Meinung

Keine fröhlichen Feiertage

Passen die arabische und die jüdische Kultur zusammen? Welche Probleme tun sich auf, wenn Juden und Araber Liebesbeziehungen eingehen? Der Spielfilm „Happy Holidays“ des palästinensischen Regisseurs Scandar Copti zeichnet ein pessimistisches Bild.
Von Jörn Schumacher

Sofort verstehen kann man die Handlung des Spielfilms „Happy Holidays“, der am 4. September in die Kinos kommt, nicht. In mehreren Episoden, die erst auf den zweiten Blick miteinander verwoben sind, löst sich die Verwirrung, und eine vollständige Geschichte wird offenbar. Alle Figuren sind mehr oder weniger miteinander verbunden. Was sie eint: die Frage, was passiert, wenn Juden und Araber in Israel Beziehungen miteinander eingehen.

„Töchter Israels! Macht nicht mit Arabern rum!“ Es sind die Rufe einer radikal-orthodoxen Gruppe junger Juden, die in der Nacht auf den Straßen der Innenstadt von Jerusalem hallen. Im Film sind sie eigentlich nur am Rande zu sehen. Doch für die junge Araberin Fifi stellen ihre vorehelichen sexuellen Beziehungen (auch zu Juden) gerade eines ihrer größten Probleme dar.

„Ein Araber für eine Araberin, ein Jude für eine Jüdin!“, rufen die jungen Orthodoxen, sowie: „Kahane Chai!“ – den Ruf, der sie als radikale zionistische Nationalisten zu erkennen gibt. Fifi, die junge Araberin, feiert zum jüdischen Purim mit jungen Juden.

Eigentlich hat Walid, ein Freund der Familie, ein Auge auf Fifi geworfen. Und auch Fifi mag Walid. Und weil er Arzt ist und aus einer wohlhabenden Familie stammt, fände auch Fifis Familie eine Ehe zwischen den beiden perfekt. Doch Walid erfährt von den vorehelichen Beziehungen zu Jungen, und das bedeutet für ihn das Ende jeder Aussicht auf eine Ehe.

Wenn Schwangerschaft bedrohlich für die Mutter wird

In einer ähnlichen Zwickmühle sitzt Shirley, eine junge Jüdin, die mit dem Araber Rami zusammen ist. (Rami ist der Bruder von Fifi – es gibt noch mehrere dieser verwandtschaftlichen Verknüpfungen, die sich dem Zuschauer erst im Laufe des Films erschließen.) Shirley, von Beruf Flugbegleiterin, wird schwanger und will das Kind austragen, doch Rami ist entsetzt und drängt sie, es abzutreiben.

Shirley erhält Drohanrufe und vermutet Rami dahinter oder dessen Familie. Weil er Shirley nicht in Ruhe lässt, bekommt er wiederum Warnungen und wird einmal sogar verprügelt. Die Polizei könnte sich sehr für ihn interessieren „ein Araber, der eine jüdische Flugbegleiterin belästigt, ist ein Sicherheitsrisiko“, droht ihm eine unbekannte Stimme am Telefon.

Weil der Vater des Geschwisterpaars Fifi und Rami zudem finanziell in Schwierigkeiten steckt, haben diese vorehelichen Eskapaden auch eine Brisanz für die ganze Familie.

Ein Israeli, der lieber Palästinenser sein möchte

Man könnte fast verleitet sein zu meinen, dass es in „Happy Holidays“ lediglich um typische zwischenmenschliche Probleme geht, wie sie überall auf der Welt vorkommen; ganz unpolitisch und ohne kulturellen Bezug. Doch wie könnte ein Film über Araber in Israel, der von einem palästinensischen Filmemacher gedreht wurde, unpolitisch und kulturell neutral sein?

Scandar Copti ist für Filme bekannt, die sich mit sozialen Problemen der palästinensischen Gesellschaft in Israel befassen. Zudem wurde Copti zwar in Jaffa geboren, das zu Tel Aviv gehört, er selbst besteht jedoch darauf, palästinensischer Regisseur zu sein.

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Coptis Debütfilm „Ajami” (2009) ist benannt nach dem gleichnamigen Stadtteil von Jaffa. Der Regisseur selbst tritt im Film in einer Nebenrolle auf, er wuchs in diesem Stadtviertel auf, in dem Juden, Christen und Muslime nebeneinander wohnen. Als „Ajami” bei der 82. Oscarverleihung als bester fremdsprachiger Film nominiert war, war er das als Film aus Israel. Doch Copti sagte damals in Interviews: „Ich vertrete nicht den Staat Israel, ich kann kein Land vertreten, das mich nicht vertritt.“

Im Interview der Zeitung „Ha’aretz” machte er sich außerdem über die Oscar-Verleihung insgesamt lustig. Zu Coptis Aussage, er vertrete bei den Oscars nicht den Staat Israel, sagte die damalige israelische Ministerin für Kultur und Sport Limor Livnat: „Dank des Geldes des Staates Israel, dem Scandar Copti jetzt aus dem Weg gehen will, wurde der Film ‚Ajami‘ produziert und für einen Oscar nominiert.“ Ohne die Unterstützung des Staates wäre er nicht über den roten Teppich der Oscar-Verleihung gelaufen.

