JERUSALEM (inn) – Israels Premierminister Ariel Scharon hat am Sonntagabend unverrichteterdinge eine Versammlung des Likud-Zentralkomitees verlassen – als er seine Rede begonnen hatte, versagte das Mikrofon. Bei der Sitzung ging es um die Frage, ob die Wahl zum Parteivorsitzenden vorgezogen werden soll.
Bereits als sich Scharon für seine Ansprache bereitmachte, verließen mehrere seiner Gegner demonstrativ den Raum. Damit erinnerten sie an Vertreter islamischer Staaten, die beim jüngsten UN-Gipfel dadurch ihren Protest ausgedrückt hatten, als Israels Premier sprechen sollte. Scharon wollte sagen, eine Vorverlegung wäre ein „Selbstmord, der den Likud zerstören und ihn nur an einen Ort führen würde – die Opposition“.
Sabotage-Vorwürfe nicht haltbar
Nachdem mehrere Versuche gescheitert waren, das Mikrofonproblem zu lösen, vermutete Likud-Direktor Arik Barami Sabotage. Gegner und Befürworter von Scharon warfen sich gegenseitig vor, das Lautsprechersystem manipuliert zu haben. Erste Untersuchungen der Polizei ergaben hingegen, dass keine Hinweise auf Sabotage-Versuche vorlägen.
Netanjahu kritisiert Scharon
Scharons härtester Konkurrent um den Parteivorsitz, Benjamin Netanjahu, plädierte für einen früheren Wahltermin. Dem Likud-Chef legte er nahe, wenn er die Partei verlassen wolle, solle er dies jetzt tun. Damit spielte der zurückgetretene Finanzminister auf Vertraute von Scharon an, die in den vergangen Wochen gesagt haben, dieser werde eine neue Partei gründen, falls der Termin vorgezogen würde.
„Sind wir eine demokratische Bewegung oder die Bewegung einer Person, die alle unsere Entscheidungen ignoriert?“, fragte Netanjahu. Scharon hatte den Rückzug aus dem Gazastreifen durchgesetzt, obwohl die Mehrheit der Likudniks sich dagegen ausgesprochen hatte. „Der Likud gehört weder mir noch dir, Arik. Wir gehören zum Likud.“
Auch Usi Landau, der ebenfalls für den Vorsitz kandidiert, und Bildungsministerin Limor Livnat sprachen sich für eine vorgezogene Wahl aus. Letztere hatte sich bis dahin auf Scharons Seite gestellt. Doch sie versuche, durch ihr Plädoyer für frühere Wahlen einen Kompromiss zwischen den beiden Hauptkontrahenten zu erreichen, so Livnat laut der Tageszeitung „Ha´aretz“.
Drei Minister unterstützen Scharon
Unterstützung erhielt der Premier hingegen von den Ministern Silvan Schalom, Meir Schitrit und Zipi Livni. Sie warnten davor, dass vorgezogene Wahlen im Likud zu Neuwahlen in Israel führen würden. Dadurch könne die Linke an die Macht kommen. „Ich habe noch nie eine Partei gesehen, die bereit ist, mit so großer Freude ihre Regierungsmacht aufzugeben und in den Abgrund zu springen“, beschwerte sich Verkehrsminister Schitrit. Wenn die Linken an die Macht kämen, würden sie möglicherweise das ganze Land Israel aufgeben.
Am heutigen Montag stimmen die Likudniks über den Wahltermin ab. Die Abstimmungslokale werden am späten Abend geschlossen.