Wenn sich heute der Antisemitismus wieder erhebt – lauter, unverschämter, offener –, dann zittern wir nicht nur aus moralischer Betroffenheit. Wir zittern, weil wir wissen, was es heißt, gehasst zu werden, nur weil man ist, wer man ist. Weil wir selbst ein Volk sind, das Jahrtausende überlebt hat – aber nicht ohne Wunden.
Wir, das assyrische Volk, haben in unserer Geschichte Verfolgung, Vertreibung, Genozid und Schweigen erlebt. Wie das jüdische Volk wurden auch wir zum Ziel, weil wir glaubten, weil wir blieben, weil wir uns erinnerten. 1915, 1933, 2014 – unsere Jahreszahlen sind nicht dieselben, doch das Muster ist bekannt. Es beginnt mit Worten, mit Ausgrenzung, mit Lügen – und endet oft mit brennenden Kirchen, leeren Häusern und Massengräbern.
Und wir erkennen etwas, das kaum ausgesprochen wird: Die Feinde, die heute Juden jagen, sind dieselben, die auch uns Assyrer jagen.
Hass unterscheidet nicht zwischen Synagoge und Kirche
Die Ideologien des Hasses unterscheiden nicht zwischen Davidstern und Kreuz, nicht zwischen Synagoge und Kirche. Wer Antisemit ist, ist meist auch antichristlich, antidemokratisch und antihuman. Wir teilen nicht nur das Leid – wir teilen auch die Feinde.
Deshalb sehen wir mit Schmerz, wie heute in vielen Teilen der Welt wieder jüdische Menschen zur Zielscheibe werden. Wie sich uralte Feindbilder neu einkleiden. Wie jüdische Familien Angst haben, Kippa oder Davidstern zu tragen. Wie israelische Einrichtungen unter Polizeischutz stehen müssen – im Jahr 2025, in Europa.
Ich selbst fühle in diesen Tagen eine tiefe Verbundenheit mit der jüdischen Gemeinschaft – nicht aus politischem Kalkül, sondern aus einem geteilten Schmerz heraus, den Worte kaum fassen können.
Was man erlebt hat, erkennt man wieder. Und was man erkennt, darf man nicht schweigend hinnehmen.
Solidarität ist kein Luxus
Ich weiß, dass Solidarität kein Luxus ist, sondern eine Notwendigkeit. Unsere Geschichten sind verschieden, aber unser Schmerz ist verwandt. Und unsere Hoffnung ebenfalls.
Ich glaube an eine Welt, in der Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern. In der niemand verfolgt wird wegen seines Glaubens, seiner Herkunft oder Identität. Und in der Gedenken nicht nur rückwärts schaut, sondern Verantwortung nach vorn trägt.
Wir stehen zusammen – nicht aus Mitleid, sondern aus geteiltem Wissen: Wer heute gegen Juden hetzt, wird morgen auch andere Minderheiten angreifen. Und wer heute schweigt, wenn die Synagoge brennt, wird morgen weinen, wenn es das eigene Haus ist.
Lasst uns also nicht schweigen. Lasst uns gemeinsam laut sein – für das Leben, für die Wahrheit, für das Miteinander.
Charli Kanoun ist Vorsitzender des Assyrischen Kulturvereins e. V. Saarlouis
14 Antworten
Solidarisch mit Juden: Charli Kanoun, guter Mann.
Lieber Herr Kanoun, bitte, bitte erlauben Sie mir, dass ich bei Ihren Worten wirklich Tränen in den Augen hatte. Ich bin kein Jude und ich wusste auch nichts über Sie, Ihr Volk, Ihre Gemeinschaft. Aber das, was Sie geschrieben haben, rührt mich so tief an – ich kann Ihnen leider nur etwas plump und unbeholfen einfach danken für diesen Brief!
Man sollte ihn ins Englische, Französische, Spanische, Italienische für uns im Westen übersetzen und in zahlreichen Online-Medien veröffentlichen als eindringliche Mahnung!
Ihnen und Ihrem Volk Gottes Segen.
Leider kann ich gerade nicht an eine Welt glauben, in der niemand um seines Glaubens willen verfolgt wird.
Trotzdem: Lasst uns gemeinsam laut sein – für die Wahrheit!
Man fühlt sich weniger einsam nach der Lektüre dieses Kommentars. Auch mir kamen die Tränen . Ich teile den Traum von einer Welt ohne Verfolgung, ohne Diskriminierung, ohne Hass. Amen, Inch’allah, ainsi soit-il.
„Überlebt hat – aber nicht ohne Wunden“
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Es beginnt mit Worten, mit Ausgrenzung, mit Lügen
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Die Feinde, die heute Juden jagen, sind dieselben, die auch uns Assyrer jagen.
