Wer sich für Politik interessiert, kommt in dem Buch „Nicht angepasst“ auf seine Kosten. Aus der Sicht des CDU-Mitglieds Gerster erfährt er Allgemeines und Interna, Bündnisse und Intrigen aus Mainz oder Rheinland-Pfalz, aber auch aus dem Bund. Doch auch wer die Autobiographie zur Hand nimmt, weil er etwas über Israel erfahren möchte, wird schließlich fündig. Bereits in der ausführlichen Beschreibung seiner Jahre als aktiver CDU-Politiker blitzen Erlebnisse mit dem und im jüdischen Staat auf. So begleitete er deutsche Delegationen nach Israel und sorgte dafür, dass Marc Chagall die Fenster in der Mainzer Sankt Stefanskirche gestaltete. Was genau diese Affinität ausgelöst hat, teilt er allerdings nicht mit.
1997 übernahm Gerster die Leitung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jerusalem, wo er bis 2006 tätig war. Dort hatte er vor allem zwei Aufgaben. Zum einen initiierte er ein Konferenzzentrum für die Begegnung von Juden, Christen und Muslimen. Dieses wurde 2001 in der Nähe des King David-Hotels eingeweiht. Zum anderen sorgte er dafür, dass die Stiftung inoffizielle Arbeitsgruppen mit israelisch-palästinensischen Nichtregierungsorganisationen bildete und diese finanziell unterstützte. Der Politiker schildert Begegnungen mit prominenten und weniger bekannten Israelis und Palästinensern. Seine Ehefrau Regina sorgte dafür, dass sie immer ein gastfreies Zuhause hatten.
Selbstverständlich sind Gersters persönliche Erinnerungen an politische Ereignisse nicht objektiv. Auch stellt er seine eigenen Verdienste und die Fehler anderer häufig in den Vordergrund. Die zuweilen sehr umgangssprachliche Ausdrucksweise ist gewöhnungsbedürftig. Dennoch können seine Ausführungen den Horizont über einen Ausschnitt der deutschen und auch der israelischen Geschichte erweitern.
Johannes Gerster: Nicht angepasst. Mein Leben zwischen Mainz, Bonn und Jerusalem, Leinpfad, 328 Seiten, 19,90 EUR, ISBN 978-3-937782-95-9