Weleda, dieser Name steht für ethische Werte und Qualität. Auch in Israel erfreuen sich die Produkte der Naturkosmetikfirma großer Beliebtheit. In vielen Bio-Geschäften und einer großen Drogeriemarktkette können Konsumenten unter einer breiten Produktpalette auswählen. Doch nun steht das Unternehmen Weleda massiv in der Kritik: Eine Studie der Historikerin Anne Sudrow entstand im Auftrag der KZ-Gedenkstätte Dachau. Sie zeigt erstmals das volle Ausmaß der Beziehungen zwischen dem Naturkosmetikhersteller Weleda und der SS auf.
Sudrows Studie legt dar, dass die renommierte Naturkosmetikfirma während der Nazi-Herrschaft eng mit der SS (Schutzstaffel) im Konzentrationslager Dachau kooperierte. Demnach bezog Weleda Heilkräuter aus einer von KZ-Häftlingen betriebenen SS-Pflanzung und lieferte an die SS eine Creme, die mutmaßlich für Menschenversuche eingesetzt wurde.
SS: Wichtigste Stütze des NS-Regimes
Die SS war 1925 ursprünglich als Personenschutz für Adolf Hitler und andere Parteiführer gegründet worden. Nach der Machtübernahme und Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 sicherte die SS unter der Leitung von Reichsführer SS Heinrich Himmler (1900–1945) nach innen mit brutalen Methoden das Regime.
Durch die Übernahme der gesamten Polizei und den Aufbau von Geheimer Staatspolizei (Gestapo), Sicherheitsdienst (SD) sowie der Konzentrationslager entwickelte sich die SS zur wichtigsten Stütze des nationalsozialistischen Regimes. In ihrem Selbstbild verstand sich die SS als „blutmäßig definierte“ Elite und verfolgte unerbittlich das Ziel die Reinhaltung der „nordischen Rasse“.
Im Zweiten Weltkrieg verübte die SS zahllose Kriegsverbrechen. Nach Kriegsende wurde sie am 10. Oktober 1945 von den Alliierten verboten und bei den Nürnberger Prozessen 1946 als verbrecherische Organisation angeklagt, die für die Unterdrückung und Ermordung von Millionen von Menschen verantwortlich war. Weitere Prozesse gegen SS-Mitglieder folgten.
Experimente mit anthroposophischen Methoden
Im KZ Dachau experimentierte die SS mit anthroposophischen Methoden und dies unter Einsatz von Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen. Laut Sudrow spielte auch die Naturkosmetikfirma Weleda dabei eine Rolle. Bei ihrer Studie hat die Historikerin zahlreiche Quellen zu den landwirtschaftlichen „SS-Versuchsgütern“ und dem Arbeitskommando herangezogen, das die dort beschäftigten Häftlinge wie kaum ein anderes im Stammlager Dachau als Synonym für Zwangsarbeit, Krankheit und Tod erfahren haben.
Ökologische Landwirtschaft unter SS-Gewal und Naturheilkunde in einem Konzentrationslager? KZ-Häftlinge, die als Wissenschaftler arbeiteten? Diesen Fragen geht Anne Sudrow auf den Grund. Der Band Heil Kräuter Kulturen. Die SS, die ökologische Landwirtschaft und die Naturheilkunde im KZ Dachau stellt erstmals die Geschichte der mittlerweile weltweit tätigen anthroposophischen Pharmazie- und Kosmetikunternehmen zwischen 1933 und 1945 dar.
Der erste Teil behandelt die Reaktion der Weleda auf die politische Bedrohung im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Resistenz sowie die Auseinandersetzungen mit Ministerien und Parteistellen. Aufgezeigt werden auch ihr Bemühen um kriegswichtige Aufträge sowie die Kontakte zum KZ Dachau.
Zwangsarbeit im „Kräutergarten“
Unweit von München war der sogenannte „Kräutergarten“ – die gärtnerisch-landwirtschaftlichen Versuchsgüter der SS im Konzentrationslager – Ort des Geschehens. Hier forschte das SS-Unternehmen „Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung“ an neuen Methoden der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, der alternativen Medizin sowie der Vollwert-Ernährung, zudem an Ersatzstoffen für Nahrungsmittel.
Sudrows Studie vollzieht nach, wie es zur Gründung des Unternehmens kam. Sie geht der Frage nach, wie es den Häftlingen erging, die im größten Arbeitskommando des KZ Dachau Zwangsarbeit für die Wissenschaft leisten mussten. Tausende wurden in diesem Produktions- und Forschungsbetrieb zur Arbeit unter menschenverachtenden Bedingungen gezwungen, Hunderte wurden von der SS ermordet.
Darüber hinaus lieferte Weleda eine Frostschutzcreme, die der berüchtigte KZ-Arzt und Massenmörder Sigmund Rascher mutmasslich für grausame Menschenversuche im Lager verwendete. Dabei starben zahlreiche Häftlinge an den Folgen experimenteller Kälte- und Unterkühlungsversuche.
