Derzeit besuchen 36 Krankenschwestern und Verwaltungsangestellte des Jerusalemer "Bikur Holim"-Krankenhauses einen Jiddischkurs. Er umfasst 40 akademische Stunden und erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Wochen. Die Schulung zur kulturellen Kompetenz ist auf mehr Teilnehmer angelegt. Darin geht es um Themen, die mit den kulturellen Unterschieden zwischen den Patienten unterschiedlicher Herkunft zusammenhängen.
Auf der Wöchnerinnenstation der Klinik sind 80 Prozent der Patientinnen strenggläubige Jüdinnen. Sie verwenden Hebräisch vorwiegend für Gebete, ihre Alltagssprache ist Jiddisch. Deshalb tun sie sich mitunter schwer, mit den Ärzten auf Hebräisch zu kommunizieren, berichtet die Tageszeitung "Ha´aretz".
Kommunikation erleichtern
Zuvor wurden bereits Dolmetscherkurse für Arabisch, Russisch und die in Äthiopien gebräuchliche Sprache Amharisch angeboten. "Das israelische Gesundheitssystem ist gut, aber das Thema kulturelle Kompetenz ist an uns vorbeigegangen, als hätte es nie existiert, vielleicht weil es zu politisch oder zu links klingt", sagt Hagai Agmon-Snir. Er ist Generaldirektor des interkulturellen Zentrums in Jerusalem und hat das Programm initiiert. "Theoretisch besteht kein Bedarf an Jiddisch-Dolmetschern, aber manche Mitglieder der strenggläubigen Gemeinschaft können ihre Krankheit besser auf Jiddisch beschreiben, und wir sollten ihnen die Kommunikation erleichtern."
Dabei wollen es die Verantwortlichen vermeiden, dass klischeehafte Vorstellungen über bestimmte Minderheiten verbreitet werden. "Stattdessen sorgen wir für die Mittel, um mit einem Patienten aus einer anderen Kultur umzugehen – dazu gehören Grundsätze des Zuhörens und das Verständnis für die kulturellen Nuancen", erklärt Michal Schuster, die an der Bar-Ilan-Universität Übersetzen studiert hat und an dem Projekt mitwirkt.
"In der äthiopischen Kultur soll der Arzt zu Beginn der Behandlung aufstehen und dem Patienten die Hand schütteln", sagt Idit Dajan, Koordinatorin der Wohlfahrt bei der Jerusalemstiftung. "Es gibt russische Ärzte, die uns gegenüber zugegeben haben, dass sie den Brauch nicht verstehen. Aber er stellt einen Ehrenkodex in der äthiopischen Gemeinschaft dar, und es hilft die Kommunikation zu verbessern. Außerdem bricht es das Eis zwischen Arzt und Patient." Die Stiftung ist Partner bei der Projektplanung und der Förderung der kulturellen Kompetenz in den Jerusalemer Gesundheitsdiensten.
Geldstrafe wegen kultureller Missverständnisse
In der Vergangenheit gab es bereits Gerichtsurteile wegen medizinischer Vernachlässigung, die auf kulturellen Missverständnissen beruhte. So wurde im Januar 2007 der Klage einer Frau stattgegeben, die Arabisch sprach und hebräische Anweisungen erhalten hatte. Eine Ärztin sagte zwar aus, sie habe der werdenden Mutter arabische Erklärungen gegeben. Dies sei aber nur in Stichworten geschehen, urteilte das Gericht und verfügte eine Geldstrafe von umgerechnet rund 50.000 Euro. Der Richter sagte: "Das Krankenhaus hat seine Mindestverpflichtung nicht erfüllt, die Erklärung in einer Weise zu bieten, die für den Patienten verständlich war."
Bis Februar 2013 sollen alle Einrichtungen des Gesundheitssystems den Patienten einen Übersetzungsdienst anbieten. Dies kann durch eine professionelle Hotline, Kulturexperten oder Personal geschehen, das in Fremdsprachen geschult werden. So weit es möglich ist, sollen nicht Angehörige die Rolle des Übersetzers übernehmen müssen.