JERUSALEM (inn) – Wenn die Knesset bis Mitte nächster Woche keinen Finanzminister bestimmt hat, könnte es in Israel Neuwahlen geben. Dies teilte Generalstaatsanwalt Menachem Masus in einem Rechtsgutachten mit.
Am Montag hatte Premierminister Ariel Scharon in letzter Minute die Abstimmung über die Besetzung dreier Ministerposten um eine Woche verschoben, weil er nicht mit einer Mehrheit für seine Kandidaten rechnete. Dazu gehört auch das Amt des Finanzministers, das seit dem Rücktritt von Benjamin Netanjahu im August geschäftsführend von Ehud Olmert ausgeübt wird.
Ein geschäftsführender Minister kann allerdings höchstens drei Monate im Amt bleiben, in diesem Fall bis zum 9. November. Scharon hatte Masus um seine Einschätzung darüber gebeten, welche möglichen Folgen es haben könnte, falls Olmert nicht bis zu diesem Termin von der Knesset zum ständigen Minister gewählt worden ist. Der Generalstaatsanwalt wies darauf hin, dass Israel dann in die noch nie da gewesene Situation geraten würde, überhaupt keinen Finanzminister zu haben.
Scharon könne weder einen weiteren geschäftsführenden Minister für den Posten ernennen noch selbst das Amt übernehmen, erklärte Masus. Das Fehlen eines solchen Ministers könne schwere Folgen haben. Eventuell könne die Regierung gezwungen sein, zurückzutreten oder die Knesset aufzulösen. In beiden Fällen würde es vorgezogene Neuwahlen geben.
Scharon: Zaun wird weitergebaut
Am Montagabend hielt Scharon seine erste Rede in der Knesset nach der Sommerpause. Er versprach, der Sicherheitszaun werde auf jeden Fall so schnell wie möglich weitergebaut. Dabei solle für „ein Höchstmaß an Sicherheit und ein Mindestmaß an Behinderung im Leben von Palästinensern“ gesorgt werden. „Wir haben nicht die Absicht, das geordnete Leben der Palästinenser zu bedrohen, solange die relative Ruhe anhält“, sagte der Premier. Allerdings hätten die vergangenen Tage mit dem Anschlag in Hadera und den Drohungen des iranischen Präsidenten die Israelis „an die Gefahren der Region erinnert“.
Er kündigte an, der Haushaltsplan für 2006 werde die neuen Prioritäten der Regierung widerspiegeln. Gewalt und Verbrechen sollten bekämpft werden, „um jedem einzelnen Bürger eine verbesserte Sicherheit zu Hause und auf der Straße zu bieten“. Weitere Schwerpunkte seien der Kampf gegen Armut, die Reform des Bildungssystems sowie die Entwicklung der Negev-Wüste, Galiläas und der Gegend von Jerusalem.
Die Rede wurde von den Abgeordneten mit 51 zu 48 Stimmen knapp angenommen. Als einziger enthielt sich Knesset-Sprecher Reuven Rivlin, berichtet die Tageszeitung „Ha´aretz“.
Lapid kritisiert Regierung
Scharfe Kritik kam vom Oppositionsführer und Vorsitzenden der radikal-säkularen Schinui-Partei, Josef „Tommy“ Lapid: „Bei allem gebührenden Respekt gegenüber Scharon und (Vizepremier Schimon) Peres – sie führen Parteien, die es nicht wert sind, das Land zu regieren. Die Roadmap steckt fest, die Intifada ist erneuert, die Chancen auf Frieden schwinden, das Wirtschaftswachstum wird zurückgehalten, die Armut vertieft sich und die ‚Hilltop Jugendlichen‘ bauen neue illegale Außenposten.“
Mit Bezug auf den Widerstand gegen den Abzug aus Gaza und Nordsamaria innerhalb der Regierung fügte Lapid hinzu: „Es ist beispiellos, eine Regierung zu haben, die von Oppositionsstimmen abhängt, um ihre Entscheidungen durchzubringen.“