Personelle Überschneidungen
Sudrows Studie belegt zudem personelle Überschneidungen. So wechselte der frühere Weleda-Gärtner Franz Lippert 1941 zur SS nach Dachau, wo er Zwangsarbeiter einsetzte, folglich bestand der Kontakt zu Weleda weiter. Das Unternehmen hatte bisher eingeräumt, Kräuter bestellt zu haben und die Creme geliefert zu haben, aber stets betont, dass keine Belege für den Einsatz der Creme bei Menschenversuchen vorlägen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen ehemalige KZ-Häftlinge den „Kräutergarten“. Anne Sudrow stellt weitere relevante Fragen, wie etwa: Gelang der Versuch einer „Wiedergutmachung“ des NS-Unrechts auf lokaler Ebene? Gegen welche Widerstände in der bayerischen Landespolitik der frühen Nachkriegszeit, in der Gesellschaft der ehemaligen Täter und im aufziehenden Kalten Krieg mussten die Betroffenen ankämpfen? Wer gewann letztendlich diese Auseinandersetzungen?
Und nicht zuletzt: Warum ist das Gelände des „Kräutergartens“ bis heute – anders als ursprünglich geplant – weder Wissenschaftsstandort noch Erinnerungsort für die menschenverachtenden Verbrechen des Nationalsozialismus geworden?
Die wissenschaftliche Studie „Heil Kräuter Kulturen – Die SS, die ökologische Landwirtschaft und die Naturheilkunde im KZ Dachau“ und „Saat der Gewalt – der Kräutergarten in Dachau seit 1945 “ von Anne Sudrow entstand im Auftrag der KZ-Gedenkstätte Dachau und wird vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht herausgegeben. Sudrows Enthüllungen werfen ein neues Licht auf die Rolle des Naturkosmetikunternehmens Weleda, dessen Produkte auch in Israel beliebt sind, im Nationalsozialismus. Sie stoßen eine erforderliche Debatte über die Verantwortung von Unternehmen während der NS-Zeit an.
Über Weleda
Die Weleda AG ist eine Schweizer Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Arlesheim bei Basel und ist weltweit führende Herstellerin von zertifizierter Naturkosmetik und Anthroposophischen Arzneimitteln. Das Unternehmen betreibt sechs eigene Gärten nach biologisch-dynamischer Anbauweise und setzt sich für Biodiversität und gesunde Böden ein. Weleda ist eine zertifizierte B Corp, in über 50 Ländern vertreten und beschäftigt rund 2.200 Mitarbeiter.
Statement des Unternehmens – ein Auszug
Als Weleda verurteilen wir die Gräueltaten des Nationalsozialismus aufs Schärfste. Faschismus, Antisemitismus, Rassismus oder rechtsextremes Gedankengut haben bei uns keinen Platz. Weleda ist ein Ort der Menschlichkeit. „Nie wieder“ ist Ausdruck unserer Haltung.
Uns ist es ein großes Anliegen unsere Historie transparent aufzuarbeiten. Entsprechend haben wir 2023 die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) mit einem Gutachten beauftragt, das 2024 veröffentlicht wurde. Die Leitung des Kräutergarten KZ Dachau war Teil davon. Darüber hinaus haben wir auch weiteren renommierten Historikern wie Prof. Dr. Peter Selg, Matthias Mochner und Susanne H. Gross über mehrere Jahre aktiv vollständigen Zugang zu unseren Archiven ermöglicht.
Ein aktueller Spiegel-Artikel, der sich auf ein neues, noch nicht veröffentlichtes Buch der Historikerin Anne Sudrow bezieht, behauptet, dass möglicherweise Details unserer Geschichte dennoch nicht beleuchtet sind. Dies werden wir selbstverständlich nach Erscheinen des Buchs analysieren.
Wir wollen eine lückenlose Aufarbeitung unserer Geschichte. Weleda ist ein weltoffenes Unternehmen. Wir sind heute in 50 Ländern der Welt aktiv und stehen für Toleranz, Vielfalt und Menschlichkeit.
5 Antworten
Das ist ja entsetzlich!!! Ich habe bis dato auch von dieser Firma einiges an Produkten. Schmeiß ich weg und kaufe das nicht mehr. Gibt ja noch andere Firmen mit Naturkosmetik. Z. B. ,,Kleine Abtei“. Mann,das ist mir aber unangenehm. Aber gut das es ans Licht kam!!!!
Ist schon länger bekannt!
@X
Ich wusste das nicht. Sonst hätte ich es nicht gekauft.
Nicht nur 3. Reich, das hat die Firma mit vielen anderen gemeinsam. Ihre Grundlage basiert auf dem Anthroposophen Rudolf Steiner und hat einen esoterischen „Geschmack“.
Warum willst Du das jetzt wegwerfen? Ich selbst würde die Sachen nicht nehmen, weil sie anthroposophisch sind, aber wenn Du damit bisher Frieden hattest, sie zu verwenden, warum nicht weiterverwenden?
Wenn Du sie wegen der Vergangenheit von Weleda wegwerfen willst, dann bedenke, Hitler hat viele Autobahnen bauen lassen. Die solltest Du dann auch nicht mehr benutzen. Und einen Volkswagen und evtl. einige andere Deutsche Automarken auch nicht. Die Liste lässt sich sicher fortsetzen.
Soweit ich es beurteilen kann, hat Weleda ein echtes (finanzielles?) Interesse daran, dass Licht in die Vergangenheit kommt und dass diese bereinigt wird.
Im Prediger heißt es in Vers 7,16: Sei nicht allzu gerecht und gebärde dich nicht übermäßig weise! Wozu willst du dich zugrunde richten?
Am besten durch den Heiligen Geist leiten lassen, was ich tun und lassen soll.