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Die Jordanien-Connection

Wie eine Wolke schwebt seit Jahren über Jordanien die Angst, Israel könnte die Flasche entkorken, in der der Dschinn des palästinensischen Herrschaftsanspruchs über das Ostjordanland gefangen sitzt. Auf die im Februar 2006 nach dem Wahlsieg der Hamas halböffentlich geäußerte Befürchtung des israelischen Generals Jair Naveh, König Abdallah II. sei möglicherweise der letzte Haschemitenherrscher, reagierte Jordanien mit einem diplomatischen Eklat. Der General, immerhin Kommandeur des Zentralabschnitts der israelischen Armee, musste sich entschuldigen. Dass die Warnung im Blick auf den jordanischen König gut gemeint war, zählte nicht.

Jetzt sind es die Drohung der israelischen Regierung unter Ehud Olmert, sich einseitig von den Palästinensern zu trennen und vor allem der breite Rückhalt in der israelischen Bevölkerung zu den einseitigen Trennungsplänen, die das Königshaus in Amman, das seinen Herrschaftsanspruch von einem Stammbaum bis auf den Propheten Mohammed ableitet und vor vier Generationen aus dem saudiarabischen Mekka eingewandert ist, erzittern lassen. Eines der Hauptanliegen der Visite des israelischen Premierministers bei seinem östlichen Nachbarn ist offensichtlich, diese Befürchtungen zu zerstreuen.

Offiziell gibt das bislang kein israelischer Politiker zu, aber der Grenzterminal südlich von Beit Schean im Jordantal spricht Bände. Ein israelischer Rückzug aus zumindest Teilen der Jordansenke steht als Menetekel an der Wand. Offensichtlich wollen die Israelis ihre östlichen Nachbarn an der Verantwortung für die Palästinenser beteiligen, genauso wie sie durch den Rückzug von der Grenze zwischen dem Gazastreifen und dem ägyptischen Sinai den Ägyptern die Palästinenser vor die Füße geworfen haben. Nur so kann Israel dem Vorwurf entfliehen, es sperre die Palästinenser ein und setze die Besatzung aus der Entfernung fort.

Wenn der Raketenbeschuss aus Gaza auf den nördlichen Sinai weitergeht, ist eine massive Reaktion der israelischen Armee, die in den ersten Monaten seit dem Rückzug bereits Tausende von Mörsergranaten in den Gazastreifen hineingeschossen hat, nur eine Frage der Zeit. Sollte die israelische Armee tatsächlich einmal tun, was ihr seit Jahren vorgeworfen wird, nämlich wahllos in Richtung auf die Palästinenser zu schießen, wären nicht nur unzählige Tote, sondern auch ein Strom von palästinensischen Flüchtlingen die Folge, der weder im Süden nach Ägypten hin, noch im Osten in Richtung Jordanien aufgehalten werden könnte.

Ägypten hat im Nordosten den Sinai, endlose Wüsten, und den Suezkanal, um einen palästinensischen Flüchtlingsstrom fern vom Kernland zu stoppen. Jordanien fehlt dieser Puffer. Ein massiver Zustrom von arabischen Flüchtlingen aus dem Westjordanland hätte unmittelbare politische Folgen – und das nicht nur ob der schieren Masse des Stroms, sondern vor allem auch, weil bis zu 80 Prozent der jordanischen Bevölkerung Palästinenser sind und seit jeher ein Anspruch der palästinensischen Nationalbewegung auf das Gebiet des Haschemitenkönigreichs besteht. Schon eine palästinensische Emigration in Richtung Osten aus wirtschaftlichen Gründen, ausgelöst durch die Abkoppelung von der israelischen Wirtschaft, hätte fatale Folgen für die sensible Balance in Jordanien.

