TEL AVIV (inn) – Etwa 30.000 Menschen haben am Dienstagabend in Tel Aviv der Opfer des Hamas-Terrormassakers vom 7. Oktober 2023 gedacht. Die Zeremonie veranstaltete die Organisation „Kumu“ (Erhebt euch). Überlebende sowie Angehörige von Opfern und Geiseln haben sie gegründet.
Der Gründer Jonatan Schamris sagte, er habe sich am 7. Oktober in einem Schutzraum versteckt und sich selbst ein Versprechen gegeben: „Wir werden uns erheben.“ Sein Bruder Alon wurde im Dezember 2023 versehentlich von Soldaten getötet, als er seinen Entführern entkommen war.
Schamris äußerte laut der Nachrichtenseite „Times of Israel“ Kritik an der politischen Führung: „Der 7. Oktober ist nicht nur ein Tag des Gedenkens an diejenigen, die wir verloren haben. Er ist ein Tag des Gedenkens an Nachlässigkeit, an gescheiterte Führung und an Abtretung der Verantwortung. An jenem Tag entstand eine Verpflichtung: Den Staat Israel in eine bessere Wirklichkeit zu führen.“
Teilnehmer der Zeremonie forderten eine staatliche Untersuchung des Versagens, das zum Massaker geführt habe. Ferner riefen sie zur Freilassung der 48 noch verbliebenen Geiseln auf. Von ihnen wurden 47 am 7. Oktober verschleppt. Ein gefallener Soldat befindet sich seit 2014 in den Händen der Hamas.
Die Gedenkveranstaltung begann mit einer Schweigeminute für die während des Massakers und im dadurch ausgelösten Krieg Getöteten. Aufnahmen mit Schilderungen von Überlebenden und Hinterbliebenen wurden auf großen Bildschirmen eingespielt.
Zwei ESC-Teilnehmerinnen treten auf
Auf der Bühne trat unter anderen Juval Raphael auf. Sie hatte Israel dieses Jahr beim Eurovision Song Contest (ESC) in Basel vertreten und dank des Zuschauervotums den zweiten Platz belegt. Gemeinsam mit Daniel Weiss sang sie im Duett. Raphael versteckte sich während des Terrormassakers acht Stunden lang unter Leichen, bevor sie gerettet wurde. Weiss ist ebenfalls ein Überlebender, er stammt aus dem Kibbuz Be’eri. Seine Eltern wurden bei dem Massaker ermordet.
Raphaels Vorgängerin beim ESC, Eden Golan, appellierte auf Englisch an die internationale Gemeinschaft: „Seit zwei langen Jahren werden unschuldige Seelen von der Hamas gefangen gehalten. Bitte, stehen Sie uns bei. Erheben Sie Ihre Stimmen, helfen Sie uns, der Welt zu sagen: Sie kommen heim.“ Dann sang sie das Lied „I’m Coming Home“ (Ich komme nach Hause).
Mitten auf der Bühne stand ein verbranntes Autowrack. Auch ein von Kugeln durchlöcherter Schutzraum war im Park aufgestellt. 48 gelbe Stühle symbolisierten die Geiseln.
Heilung statt Rache
Galit Dan trauert um ihre 13-jährige Tochter Noja Dan und ihre Mutter Carmela Dan, die im Kibbuz Nir Os ermordet wurden. Bei der Zeremonie sagte sie: „Wir suchen keine Rache, wir suchen Heilung. Wir wollen die Furcht besiegen und Hoffnung finden. Hass überwinden und uns wieder mit unserer Menschlichkeit verbinden. Zorn überwinden und uns wieder mit Mitleid verbinden.“
Die von „Kumu“ organisierte Veranstaltung in Tel Aviv war die größte Gedenkzeremonie am zweiten Jahrestag des Massakers. Sie wurde in andere israelische Städte übertragen. Den nationalen Gedenktag hat die israelische Regierung nach dem jüdischen Kalender festgelegt: Das Massaker wurde am Fest der Freude über Gottes Lehre, Simchat Tora, begangen. Der Gedenktag ist zwei Tage danach, am 24. Tag des Monats Tischrei. In diesem Jahr fällt er auf den 16. Oktober.
