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Abbas nach Gründung von Verfassungsgericht in der Kritik

RAMALLAH (inn) – Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat ein Verfassungsgericht gegründet. Die Hamas will die Einrichtung nicht anerkennen. Zudem kritisiert sie eine weitere Entscheidung des Fatah-Vorsitzenden.
Macht sich der Vetternwirtschaft verdächtig: PA-Präsident Abbas
Die Beziehung zwischen den wichtigsten palästinensischen Gruppen, Fatah und Hamas, ist von Streitigkeiten geprägt. Ende März trafen sich Vertreter der beiden Seiten in Katar, um eine Versöhnung zu erreichen. Dies blieb allerdings ohne Ergebnis. Nun hat der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und Fatah-Chef, Mahmud Abbas, die Hamas erneut verärgert. In der vergangenen Woche gründete er ein Verfassungsgericht für die PA und ernannte neun Richter. Diese sollen bis Montag vereidigt werden, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Die Fatah spricht von einem Schritt nach vorne, um einen funktionierenden palästinensischen Staat zu schaffen. Der Fatah-Sprecher im Westjordanland, Osama al-Kawasmi, sagte: „Weder der Präsident noch irgendwelche Führer (der Fatah) haben in dieser Angelegenheit eine private Agenda. Die Hauptaufgabe des Verfassungsgerichtes ist es, Gesetze zu kontrollieren. Nach dem Gesetz ist es eine völlig unabhängige Einrichtung und wir haben volles Vertrauen darin.“

Hamas: Verfassungsgericht verschärft Spaltung

Kritiker werfen Abbas hingegen vor, nur Juristen aus seiner eigenen Fraktion ernannt zu haben. Damit versuche er, seine Macht auszubauen. Die Hamas lehnte den Vorstoß ab: „Die Hamas wird die Legitimität dieses Gerichtes und all dessen, was es hervorbringt, nicht anerkennen“, wird sie in der Onlinezeitung „Times of Israel“ zitiert. „Wir rufen die Mitglieder des Verfassungsgerichtes zum Rücktritt auf. Sie sind dafür verantwortlich, dass noch mehr Spaltung unter den Palästinensern entsteht.“ Der stellvertretende Vorsitzende des Palästinensischen Legislativrates (PLC), Hassan Chreischeh, äußerte sich besorgt. Er sagte der Zeitung „Gulf News“ mit Sitz in Dubai, das Parlament könne vom Gericht überschattet werden. Präsident und Mitglieder des Verfassungsgerichtes müssten von den palästinensischen Richtern gewählt und nicht ernannt werden. „Die Bildung eines Verfassungsgerichtes kann als Initiative der Fatah gesehen werden, um einen neuen Mechanismus zu platzieren, um einen Nachfolger zu wählen, wenn Abbas sein Amt niederlegt“, mutmaßte der Hamas-Vertreter. Das palästinensische Grundgesetz legt fest: Wenn der Posten des Präsidenten vakant wird, übernimmt der PLC-Vorsitzende ihn kommissarisch für zunächst 60 Tage. Dies kann verlängert werden, bis ein neuer direkt gewählter Präsident das Amt antritt. Derzeit leitet Asis Dwaik von der Hamas den PLC. Chreischeh bringt die „verdächtige Terminierung für die Gründung eines Verfassungsgerichtes“ mit dem „Machtkampf innerhalb der palästinensischen politischen Arena“ in Verbindung. Im Falle einer möglichen palästinensischen Versöhnung bleibe die Frage, wer den Vorsitz des PLC einnehmen solle. Die Fatah beanspruche den Posten für sich, die Hamas halte ihn für ihr unangefochtenes Recht. „Selbst wenn die Hamas, die die Mehrheit im PLC hat, diese spezifische Herausforderung gewinnt, wird das palästinensische Verfassungsgericht gewiss den politischen Aktivismus und die Bestrebungen der Hamas begrenzen und blockieren“, ergänzte der stellvertretende Vorsitzende.

Zahlungen an PFLP eingestellt

Indes sorgt eine weitere Entscheidung des 81-jährigen PA-Präsidenten für Kritik. Die marxistische „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) warf Abbas am Montag vor, die Zuteilung von Geldern von der „Palästinensischen Befreiungsorganisation“ (PLO) auszusetzen. Die PFLP ist nach der Fatah die zweitgrößte Mitgliedsorganisation der PLO. USA und EU betrachten sie als Terrorgruppe. Der ranghohe PFLP-Vertreter Kajed al-Ghul sagte der palästinensischen Nachrichtenagentur „Ma‘an“, neulich habe Abbas angeordnet, die noch nicht ausgezahlten Gelder für Februar und März zu stoppen. Dies sei offenbar eine Reaktion auf Rücktrittsforderungen aus den Reihen der Organisation. „Wir glauben, die Entscheidung wurde angesichts der Opposition der PFLP gegenüber Abbas‘ Politik getroffen, was die Sicherheitskoordinierung mit Israel angeht“, führte Al-Ghul aus. PFLP-Führer hätten Abbas wiederholt kritisiert, weil er Resolutionen des PLO-Zentralrates nicht umgesetzt habe, nach denen er die Zusammenarbeit auszusetzen müsse. Abbas habe schon früher Gelder gekürzt als „Bestrafung für die politische Opposition der PFLP“. Er müsse dieser „nutzlosen“ Politik ein Ende setzen, denn „die PFLP hat ein unveräußerliches Recht darauf, die nationalen Gelder zu erhalten“. Es geht um einen Betrag von rund 70.000 Dollar pro Monat. Die Hamas äußerte ebenfalls Kritik an dem Vorgang. Sie sprach auf ihrer Website von einer „politischen Erpressung“.

Kritik bereits nach Fernsehinterview

Der PA-Vorsitzende hatte Ende März im israelischen Fernsehen wiederholt, dass er der Sicherheitszusammenarbeit mit Israel verpflichtet sei. Nach dem Interview sagte die PFLP, die Bemerkungen gegenüber den „zionistischen“ Medien und andere ehrerbietige Schritte gegenüber Israel hätten „eine Unterwürfigkeit unter die Strukturen der Besatzung und ihrer Unterdrückungsmechanismen“ gezeigt. „Diese Aktionen überschreiten alle Linien und Traditionen der Palästinenser und unterminieren die nationale palästinensische Befreiungsbewegung ihre Grundsätze und Entscheidungen.“ Überdies prangerte die PFLP Abbas‘ Genehmigung an, dass PA-Sicherheitskräfte Razzien in Schulen im Westjordanland durchführten. Dabei beschlagnahmten sie Messer von jungen Schülern, „während palästinensische Kinder täglich der zionistischen Kriegsmaschinerie ausgesetzt sind. Dies ist ein direkter Angriff auf das palästinensische Bildungssystem“. Es handele sich um eine Stigmatisierung der Intifada und des Widerstandes als „Terror“. Auch die Hamas hatte das Interview kritisiert. Abbas solle „von Positionen Abstand nehmen, die einen Deckmantel für israelische Verbrechen bieten und die Besatzung ermutigen, weitere Unterdrückung gegen die Palästinenser auszuüben“, forderte die radikal-islamische Organisation. (eh)

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