STOCKHOLM (inn) – Drei Wissenschaftler erhalten in diesem Jahr den Nobelpreis für Wirtschaft. Einer von ihnen ist der israelisch-amerikanische Wirtschaftshistoriker Joel Mokyr. Den Anruf vom schwedischen Nobelpreiskomitee verpasste er wegen einer Einstellung auf seinem Mobiltelefon.
Mokyr wurde 1946 im niederländischen Leiden geboren und wuchs in der israelischen Küstenstadt Haifa auf. An der Hebräischen Universität Jerusalem studierte er Wirtschaft und Geschichte. Seinen Doktorgrad erlangte er 1974 an der Yale-Universität in New Haven im US-Bundesstaat Connecticut. Er lehrt und forscht in den USA an der Northwestern University in Illinois sowie in Israel an der Universität Tel Aviv.
Den Nobelpreis teilt er sich mit dem Franzosen Philippe Aghion und dem Kanadier Peter Howitt. Sie werden dafür geehrt, ein „von Innovation angetriebenes Wirtschaftswachstum erklärt zu haben“. Die Hälfte des Nobelpreises geht an Mokyr, der „die Voraussetzungen für anhaltendes Wachstum durch technologischen Fortschritt“ entdeckt hat.
Historische Quellen genutzt
Mokyr habe die Mechanismen beschrieben, „die wissenschaftliche Durchbrüche und praktische Anwendungen ermöglichen, sich gegenseitig beeinflussen und einen selbstgenerierenden Prozess schaffen“. Dieser stelle eine Herausforderung für vorherrschende Interessen dar, heißt es in der Erklärung des Komitees. Deshalb zeige er auch, wie wichtig es sei, „dass eine Gesellschaft offen ist für neue Ideen und Veränderung zulässt“.
Er habe historische Quellen als Mittel genutzt, um zu entdecken, aus welchen Gründen fortwährendes Wachstum zur neuen Normalität wird. Dabei habe er drei bedeutende Faktoren für Wachstum herausgearbeitet: nützliches Wissen, mechanische Kompetenz und Einrichtungen, die technologischen Fortschritt fördern.
Die andere Hälfte des Preises erhalten zu gleichen Teilen Aghion und Howitt. Sie entwickelten „die Theorie des anhaltenden Wachstums durch kreative Zerstörung“. In einer gemeinsamen Publikation 1992 präsentierten sie ein mathematisches Modell dafür, wie Firmen in verbesserte Produktionprozesse und Produkte von höherer Qualität investieren: Damit gewinnen sie den Wettbewerb gegen Unternehmen, die vorher die besten Produkte anboten. „Wachstum entsteht durch kreative Zerstörung.“
Aus Neugier nachgesehen, wer Nobelpreis erhält
In einem ersten Interview fragte Adam Smith vom Nobelpreiskomitee Mokyr nach dessen Reaktion auf die Nachricht. Es sei „überwältigend“ und „völlig überraschend“, sagte der Wirtschaftshistoriker. Er sei noch verwirrt.
Mokyr erzählte, wie er von der renommierten Auszeichnung erfuhr: Er habe sein Telefon so eingestellt, dass es nur Anrufe von Leuten auf seiner Kontaktliste annehmen kann. Sonst bekäme er mitten im Unterricht Spam-Anrufe. „Ich ging also an meinen Computer, um nachzusehen, wer dieses Jahr den Nobelpreis gewonnen hat, aus Neugier. Und ich bekomme eine Glückwunsch-Mail. Und ich denke, ich habe keinen Geburtstag. Aber dann wurde mir klar, was los war. Da war ein verpasster Anruf aus Schweden auf meinem Telefon. Und der Verdacht begann zu reifen, wie man sagt.“
„Wirtschaftshistoriker gewinnen keine Nobelpreise“
Vor zehn Jahren nahm Mokyr an der Nobelpreisverleihung in Stockholm teil. Hätte er sich damals vorstellen können, einmal selbst der Preisträger zu sein? Er entgegnete: „Veräppeln Sie mich? Ich bin Wirtschaftshistoriker. Wir gewinnen keine Nobelpreise. Oder wir taten es einst, aber das war vor langer Zeit. Nein, ich konnte es mir nicht vorstellen.“
Er habe eine Liste von möglichen Kandidaten gehabt. „Und ich war nicht darauf. Aber ich bin übrigens sehr erfreut. Denn einer der Ko-Preisträger, Philippe Aghion, und ich sind gerade dabei, zusammen ein Buch zu schreiben. Also wird es sich wohl gut verkaufen.“
Im Jahr 2018 sagte Mokyr dem israelischen Wirtschaftsmagazin „Globes“, Fortschrittsglaube sei der Schlüssel zum Wohlstand für alle. Die meisten Gesellschaften hätten nicht an Fortschritt geglaubt. „Sie dachten, dass sich die Geschichte in Kreisen bewege.“ Das habe sich nur in Europa geändert. „Wer an Fortschritt glaubt, dem ist klar, dass er und seine Generation mehr weiß als frühere Generationen. Er glaubt, dass er weiterkommen kann als seine Vorgänger.“ (eh)