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3.000 Jahre altes Rätsel um Moabiterkönig Balak gelöst?

Neue Forschungsergebnisse zur Mescha-Stele geben Hinweise, dass ein Erzfeind der Israeliten eine historische Figur war: der Maobiterkönig Balak. Die Inschrift wurde vor 150 Jahren in Transjordanien entdeckt und ist 2.800 Jahre alt.
Weiß markiert ist die enigmatische Zeile 31 der Mescha-Stele

Neue Untersuchungen der Mescha-Stele deuten darauf hin, dass der Moabiterkönig Balak, ein Erzfeind der Israeliten, eine historische Figur war. Eine Gruppe von Forschern hat möglicherweise den Namen des Moabiterherrschers auf einer 2.800 Jahre alten Inschrift identifiziert.

Die Mescha-Stele, ein Steinmonument, wurde vor 150 Jahren in der Wüste von Transjordanien entdeckt. Sie enthält zahllose Informationen über die Geschichte des alten Israel und ist eine ständige Quelle zur Debatte über die Genauigkeit der Bibel. Der Text wird auf die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts vor Christus datiert. Darin rühmt sich der Moabiterkönig Mescha, das nördliche Königreich Israel und dessen Gottheit JHWH zu besiegen. Das ist der erste außerbiblische Bezug auf den Gott der Juden. Die Inschrift zeugt auch von der Historizität biblischer Gestalten, darunter Mescha selbst (2. Könige 3) sowie der israelitische König Omri und dessen Sohn Ahab.

Aber es gibt Teile der Stele, die beschädigt und kaum lesbar sind. Eine Studie des Archäologen Israel Finkelstein, des Historikers Nadav Na’aman und des Bibelforschers Thomas Römer vom Collège de France und der Universität Lausanne schlägt eine neue, überraschende Lesart eines obskuren Abschnitts in der Mescha-Stele vor.

Arbeit mit neuen hochauflösenden Fotos

Die neue Interpretation basiert auf neuen hochauflösenden Fotos eines Papierabdrucks des Textes, der kurz nach der Entdeckung der Stele 1868 gemacht wurde. In einigen Fällen sind die Buchstaben besser erhalten als in der Inschrift. Beduinen hatten den Stein kurz nach seinem Fund zerbrochen. Obwohl das Meiste davon zusammengesetzt wurde, fehlen noch einige Teile. Die Stele und der Papierabdruck sind heute im Louvre-Museum in Paris aufbewahrt.

Die neue Analyse des Abdrucks ergibt, dass der Moabiterherrscher Balak, der im 4. Buch Mose (Kapitel 22–24) eine Schlüsselrolle in einem biblischen Gleichnis spielt, in der Stele als Rivale zu Mescha um die Vorherrschaft über Moab erwähnt wird. In der Bibel erscheint Balak viel früher in der Geschichte der Hebräer, nämlich Jahrhunderte vor der Zeit des Mescha. Vierzig Jahre nach dem Exodus, als die Israeliten, noch immer unter der Führung von Mose, auf dem Weg ins verheißene Land aus der Wüste auftauchen, durchqueren sie Moab.

Von ihrer schieren Menge verängstigt, heuert König Balak einen Propheten und Seher namens Bileam, den Sohn Beors, an, um die Hebräer zu verfluchen. Der moabitische König fleht Bileam wiederholt an, einen Zauberspruch gegen dieses feindliche Volk zu sprechen, aber, inspiriert von Gott, kann der Prophet nur die Kinder Israel segnen und die Niederlage von Moab prophezeien, sehr zu Balaks Frustration.

Neuinterpretation zeigt Anachronismus auf

Falls die Neuinterpretation der Mescha-Stele richtig ist, bedeutet es, dass Balak sich den Charakteren aus der Bibel anschließt, die durch außerbiblische Inschriften bestätigt wurden. Gleichzeitig würde es auch darauf hindeuten, dass die biblische Episode anachronistisch wiedergegeben ist.

