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60 Jahre Staat Israel – Stolze Feiern

Alles im Staate Israel firmiert derzeit unter "60 Jahre". Das blaue Logo mit der geschwungenen 60 ist allgegenwärtig. Aus Anlass des 60. Staatsjubiläums werden eine Massen-Bar-Mitzva, eine Massenhochzeit und ein Massenpriestersegen an der Klagemauer veranstaltet. Staatspräsident Schimon Peres lädt alle, die am 5. Ijar 5708 gemeinsam mit dem modernen Staat Israel geboren wurden, zu einer Massengeburtstagsparty in seine Residenz nach Jerusalem ein. Wanderfreudige werden um den See Genezareth und Israels Kommunikationssatellit "Amos 3" in die Erdumlaufbahn geschickt.

Unter der Überschrift „60 Jahre israelische Schönheit“ behauptet die Tageszeitung Jedioth Achronot, dass die israelische Mode zum Ausdruck bringt, „wie wir uns selbst sehen, welche Werte wir vertreten, in welcher Haltung wir dem Leben begegnen und uns der Welt präsentieren“. Die Illustration des Artikels zeigt einen Herrn, der von drei schwarz gekleideten Damen in Fesseln gehalten wird. Israel wählt zu seinem 60. Staatsgeburtstag einen Nationalvogel und das beliebteste hebräische Volkslied aller Zeiten. Nur im Blick aufs Essen wird klar gestellt, dass Humus, der Mus aus zerstoßenen Kichererbsen und Olivenöl, die Nationalspeise bleibt. Die israelische Gesellschaft ist vollkommen im 60er-Taumel.

Die Fingerabdrücke von Kulturen aus aller Welt sind in Israel unübersehbar, der Reichtum an Sprachen, Mentalitäten und Denkweisen faszinierend. Abgesehen von der Tatsache, dass sich in diesem Land Ost und West, Orient und Abendland begegnen, sind seit der Staatsgründung 1948 fast drei Millionen Juden aus ungefähr 145 Ländern eingewandert. Ein Drittel davon kam in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aus der zerfallenden Sowjetunion. In jüngster Zeit wandern vor allem Juden aus den USA, Kanada, Frankreich, Australien, Neuseeland, England, Argentinien, Brasilien, Südafrika und Italien nach Israel ein.

Deutsche Politiker, die als Gratulanten zum Geburtstag des jüdischen Staates aufwarten, stellen erstaunt fest, dass es auf dieser Erde ein Land gibt, in dem man aktuell von „Euroschwäche“ spricht. Israel hat eine stabile Wirtschaft, die so manches Industrieland vor Neid erblassen lässt. Darauf sind die Israelis stolz. Ihr Land ist weltweit führend in der Landwirtschaft, Wissenschaft, Hi-Tech und Medizin. Das Land hat 145 Wissenschaftler und Techniker per 10.000 Einwohner – in den USA sind es 85, in Japan 70 und in Deutschland weniger als 60. Mehr als 3.000 High-Tech-Unternehmen sind in Israel vertreten. Damit hat der jüdische Staat nach dem kalifornischen Silicon Valley die höchste Konzentration an High-Tech-Unternehmen weltweit. 1948 machten 208 Studenten einen Hochschulabschluss an zwei Universitäten in einem Staat, der vielen nicht lebensfähig erschien. Vor zwei Jahren waren es 53.000 Studenten, die einen akademischen Titel an einer von 62 Hochschulen im Lande erwarben.

Eine Missstimmung in der allseitigen Feierstimmung, vor allem in orthodox-jüdischen Kreisen, erzeugte indessen die Tatsache, dass die 16-jährige Bat-El Levy eine von vier israelischen Jugendlichen ist, die ihr Land beim internationalen Bibelquiz vertreten soll. Bat-Els Problem, beziehungsweise das Problem der Orthodoxen: Sie glaubt an Jesus. Der Antimissionsaktivist Rabbi Tuvia Singer bezeichnet Judenmissionare als „geistliche Hamas“, „weil sie das jüdische Volk geistlich auslöschen wollen, so wie die Hamas das physisch zu tun sucht“. Tatsächlich haben die antimissionarischen Aktivitäten der vergangenen Monate dazu geführt, dass messianische Juden regelmäßig in den israelischen Medien genannt werden und so mehr und mehr einen Platz in der israelischen Öffentlichkeit erringen. Bildungsministerin Juli Tamir begegnete der Forderung, Bat-El wegen ihres Glaubens vom Bibelquiz auszuschließen, mit der Bemerkung, das Mädchen sei als jüdisch registriert und dürfe deshalb teilnehmen. Und die Mitbewerber weigerten sich bislang, orthodoxem Druck nachzugeben, und von dem Wettbewerb zurückzutreten.

Doch nicht nur in der Auseinandersetzung zwischen orthodoxen und messianischen Juden ist es die Vielfalt und das weite Spektrum seiner Einwohner, die Israel für Außenstehende so interessant, für sich selbst aber so problematisch machen. Präsident Peres ist einerseits stolz auf das, was sein Volk in 60 Jahren Aufbauarbeit erreicht hat. Gleichzeitig beobachtet er aber sehr besorgt die innere Zerrissenheit, die Demoralisierung, der Verlust an jüdischen Werten und das Fehlen von gegenseitigem Respekt innerhalb der israelischen Gesellschaft. Religiöse zeigen sich Säkularen gegenüber intolerant – und umgekehrt. Es gibt nicht nur Probleme zwischen Juden und Arabern, sondern auch zwischen Aschkenasen und Sepharden. Peres hat diese Probleme und Herausforderungen zur Sprache gebracht und sich zu seiner persönlichen Verantwortung für ein künftiges Erbe in der Gesellschaft bekannt. „Offensichtlich wurde der Jude in ihnen erst geboren“, meinte ein Journalist herausfordernd, „als sie als letzter einer Generation von Giganten übrig geblieben sind?!“

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