Kritik an Ausladung der Münchner Philharmoniker

Die Münchner Philharmoniker werden vom Musikfestival im belgischen Gent ausgeladen – wegen ihres israelischen Dirigenten. Scharfe Kritik kommt aus der deutschen Politik und von der Schriftstellervereinigung PEN Berlin.
Von epd

MÜNCHEN / GENT (epd) – Die Ausladung der Münchner Philharmoniker vom „Flanders Festival“ im belgischen Gent wegen ihres israelischen Dirigenten Lahav Shani ist in Deutschland auf scharfe Kritik gestoßen. Der bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU) sprach von „schrecklichen antisemitischen Misstönen“, die das Festival in die Welt sende.

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) nannte die Ausladung eine „Schande für Europa“. Unter dem „Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik“ werde „Kultur-Boykott“ betrieben: „Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur.“

Die Landeshauptstadt München und die Münchner Philharmoniker hatten am Mittwochabend mitgeteilt, dass das Orchester von einem für den 18. September geplanten Konzert ausgeladen wurde. Dies sei „auf Druck von Aktivistengruppen und der belgischen Politik“ geschehen. Begründet worden sei es damit, dass der in Tel Aviv geborene Dirigent Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.

Folgen Sie uns auf Facebook und X!
Melden Sie sich für den Newsletter an!

Der 36-Jährige leitet das Orchester seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta. Im September 2026 soll er als Chefdirigent zu den Münchner Philharmonikern wechseln.

„Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit von der Bühne zu verbannen, ist ein Angriff auf wesentliche europäische und demokratische Werte“, hieß es in der Mitteilung von Stadt und Philharmonikern. Man lehne es ab, israelische Kunstschaffende „unter Generalverdacht zu stellen und kollektiv zu bestrafen“.

Festival erwartet politische Positionierung

Das „Flanders Festival Ghent“ begründet die Absage nicht mit Shanis Herkunft, sondern erwartet von ihm eine politische Positionierung. In einer Stellungnahme auf der Website schreiben die Verantwortlichen, Shani habe sich früher zwar mehrfach für Frieden und Versöhnung ausgesprochen. Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent jedoch sei man nicht in der Lage, für „ausreichend Klarheit“ über seine Haltung gegenüber dem „genozidalen Regime in Tel Aviv“ zu sorgen.

Die kultur- und medienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Ottilie Klein, erklärte am Donnerstag: „Wir erwarten, dass die Ausladung zurückgenommen wird.“

Botschaft beendet Zusammenarbeit

Der deutsche Botschafter in Brüssel, Martin Kotthaus, kritisierte die Absage als „nicht nachvollziehbar“. Auf X schrieb der Diplomat: „Ich begrüße, dass sich der belgische Außenminister Prévot und der Ministerpräsident Flanderns, Diependaele, von der Entscheidung des Festivals distanziert haben.“ Die Botschaft beendete die Zusammenarbeit mit dem Festival, wie ein Sprecher gegenüber der „Jüdischen Allgemeinen“ bestätigte.

Der belgische Premierminister Bart De Wever (Nieuw-Vlaamse Alliantie) kritisierte unterdessen die Ausladung des Orchesters durch das „Flanders Festival“ scharf. „Jemanden allein aufgrund seiner Herkunft mit einem Berufsverbot zu belegen, ist rücksichtslos und unverantwortlich“, erklärte er am Freitag auf der Plattform X. Ebenso beunruhigend sei „die beispiellose Forderung an Künstler, ihre politischen Ansichten schriftlich darzulegen. Dies widerspricht dem Wesen der künstlerischen Freiheit.“ Die Entscheidung habe dem Ruf des Landes schweren Schaden zugefügt.

Der deutsche Außenminister Johannes Wadephul (CDU) dankte dem belgischen Premier für dessen deutliche Distanzierung. Die Ausladung der Münchner Philharmoniker mit Dirigent Lahav Shani sei „inakzeptabel“, schrieb Wadephul am Freitag auf X. Für Kritik an der israelischen Regierung dürften niemals hier lebende Juden instrumentalisiert werden.

Dobrindt: Verstörender Vorfall

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Ausladung zum Thema mit seinem belgischen Amtskollegen Bernard Qintin machen. In einem Interview der „Welt“ nannte er den Vorfall am Freitag „sehr, sehr, sehr verstörend“.

Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz der Bundesländer, Barbara Klepsch (CDU), äußerte ebenfalls scharfe Kritik an der belgischen Absage. Das Vorgehen des Flanders Festival sei „ein Tabubruch“, erklärte die sächsische Kulturministerin am Freitag in Dresden. Einen Künstler nicht nach seiner Kunst, sondern nach seiner Staatsangehörigkeit und einer geforderten Gesinnungsprüfung zu beurteilen, sei inakzeptabel.

Die Schriftstellervereinigung PEN Berlin kritisierte vor allem die Begründung der Festival-Verantwortlichen. Ob es sich bei dem Vorgang um „blanken Antisemitismus“ handle, sei dahingestellt. Es sei jedoch „zweifellos skandalös“, dass die Verantwortlichen meinten, Shani „müsse erst einmal beantworten, wie er es mit der Politik“ des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu (Likud) halte, bevor er bei ihnen dirigieren dürfe. Meinungsfreiheit beinhalte auch das Recht, sich nicht äußern zu müssen. Bekenntniszwang sei ein Merkmal „autoritärer und totalitärer Regime“, erklärte der Schriftstellerverband.

