JERUSALEM (inn) – Während in Israel der Streit um Ausnahmen bei der Wehrpflicht für Ultra-Orthodoxe weiter tobt, haben einige Haredim nun ihre Bereitschaft für die Verteidigung des Landes unterstrichen: Rund 70 Soldaten schlossen am Dienstag mit einer Zeremonie eine Ausbildung für das Kommando eines Schwadrons ab.
Bei dem Kurs handelt es sich um den ersten seiner Art in der ultra-orthodoxen Hasmonäer-Brigade. Der militärische Großverband wurde 2024 gegründet und orientiert sich in der Organisation an der Lebensweise der Strenggläubigen. Am Ausbildungsstützpunkt im Jordantal gibt es etwa vier Synagogen.
Bei ihrer Ausbildung trainierten die Teilnehmer Kampfsituationen in städtischem und ländlichem Gebiet und führten Navigationsübungen durch. Die Armee erklärte in einer Stellungnahme, dieser erste Kurs sei Teil eines wichtigen Prozesses, um Ultra-Orthodoxe in die Armee einzubinden. Nach aktuellen Zahlen ist dies dringend nötig: Der Armee fehlen für ihre Aufgaben derzeit etwa 12.000 Soldaten.
Umstrittener Entwurf
Doch auf politischer Ebene schwelt der Streit um die Einbindung der Ultra-Orthodoxen weiter: Ein am Montag im Verteidigungsausschuss der Knesset beratener Gesetzesentwurf stößt auch in der Likud-Partei von Regierungschef Benjamin Netanjahu auf Widerstand. Beobachter rechnen damit, dass der Entwurf in derzeitiger Form keine Mehrheit für eine zweite und dritte Lesung im Plenum findet.
Der Likud-Abgeordnete Juli Edelstein erklärte, der Zweck dieses Entwurfs des Ausschussvorsitzenden Boas Bismuth (Likud) sei vor allem „der Erhalt der Koalition“ – aber nicht die Regelung der Wehrpflicht. Edelstein war selbst Vorsitzender des Ausschusses; er musste den Posten aber Ende Juli räumen wegen eines Entwurfes, den die Ultra-Orthodoxen ablehnten.
Gerichtliche Ansagen
In der Frage der Wehrpflicht für Ultra-Orthodoxe sucht die Politik seit Jahren eine Lösung. Die Ultra-Orthodoxen bestehen auf Ausnahmeregelungen, um jungen Männern aus ihren Reihen das Tora-Studium zu ermöglichen. Der Oberste Gerichtshof hatte im Jahr 2024 aber erklärt, dass diese nicht weiter ohne gesetzliche Grundlage bestehen dürften.
Bismuth veröffentlichte den Text eines überarbeiteten Entwurfs bereits am Donnerstag. Dieser sieht weiter Ausnahmeregelungen für Jeschiva-Studenten vor, während die Zahl der Ultra-Orthodoxen in der Armee erhöht werden soll. Allerdings strich Bismuth einige Regelungen des ursprünglichen Entwurfs; darin war vorgesehen, dass diejenigen, die als Jeschiva-Studenten vermerkt sind, auch wirklich mit dem Tora-Studium befasst sind.
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Angedachte Ansprache zurückgehalten
Laut der Nachrichtenseite „Times of Israel“ stieß der aktuelle Entwurf sowohl in der Koalition wie auch in der Opposition auf Kritik. Selbst der Rechtsberater des Verteidigungsausschusses meldete Bedenken an. Netanjahu wollte sich am Dienstagabend in dieser Angelegenheit eigentlich in einer Videobotschaft an die Nation richten. Das Regierungsamt sagte dies aber mit Verweis auf „Terminprobleme“ ab.
Dafür meldete sich der frühere Premier Naftali Bennett in einer Videobotschaft zu Wort und kritisierte den Entwurf. Dieser merze alle Chancen aus, Ultra-Orthodoxe einzuberufen, bemängelte der 53-Jährige. Er warf Netanjahu vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. Der Vorschlag gebe vor, ein Entwurf für die Regelung der Wehrpflicht zu sein, enthalte aber zahlreiche Ausnahmen. Netanjahu lasse diejenigen im Stich, die die Last der Wehrpflicht auf sich nähmen.
Bennett versuchte außerdem mit Verweis auf die Bibel, das Argument der Ultra-Orthodoxen zu entkräften, Bibelstudium und Wehrpflicht seien nicht vereinbar. „Alle Helden der Tora waren große Krieger“, betonte er und nannte unter anderen Josua, Gideon und David. Außerdem kämpften in der Armee zahlreiche gläubige Juden, „mit der Gemara in den Händen im Zentrum von Chan Junis“.
Bennett gilt derzeit als aussichtsreichster Rivale Netanjahus bei den für den Herbst 2026 vorgesehenen Knessetwahlen. Dabei will er mit einer neugegründeten Partei antreten.
Netanjahu benötigt die Ultra-Orthodoxen für politische Mehrheiten. Im Juli hatte das Vereinigte-Tora-Judentum die Regierung wegen des Streits um die Wehrpflicht verlassen. Die Koalition verfügt derzeit nur noch über die Hälfte der Knessetstimmen. (df)
2 Antworten
70 Ultra-Orthodoxe haben die Ausbildung für Kommandoaufgaben gemeistert. Wir sind begeistert.
Es ist Schade, dass es kein allgemeines Recht auf Wehrdienstverweigerung gibt mit dem passenden Zivildienst. Das wäre gerechter als die totale Befreiung der Orthodoxen. Es würde Israel’s Demokratie stärken und nebenbei glaube ich, dass in Israel die Einsicht sich verteidigen zu müssen größer ist als in anderen Ländern. Um es mit den Worten meines Großvaters zu formulieren: „Man kann über Israel sagen, was man will, aber sie haben die besten Soldaten der Welt.“ Und ja beten ist auch wichtig! *SHALOM