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Abhören ist eine Frage der Mentalität

JERUSALEM (inn) – Zwei Israelis treffen sich an der Bushaltestelle. Sie tauschen die Vornamen aus und nach wenigen Minuten fragen sie einander, wie viel sie verdienen. In Deutschland wäre eine so schnelle „Intimität“ undenkbar.
In israelischen Bussen gilt es nicht als unhöflich, sich in ein Gespräch einzumischen.

Wenn man in Israel im Bus sitzt und ein Gespräch mithört, ist es selbstverständlich, ungefragt einen eigenen Kommentar beizusteuern. Niemand käme auf die Idee, das als ungehörig oder gar als Einmischung in die „Privatsphäre“ zu empfinden.
Die deutsche Aufregung über das Abhören der Telefongespräche von Kanzlerin Angela Merkel scheint also auch eine Mentalitätsfrage zu sein. In Deutschland nimmt die geheiligte Privatsphäre teilweise extreme Züge an, etwa wenn im Namen des deutschen Volkes junge Soldaten nach Afghanistan geschickt werden, um das Vaterland zu verteidigen. Wenn sie dann für das deutsche Volk den Kopf hingehalten haben und fallen – politisch korrekt heißt das heute „sterben“ –, sind die Heimatverteidiger plötzlich nur noch namenlose „Leichen“, ohne soldatischen Rang, ohne Namen und ohne Heimatort. Das Bundesverteidigungsministerium hält die Presse fern, wenn der Sarg eingeflogen und die „Leiche“ anonym irgendwo im „engsten Familienkreis“ beerdigt wird. Anteilnahme der Bevölkerung für diese jungen Deutschen, die ihr Leben geopfert haben, ist nicht erwünscht.
Wie anders ist das in Israel, wo die Medien gefallenen Soldaten riesige Reportagen widmen, wo der Staatspräsident jeder Familie einen Beileidsbesuch abstattet. So wird das Gefühl vermittelt, als sei der „gute Junge“ ein Freund, Nachbar oder Sohn.

Überwachung als Segen

Genauso halten es die Israelis mit der allgegenwärtigen Überwachung durch den „großen Bruder“, wer immer das gerade ist. Dank Sicherheitskameras an jeder Ecke in der Altstadt Jerusalems und anderswo in Israel konnten schon Terroranschläge und Verbrechen entweder verhindert oder schnell aufgeklärt werden. Ein Segen.
Völlig klar ist, dass die Passagierlisten der Flugzeuge stillschweigend dem Geheimdienst, welchem auch immer, übergeben werden. So können „verdächtige Personen“ herausgefiltert werden. Bei Flügen von und nach Israel kann man sich ziemlich sicher fühlen, zumal in Frankfurt, München und Berlin Panzerwagen die Maschinen ab dem Rollfeld begleiten und das Terminal mit auffällig vielen bewaffneten Männern mit umgehängten Maschinenpistolen umstellt ist. Ein Segen.
Niemand hatte sich darüber aufgeregt, als der israelische Geheimdienst 1967 ein Telefongespräch zwischen König Hussein von Jordanien und Ägyptens Präsident Gamal Abdul Nasser abgehört hatte. Damals verabredeten beide Herrscher, die Lüge in die Welt zu setzen, dass Amerikaner wie Briten mit Kampfflugzeugen an der Seite Israels im Sechs-Tage-Krieg kämpften. Die USA waren noch nicht mit Israel verbündet, während die Sowjets voll auf Seiten Ägyptens standen. Dank der Veröffentlichung der geheimen telefonischen Absprache zwischen Hussein und Nasser konnte ein Weltkrieg zwischen den beiden Supermächten abgewendet werden. Ein Segen.
Mark Heller von Tel Aviver Institut für nationale Sicherheit sagte beim amerikanischen Sender „Fox News“: “Es ist wohl eine allgemein gültige Annahme, dass jeder versucht, jeden auszuspionieren.“ Allein wegen der Fähigkeiten der Vereinigten Staaten müsse man davon ausgehen, dass die USA auch in Israel alles abhören.
Und da anzunehmen ist, dass auch europäische Geheimdienste Telefongespräche abhören, kommt Heller zu dem Schluss, dass die europäische Empörung über die vom NSA mitgeschnittenen Gespräche des schlecht gesicherten Handys der deutschen Kanzlerin mit einem Schuss „Scheinheiligkeit und Neid“ gewürzt sei.
Für alle Geheimdienste der Welt gilt vor allem das elfte biblische Gebot: „Lass dich nicht erwischen.“ Und genau daran hat sich die NSA dank Edward Snowden nicht gehalten.

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