Netanjahu und Herzog würdigen Resilienz
Zum zweiten Jahrestag veröffentlichte Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud) eine Erklärung: „Unsere blutdürstigen Feinde haben uns schwer getroffen, aber sie haben uns nicht gebrochen. Vor langer Zeit entdeckten sie die enorme Stärke der Nation Israel“, heißt es darin. Er sei stolz auf die Resilienz seines Volkes. „Gemeinsam haben wir die iranische Achse zerschmettert. Gemeinsam haben wir das Angesicht des Nahen Ostens verändert. Gemeinsam werden wir Israels Ewigkeit sichern.“
Der israelische Staatspräsident Jizchak Herzog sprach von dem „Tag, an dem Israels Seele auseinandergerissen wurde“. Er fügte an: „Aus jener Dunkelheit erwuchs der Mut unserer Soldaten, das Heldentum unserer Bürger und die Einheit eines Volkes, das sich weigerte zu zerbrechen.“ Angesichts des weltweit steigenden Antisemitismus versicherte er: „Wir stehen Schulter an Schulter mit jüdischen Gemeinden überall.“
Herzog fügte an: „Aus der Tiefe der Trauer ziehen wir Stärke; aus der Asche der Tragödie bauen wir Erneuerung auf. Die Geschichte Israels ist die Geschichte der Resilienz, von einem Volk, das niemals aufgeben wird, niemals nachgeben wird und niemals aufhören wird, zu glauben, dass Licht die Dunkelheit überwältigen wird.“
Freunden und Partnern in aller Welt dankte das Staatsoberhaupt für „viele von Herzen kommende Botschaften der Solidarität und des Gedenkens, während wir den 7. Oktober begehen“. Sein besonderer Dank gelte US-Präsident Donald Trump „für seine unglaublichen Bemühungen, alle unsere Geiseln nach Hause zu bringen und Frieden in den Nahen Osten zu bringen“. Weiter schrieb Herzog: „Ich bete für den Erfolg dieser Bemühungen und den Erfolg der Verhandlungsteams.“ (eh)
10 Antworten
🇩🇪❤️🩹🇮🇱
„Keine Rache“ : erinnert mich an meine allererste Begegnung mit einer Holocaust-Überlebenden in Israel. Ich hatte sie gefragt, ob sie mich hasst: Ihre Antwort (auf deutsch) : „Warum sollte ich ? „
Super, die gleiche Antwort habe ich einem Kollegen mit palästinensischen Wurzeln gegeben mi dem Zusatz, daß er weder dabei war noch mir irgendetwas angetan habe.
SHALOM
Es ist wirklich ganz unterschiedlich, wie traumatisierte Israelis mit den Taten des Massakers, mit ihren Verlusten und dem Gedenken umgehen. So unterschiedlich wie Menschen eben sind. Der eine mag keine Rache, der nächste keine Vergebung und alle suchen Heilung, die ich dem israelischen Volk von Herzen wünsche.
Staatspräsident Herzog findet stets sehr gute und heilsame Worte für viele Situationen. Und immer bringt er auch seinen Glauben zum Ausdruck. Mögen seine Worte wahr werden, das Volk Israel kann nicht zerbrochen werden und das Licht wird die Dunkelheit überwinden. Das ist auch meine Hoffnung und mein Gebet.
🙏🎗🇮🇱
Schwache Menschen streben nach Rache.
Starke Menschen vergeben.
Intelligente Menschen ignorieren.
Zitat von Albert Einstein.
@Gideon Lahav
Lieber Gideon Lahav,
angesichts der Situation dieser Welt, würde ich dies so übersetzen … Seine ❤️ Kraft (Vergebung) ist in den „Schwachen ❤️🩹“ mächtig. Solche, welche die Welt für schwach hält.
Herzliche Grüße
Gideon, vergeben kann ich nicht, ignorieren will ich nicht,vergessen geht nicht, wehren werde ich mich weiterhin, die Rache überlasse ich dem Ewigen, er wird vergelten.
SHALOM
Ich vertraue auf Gottes Verheißungen für Sein Volk, die Er uns in Seinem Wort schriftlich gegeben hat.
Menschen können Seine Pläne nicht verhindern, die Er mit Seinem Volk und mit den Nationen hat.
Und Er wird rächen auf Seine gerechte Art, denn allein bei Ihm ist Gerechtigkeit.
„Wir wollen keine Rache“. Wir auch nicht, aber die Hamas muss weg.
🇮🇱❤️🩹🇩🇪