Copti studierte zunächst Maschinenbau am Technion-Institut in Haifa und anschließend Schauspiel und Regie am dortigen Theater. Mittlerweile lebt Copti mit seiner Familie in Abu Dhabi. So kompliziert wie Coptis Beziehung zum Staat Israel zu sein scheint, so wenig trivial sind die Beziehungen zwischen Arabern und Juden in seinem neuesten Film. Die sehr talentierten Schauspieler und das raffiniert in mehrere Episoden aufgetrennte Drehbuch lassen die etwa zwei Stunden Filmzeit gut ertragen.

Besser weit weg von Jerusalem

Am Ende kommen Zweifel auf, ob es wirklich eine gute Idee ist, die Regel „Ein Araber für eine Araberin, ein Jude für eine Jüdin“ zu brechen. War es eine gute Idee, Fifi zum Studium nach Jerusalem zu schicken? Hat Ramis Beziehung zu Shirley nicht nur Probleme eingebracht?

„Ich hatte so viele Pläne für dich“, sagt ihre Mutter enttäuscht. „Die Hübscheste von allen. Du warst wie ein Juwel für mich und deinen Vater.“ Alle hätten sie gewarnt, die Tochter nach Jerusalem ziehen zu lassen. Sogar das jüdische Purimfest hat sie gefeiert – „und was sonst noch alles“.

Dass dieser Film ausgerechnet „Happy Holidays“ heißt, wo doch am Ende alle traurig sind, erklärt sich eigentlich erst ganz zum Schluss. Fast im Vorbeigehen kommen die jüdischen Festtage Purim und Pessach vor. Dann die letzte Szene, mit der die durchaus Copti provoziert: Die Alarm-Sirenen erschallen, doch es ist diesmal kein Raketenalarm, sondern das Zeichen für den nationalen Gedenktag „Jom HaSchoa“.

Wenn die Sirenen ertönen, bleiben traditionell alle Menschen auf den Straßen stehen. Doch Fifi bleibt bewusst nicht stehen, sondern schreitet selbstbewusst durch die innehaltenden Menschen. Die Araber in diesem Film können mit den jüdischen Gedenktagen rein gar nichts anfangen. Sie sind eher Störer in ihrem Leben, das vielleicht besser weit weg von Purim, Pessach und Jom HaSchoa stattfinden würde, weit weg von Jerusalem.

„Happy Holidays“, Regie: Scandar Copti, 123 Minuten, ab 4. September im Kino, in Originalton (Arabisch und Hebräisch) mit deutschen Untertiteln

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11 Antworten

  1. Passen die arabische und die jüdische Kultur zusammen? Nicht ganz.
    Tun sich Probleme auf, wenn Juden und Araber Liebesbeziehungen eingehen? Ja, eine ganze Menge.

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  2. Vielen Dank für die Vorstellung dieses Films. Ob diese Mischbeziehungen funktionieren, müssen die Liebenden herausfinden. Ich stelle es mir schwierig vor, die Feiertage, das Beten, den Brauchtum und die Überzeugungen des Andersglaubenden mitzufeiern und mitzutragen. Da gehört viel Toleranz dazu. Vielleicht, wenn die Liebe stark genug ist…
    und sich die Eltern nur mit ihrer Meinung, nicht aber mit Ratschlägen zu sehr einmischen: „Ich hatte so viele Pläne für dich…“ Ich bin dankbar für meine Ehe, in der ich so sein darf wie ich bin, in der wir gemeinsam zu unserem Vater im Himmel beten können und die gleichen Werte vertreten.

    6
    1. Es kann funktionieren, liebe Ella, mit dem besten Ehemann von allen funktioniert das seit über 40 Jahren (wir waren sehr jung als wir uns kennengelernt haben) . Wir feiern Rosch Haschana, Yom Kippur, Pessah, Hannukka, aber auch Weihnachten, Ostern usw. Zur Liebe muss auch Respekt und Toleranz gehören. Für uns war das nie ein Problem.