Eine der verbindlichsten und umstrittensten Interpretationen von Zeile 31 der Stele wurde in den 1990er-Jahren vom französischen Epigraphen André Lemaire veröffentlicht. Der behauptete, dass die verblassten Buchstaben als BT[D]WD gelesen werden sollten. Da der alte Moabiter so ziemlich die gleiche Sprache verwendete wie das alte Hebräisch, konnte dies nur bedeuten: Bet David – das Haus David. Zusammen mit der Tel-Dan-Inschrift würde diese Interpretation die Mescha-Stele zu einer von nur zwei bekannten außerbiblischen Erwähnungen des biblischen David machen.

Erkenntnisse heizen heftige Debatte an

Diese Lesung hat unweigerlich eine heftige Debatte über die Historizität und das Ausmaß der von David und seinen Nachfolgern regierten Monarchie angeheizt. Wenn Juda bereits im 9. Jahrhundert vor Christus Territorium in Transjordanien besetzt hätte, könnte man argumentieren, dass die biblischen Berichte über ein weites Königreich in der Zeit von David und Salomo ein Jahrhundert zuvor etwas Wahres enthielten. Finkelstein und die anderen Autoren der Studie sind seit langem führende Stimmen einer anderen Denkschule. Sie argumentieren, dass es in Jerusalem oder anderswo wenig archäologische oder textliche Beweise für das in der Bibel beschriebene große israelitische Reich gebe.

Hierzu muss Horonaim erwähnt werden. Es ist ein Ort, der in der Bibel mehrmals erwähnt wird und auf der Stele vorkommt. Forscher identifizieren ihn mit der heutigen jordanischen Stadt Kerak, südöstlich des Toten Meeres. Dieses Thema ist Gegenstand von Debatten.

Obwohl David eine historische Figur gewesen sein mag, sagen die bibelkritischen Archäologen, dass er wahrscheinlich eher der Herrscher eines kleinen Stadtstaates im jüdischen Hochland war, dessen Reich sich gewiss nicht bis zum Jordan erstreckte. In ihrer neuen Studie über die Mescha-Stele lehnen Finkelstein und Kollegen die Interpretation von Lemaire ab. Die neuen Bilder, die sie studierten, zeigten, dass der Name des Herrschers von Horonaim aus nur drei Konsonanten bestehe, und nur der erste deutlich lesbar sei: der Buchstabe „beth“. Aber die Forscher gehen weiter und schlagen vor, dass der Name auch als B[LK] – also Balak – gelesen werden könnte.

„Die Hypothese basiert auf der Überprüfung levantinischer Eigennamen, die mit ‚B‘ beginnen und drei Buchstaben haben“, erklärt Thomas Römer. „Aus den Untersuchungen geht hervor, dass Balak der beste Kandidat wäre.“ Der Name entspricht laut Finkelstein der biblischen Beschreibung von Balaks Königreich, südlich des Arnon-Flusses, der etwa 30 Kilometer nördlich von Kerak zum Toten Meer fließt, also dem Horonaim der Mescha-Stele.

Inschrift am Tell Deir Alla

1967 entdeckten Archäologen am Tell Deir Alla auf der Ostseite des Jordantals eine Inschrift aus dem frühen 8. Jahrhundert vor Christus, die die Prophezeiungen eines „Bileams s[ohn von Beo]r, eines Sehers der Götter“, auflistet. „Ob die Inschrift Tell Deir Alla von einer bekannten oder einer legendären Person spricht, die wir nicht kennen, ist unklar. Aber sie macht Bileam sicherlich greifbarer. Er war sicherlich eine bekannte Figur“, sagt Finkelstein der Tageszeitung „Ha’aretz“. „Wenn Sie also all diese Beweise zusammenfassen, denke ich, dass die Identifizierung von Balak in Zeile 31 der Mescha-Stele solide ist.“

Lemaire, der französische Epigraph, ist mit dieser Schlussfolgerung nicht einverstanden und steht zu seiner eigenen Interpretation. Während er die Historizität von Balak nicht ausschließt, ist das Erscheinen seines Namens in der Mescha-Stele „offensichtlich nicht nur mutmaßlich, sondern auch unwahrscheinlich“, schreibt Lemaire in einer E-Mail an die Tageszeitung. Andererseits passt das Lesen des umstrittenen Textes als Haus Davids „nicht nur zu den Spuren der Buchstaben, sondern auch zum Kontext“, sagt er.

Von: Ulrich W. Sahm

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