Was mein Alter, meine Meinung und natürlich auch meine Erlebnisse in Islamische Republik Iran betrifft, es ist das Ergebnis von Weg-schau-Moral im Westen und Neid, Gleichgültigkeit und Schadenfreude in der Moslemwelt. Das hat alles noch schlimmer gemacht als die Westen der Khomeini mit einer rissigen Maschine in Teheraner Flughafen abgesetzt haben und natürlich die Moscheen (die nur giftige Meinungen überlieferten und immer noch liefern) mit und für seinen Mitläufer, die auch bis Europa geschaffen haben, das alles, ist die Wahrheit der Mann immer noch nicht 100 % begreifen hat.
Die Frage lautet: Warum hat die Weltgemeinschaft rechtzeitig auf die Meinung von Khomeini und seinen Mitläufern nicht reagiert? Und es ist seit 46 Jahren Bedrohung rund um Israel.
@Saeid
Weil die Weltgemeinschaft keine ist.
Ja, das mag sein, jedoch wenn wir das auch akzeptieren, werden die bösen Kumpelgemeinschaften!
Akzeptieren wäre natürlich noch übler. Aber es ist auch eh schon schlimm genug,
daß wir als Weltgemeinschaft diese bösen Allianzen ignorieren oder zumindest dulden. Dabei sollten wir hier im Westen doch wirklich gewarnt sein durch eine noch allzunahe Vergangenheit.
SHALOM SHABBAT
Sehr berührend und endlich….! Ich habe diesen Artikel gepostet – mehrfach. Er ist nicht von Juden, daher wird er sicherlich von Kontakten in Berlin eher gelesen werden und es ist so sehr wichtig, dass er gelesen wird!
Ich kann es nicht besser ausdrücken, aber dieser Text ist sehr wertvoll, friedliebend und gehört zur Wahrheit, wenn man sie kennen will….
Gruß Anni
1997 war ich das erste Mal in Israel. Seitdem fühle ich mich besonders mit Israel verbunden.
Es tut mir furchtbar leid, für die Menschen, die verfolgt werden, weil sie Christen sind.
Danke für den wertvollen Bericht. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen, viel Kraft vom Ewigen
Gott möge ihren Glauben immer wieder stärken. Gott liebt sie als Christen.
Wir sollten nicht schweigen, wenn Christen verfolgt werden. Es gibt für alles einen Gedenktag hier in Deutschland. Nur nicht einen Gedenktag für verfolgte Christen in aller Welt.
Die Sendung, Gesichter der Verfolgung, zeigt immer wieder wie Christen in aller Welt verfolgt werden.
Die Vereinten Nationen haben in 2019 den 22. August zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer von religiös motivierter Gewalt erklärt.
10. November ist weltweiter Gebetstag für verfolgte Christen
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Ja, Open Doors (u.a. Gesichter der Verfolgung) warnt schon seit ein paar Jahren, dass auch und besonders Christen „auf der Liste stehen“. Aber: leider sind wir im Westen sehr säkular geworden. Verfolgung ist uns egal; es trifft ja (zunächst!) nur die verhassten christliche Fundamentalisten bzw. besondere Volksgruppen wie Assyrer, Armenier, Jesiden etc. Die Säkularen werden erst wach, wenn – wie Herr Kanoun treffend geschrieben hat – das eigene Haus brennt. Übrigens sind säkulare Antisemiten auch nicht sicher.
Noch einen Nachtrag weshalb den Text gepostet, da ich folgendes unerträglich finde: in Berlin gibt es eine Menge jüdischer Menschen, die „sich verstecken“, die leise sind, aus Angst und Sorge um sich selbst oder ihre Angehörigen (habe u.a. mit einem Rabbi gesprochen).
Es herrschen Ignoranz, Unwissen und purer Hass…..
Um so wichtiger, dass – wie in dem Beitrag, eben auch andere für unsere hier lebenden jüdischen Mitmenschen aufstehen, die Stimme erheben, sich solidarisieren.
Für Frieden und Toleranz
@Anni
Es ist sehr gut,das Sie den Text gepostet haben. Ich hoffe nur,es lesen ihn auch die,die es lesen sollten. Ja,in Berlin wird es immer schlimmer. Auch für uns Christen. Hat nur noch nicht jeder auf dem Schirm. Und von Berlin verbreitet sich auch alles. Weil ,wenn es aus Berlin kommt,muss es ja „Hip“ sein.
Liebe Grüße Manu 🙋🏻♀️
Danke❤️
für das Teilen dieser so wahren Worte !!!
Morgen wir gemeinsam ,jeder an seinem Ort mutig und kuehn in Seiner Gnade und in Seiner Liebe die Wahrheit Leben und Sprechen .Unsere Stimmen erheben für Ihn und Sein Volk und nicht schweigen und nicht wegschauen
.Sondern in Taten der Liebe aktiv werden und Licht und Salz und ein Segen sein zu SEINER Ehre 🙏🙌💥🔥❤️🏆🎯