JERUSALEM (inn) – Eine israelisch-arabische Organisation hat einen Vorschlag für eine neue Verfassung vorgelegt. Demzufolge soll der Staat Israel seine jüdische Identität verlieren.
Der Entwurf kommt vom Rechtszentrum für Minderheitsrechte von Arabern in Israel, „Adalah“. Israel wird darin mehr als „zweisprachiges und multikulturelles“ Land angesehen und weniger als jüdischer Staat. Der Vorschlag trägt die Bezeichnung „Die demokratische Verfassung“. Er sieht vor, dass die jüdische Mehrheit ihren Charakter durch Bildungs- und Kultureinrichtungen behalten kann.
Adalah äußert sich auch zum Rückkehrrecht. Derzeit kann jeder Mensch, der mindestens einen jüdischen Großelternteil hat, ohne weitere Bedingungen Bürger des Staates Israel werden. Das arabische Zentrum will die Staatsbürgerschaft hingegen aus humanitären Gründen gewähren, ohne auf die Religion zu achten. Araber, die 1948 das Gebiet verlassen haben, sollen an ihren Ursprungsort zurückkehren dürfen. Außerdem sollen sie entschädigt werden.
„Unrecht gegenüber Palästinensern anerkennen“
Die Einleitung des Verfassungsentwurfes fordert, dass Israel seine Verantwortung für die „historischen Ungerechtigkeiten“ anerkennt, „die es der palästinensischen Nation in seiner Gesamtheit zugefügt hat“. Zudem müssten sich die Israelis aus den Palästinensergebieten zurückziehen und das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstverteidigung akzeptieren. Die Staatsgrenzen sollten entlang der Waffenstillstandslinie von 1967 verlaufen.
Jeder Nachkomme eines israelischen Bürgers hat nach dem Willen von Adalah das Recht auf die Staatsbürgerschaft. Der Geburtsort spiele dabei keine Rolle. Dasselbe gilt für Ehepartner von Israelis. Damit will das Institut israelische Bemühungen untergraben, Heiraten zwischen israelischen Arabern und palästinensischen Bewohnern der Autonomiegebiete einzuschränken. Laut Adalah befasst sich der Vorschlag nicht mit der Frage, wer ein Jude ist. Es gehe vielmehr darum, wer ein Staatsbürger sei.
Eine weitere Forderung in dem Verfassungsentwurf betrifft Bestände der islamischen Aufsichtsbehörde Waqf und allen arabischen Besitz, der nach 1948 beschlagnahmt wurde. Er müsse zurückgegeben werden. Für die Zeit der Enteignung müssten die Besitzer außerdem eine Entschädigung erhalten, meint Adalah laut der Zeitung „Ha´aretz“.
Mögliche Symbole für diesen Staat werden nicht genannt. Diese sollten entweder von einem Knesset-Ausschuss bestimmt werden, der zur Hälfte aus Arabern bestehe. Oder 75 Prozent der arabischen Parlamentarier müssten die Vorschläge annehmen. Offizielle Veröffentlichungen, Gerichtsurteile und Medienberichte müssten in hebräischer und arabischer Sprache zugänglich sein.
Erster arabischer Verfassungsentwurf
Es ist der erste arabische Vorschlag für eine israelische Verfassung. Von jüdischer Seite gab es in der Vergangenheit bereits mehrere Entwürfe. Diese basierten nach Ansicht des Adalah-Direktors Marwan Dwairy nicht auf demokratischen Werten. „Sie beziehen sich auf arabische Bürger wie auf Ausländer in ihrem Heimatland, in dem Geschichte, Erinnerung und kollektive Rechte allein den Juden vorbehalten sind“, schreibt er.
Adalah hofft, dass der Vorschlag eine Debatte über den rechtlichen und kulturellen Stand der israelischen Araber auslösen wird. „Wenn diese ‚Demokratische Verfassung‘ es schafft, die großen Diskrepanzen zwischen ihr und den anderen Vorschlägen aufzuzeigen und sie einen Dialog und eine aktuelle öffentliche Diskussion über die Natur von Freiheiten und Rechten in diesem Land erzeugt, werden wir das als einen wichtigen Schritt ansehen“, so Dwairy. Viele Teile des Entwurfes seien auf internationalen Erklärungen zu Menschenrechten begründet. Adalah habe sich mit Rechtsexperten in aller Welt beraten. Einige hätten bei dem Prozess mitgewirkt, in dem Südafrika von einem Apartheidstaat zu einer Demokratie wurde.