Im September 1970 hatte der damalige König Hussein, um seinen Machtanspruch durchzusetzen, in wenigen Tagen mehr Palästinenser umgebracht als Israel in seiner gesamten Geschichte. Vermutlich hätte das drastische Durchgreifen während des „Schwarzen September“ allein aber den netten Monarchen gar nicht gerettet, hätten die Israelis nicht dem syrischen Präsidenten ernsthaft und mit amerikanischer Rückendeckung mit Krieg gedroht. So mussten sich die syrischen Panzer, die bereits zur Hilfe Arafats und seiner Freischärler auf jordanisches Territorium vorgestoßen waren, wieder zurückziehen.

Es sind allerdings nicht mehr oder weniger unausgesprochene arabisch-palästinensische Ambitionen oder Zwangslagen, die von der Haschemitenmonarchie als Bedrohung empfunden werden können, sondern auch alternative israelische Vorschläge zur Lösung des Nahostkonflikts. Anfang und Mitte der Neunzigerjahre hatten noch Likud-Mitglieder wie Benjamin Netanjahu eine regionale Lösung des Palästinenserproblems propagiert. Seit dieser jedoch Regierungsverantwortung und die damit verbundenen Zwänge erfahren hat, konzentrieren sich die Anhänger der Vorstellung, dass mit Jordanien eigentlich schon ein arabischer Staat im historischen Palästina existiert, auf den Umkreis der Nationalen Union und besonders auf die Moledet-Partei, die 1988 von dem ermordeten israelischen Tourismusminister Rehaveam Se`evi gegründet worden war.

Se`evis Nachfolger an der Parteispitze der „Moledet“ ist der Rabbiner Benjamin Elon. „Es gibt nur eine Heimat (hebräisch „Moledet“)“ und „Nur der Transfer bringt Frieden“ sind die Schlagworte, unter denen die Rechtspartei „um unserer Kinder willen“ die Zukunft des jüdischen Staates Israel gestalten will. Bereits im Mai 2003 hatte Benjamin Elon seinen eigenen Friedensplan unter dem Titel „Der richtige Weg zum Frieden“ vorgelegt. Ihm liegen sechs Schlüssel-Prinzipien zugrunde, die der Siedlerrabbi aus Bethel bis heute für relevant hält:

  1. Die sofortige Auflösung der Palästinensischen Autonomie.
  2. Die Vernichtung der palästinensischen Terrorstrukturen.
  3. Die Anerkennung des Jordaniens – das auf 75 Prozent des historischen britischen Mandatsgebiets Palästina liegt – als Palästinenserstaat.
  4. Die rechtliche Annektierung Judäas, Samarias und des Gazastreifens als Staatsgebiet Israels. Gleichzeitig würden die arabischen Bewohner dieser Gebiete Bürger des Staates Palästina auf dem Gebiet des heutigen Jordaniens.
  5. Die Rehabilitierung der palästinensischen Flüchtlinge und Vollendung des Bevölkerungsaustauschs, der mit dem Unabhängigkeitskrieg Israels im Jahre 1948 begonnen hat und in dessen Folge – so die Zahlen, die Elon vorlegt – 700.000 Araber Israel verließen und 860.000 Juden aus arabischen Ländern nach Israel flohen. Damit meint er in erster Linie die Integration der palästinensisch-arabischen Flüchtlinge in ihren arabischen Zufluchtsländern, so wie die jüdisch-arabischen Flüchtlinge und ihre Nachkommen längst in Israel integriert wurden.
  6. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn.

Der Friedensplan Benni Elons hätte voraussichtlich vor allem ein Opfer: den sympathischsten Diktator des Nahen Ostens, König Abdallah II. von Jordanien. Und er birgt unter anderem das Risiko, dass sich der seit Jahrzehnten freundlichste und verlässlichste Nachbar Israels, das Königreich Jordanien, auf demokratischem Wege in eine islamische Republik verwandeln könnte. Das ist der Grund dafür, warum dieser Plan in der israelischen Öffentlichkeit kaum diskutiert wird. In national-religiösen und rechten Kreisen und vor allem unter den jüdischen Siedlern, die auch weiterhin an eine Zukunft der jüdischen Ortschaften und Städte in Judäa und Samaria glauben, wird der Elon-Friedensplan allerdings als reale Alternative zum Prozess von Oslo und seinen Folgeinitiativen gesehen.

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