Kurzfristige Einladung zu den Berliner Festspielen

Nach der Ausladung von dem Musikfestival in Belgien haben die Berliner Festspiele die Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani kurzfristig zu einem Konzert eingeladen. Das Orchester werde beim Musikfest Berlin am Montagabend im Konzerthaus auftreten, teilten die Berliner Festspiele am Freitag mit.

In Berlin stehen am Montag Stücke von Ludwig van Beethoven und Richard Wagner auf dem Programm. Die Einladung zu dem Gastspiel ist eine gemeinsame Initiative der Berliner Festspiele und der Stiftung Berliner Philharmoniker in Zusammenarbeit mit dem Konzerthaus Berlin.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

12 Antworten

  1. Die Welt ohne Gott folgt den wirklichen Herrschern dieser Welt. Menschlich kann und wird der Antisemitismus nicht besiegt werden können. Es ist zum „Heulen“, weil gerade Menschen die Gottes Wort kennen, sich nicht trauen, sich an den zu wenden, der alleine im Stande ist, diese Mächte im Schach zu halten. Die Christen haben während des Holocaust versagt und es sieht so aus, als würden sie auch jetzt wieder versagen, weil sie nur menschlich versuchen Lösungen zu finden. Ein Drama
    Lieber Gruß Martin

    11
    1. Ihre letzten Sätze, Untertan,sind ein bemerkenswertes Eingeständnis für einen christlichen Eiferer, mit dem ich des öfteren im
      Clinch liege,……. wenn auch für nur wenige ihrer Aussagen dafür meinen Respekt……SHALOM

      3
  2. Das Herumgeeiere der belgischen Organisatoren ändert nichts an der Tatsache, dass es sich um eine glasklare Diskriminierung auf Grund von Herkunft und Religionszugehörigkeit handelt, in diesem Fall also um Antisemitismus, der sich noch dazu auf ein ganzes Orchester ausdehnt. Die Veranstalter halten wohl nichts von Musik-völkerverbindend und so ?

    21
  3. Selbst wenn die Einladung zurückgenommen würde, es bleibt ein bitterer Geschmack. Vielleicht würde Shani oder das gesamte Orchester ausgebuht. Furchtbar, dass man als Künstler heute politisch sein muss. Das hat mit Liebe zu Mensch und Musik und mit Fairness nichts mehr zu tun. Bemerkenswert ist aber doch, dass der belgische Aussenminister und der Ministerpräsident Flanderns sich von der Meinung des Veranstalters distanziert haben.

    16
    1. Ich würde mal davon ausgehen, dass das Münchner Orchester so viel Rückgrat hätte und ablehnen würde.

      Heute früh kam, dass die Veranstalter auf Druck des Stadtrates und der Kultursenatorin gehandelt habe. Also die Politik Belgiens. Erinnern wir uns, dass Belgien unbedingt Israel aus dem ESC raushaben wollte.

      11
  4. Die Absage gegenüber der Münchner Philharmoniker vom „Flanders Festival“ im belgischen Gent wegen ihres israelischen Dirigenten Lahav höchstwahrscheinlich aus Sicherheitsgründen ist eine Riesenschweinerei und sonst nichts. Die belohnt nur aggressive, selbstherrliche Demonstranten, die Aufmerksamkeit erregen wollen.

    7
  5. Ottilie Klein: „Wir erwarten, dass die Ausladung zurückgenommen wird.“ Wir nicht. Warum soll Lahav Shani zu diesem Festival des Judenhasses fahren?

    9
    1. @ AlbertNola
      Aber die Ausladung könnten sie trotzdem zurück nehmen. Sozusagen als Zeichen der Reue. Wird aber kaum eintreten angesichts des dort grassierenden Judenhasses.

      4
  6. Mir fehlen die Worte, besonders wenn so etwas in einer westlichen Gesellschaft passiert. Flanders Festival muss wegen Antisemitismus und Rassismus boykottiert werden.

    9
    1. @Gideon Lahav
      Einverstanden. Da ich persönlich nicht die Möglichkeit habe, das Flanders Festival in irgendeiner Weise zu boykottieren, habe ich ihnen geschrieben, was ich von ihrem Antisemitismus halte, sie sollen sich schämen, es sei eine Schande für Belgien.
      Nimmt mich wunder, ob sie reagieren…

      3
  7. Dass die Münchner Philharmoniker nicht am „Flanders Festival“ teilnehmen darf ist eine Riesensauerei und nicht mehr. Das Teilnahmeverbot belohnt gewalttätige Demonstranten.

    9
  8. Korrigierte Version:
    Die Israelfeindlichkeit einiger „demokratischer“ Staaten der EU ist beschämend!
    Dem setze ich meinen kleinen, privaten Kampf entgegen: die geplanten Reisen nach Antwerpen und Poperinge in Belgien und nach Granada in Spanien wurden storniert.
    Auch bei meinen Einkäufen schaue ich neuestens genau hin, wo die Waren hergestellt wurden…..
    Erfreulich finde ich breite Solidarität seitens der deutschen Politik und durch die Kulturschaffende. Endlich brauche ich mich nicht für mein geliebtes Deutschland zu schämen….

    5

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen