gesorgt, dass Sie hierher kommen, damit wir uns begegnen und Sie mir helfen können.“

Die Wartezeit wird mir durch das Gespräch mit dem Pensionär sehr kurz. Als meine Nummer aufgerufen wird, wünschen wir uns gegenseitig alles Gute. Er verabschiedet sich mit den Worten: „Es war sehr angenehm.“

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