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      1. @Antonia
        Liebe Antonia, das ist echt witzig, während ich meinen Kommentar schrieb, dachte ich an dich und den besten Ehemann von allen. 😉 So schön! Das Thema gab es hier ja schon mal. Ja, was bleibt, stiften die Liebenden. Nur mit Respekt und Toleranz funktioniert auch die Liebe. Alles Gute für euch beide weiterhin. 💝🙋‍♀️

        2
      2. @Antonia
        40 Jahre! Wahnsinn. Da habt ihr zwei euch gesucht und gefunden. Da liegt auch mit Sicherheit der Segen des Herrn auf euch.❤️‍🔥❣️💘
        Ich wünsche euch weitere 40 Jahre!!!
        Liebe Grüße Manu

        1
    2. Liebe Ella, Sie beschreiben die Probleme sehr treffend, schreiben auch von Ihren eigenen wertvollen Eheerfahrungen, die ich auch genießen darf. Dennoch halten Sie es für möglich, „wenn die Liebe 💘 stark genug ist“, dass es funktionieren kann. Ist Gottes Wort hier nicht auch sehr eindeutig? GOTTES WORT ist eben nicht tolerant, und der Film (Welt) will versuchen, uns auf dieses Abenteuer einzulassen. Auch hier braucht es heilige Entschlossenheit die Menschen davor zu warnen! Herzliche Grüße zu Ihnen, Martin

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      1. @Untertan
        Ja Martin, dennoch halte ich es für möglich, dass es funktionieren kann. Jesus hat uns vorgelebt, wie wir miteinander umgehen sollen, in Römer 14 lesen wir dazu von Paulus. Ihre heilige Entschlossenheit, andere zu warnen, Strafe anzudrohen und ihnen ihre Sünde vorzuhalten ob ihres Glaubens oder ihres Tuns, sei Ihnen belassen, ist aber nicht meine Entschlossenheit und hat mit heilig nichts zu tun. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber meines Erachtens kommt das eher pharisäerhaft rüber. Zu diesen hatte Jesus eine ganz eigene Meinung. Ich finde, Toleranz gehört sowohl zum Christsein als auch zum gesellschaftlichen Leben. Mein Gott ist übrigens viel toleranter als Menschen es je sein könnten. Lg Ella

        0
  3. Liebe Ella, meine „Filmkritik“ hat es leider nicht in die Kommentarspalte geschafft, wurde zensiert!

    Ich glaube unser Humanismus und unsere „Kompromissbereitschaft“ machen Gottes Wort mehr und mehr gewöhnlich. Kann ich in einer Ehe mit einem (christlich-jüdischen Teil), die Aussage aufrechterhalten und leben, dass Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist? – Oder muss ich hier Kompromisse machen?

    In dem Film „Happy Holidays“ geht es viel um voreheliche sexuelle Beziehungen, um voreheliche Eskapaden, Schwangerschaft und Abtreibung, was die Bibel mit Unzucht und Hurerei bezeichnet – Sünde!?
    Oder vielleicht doch nicht?

    Liebe Ella, ja wir sollen Schwache im Glauben unterstützen, aber nicht Sünde – zur „Nicht-Sünde“ erklären.

    Gott ist niemals gegenüber seinem Wort tolerant.

    Lieber Gruß Martin

    0
    1. @Untertan
      Toleranz bedeutet für mich, den Anderen anzunehmen, nicht aber seine Sünden zur Nichtsünde zu machen. Da haben Sie mich missverstanden.
      Und ich stelle meine Aussage richtig über meinen Gott und bezeichne ihn als großzügig in der Vergebung und überaus gnädig. Und wenn wir Gottes Gnade auch nur ansatzweise verstehen, werden wir versuchen aufzuhören, das Verhalten unserer Mitmenschen zu beurteilen und ihnen ganz einfach in der Liebe Gottes begegnen. Das hat nichts damit zu tun, deren „Sünde“ zu einer „Nichtsünde“ zu machen, sondern den Anderen anzunehmen, ihn in seiner Andersartigkeit zu respektieren. Wo Sie Recht haben ist, dass Gott seinem Wort treu und gerecht bleibt, da bin ich ganz bei Ihnen.😉
      Lg Ella

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      1. @Ella, ist „Happy Holiday“ jetzt ein Film in dem Unzucht praktiziert wird und würden Sie das auch so formulieren? Oder kann „Liebe“ keine Sünde sein? Hat die orthodoxe Gruppe Recht, mit der Aussage: „Töchter Israels! Macht nicht mit Arabern rum!“?
        Wir werden unseren Austausch leider nicht vertiefen können, so wünsche ich Ihnen einen guten Tag, ganz nah an unserem Hirten Jesus Christus! Lieber Gruß Martin

        0
        1. Ich habe den Film nicht gesehen und werde ihn auch nicht anschaue, kann ihn von daher nicht beurteilen. Ich reg mich darüber aber auch nicht auf, denn dann müssten wir jeden Tag unser gesamtes Fernsehprogramm verteufeln. Ich schaue viel Bibel TV. Bei den anderen Programmen muss jeder selbst für sich entscheiden.
          Gruß Ella

          0

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