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100 Jahre Stefan Heym – Sein letztes Interview

Der Schriftsteller Stefan Heym wäre am 10. April hundert Jahre alt geworden. Im Dezember 2001 ist er in einem Kurhotel am Toten Meer in ein Becken mit Schwefelwasser gestürzt und kurz danach an Vergiftung gestorben.
Der jüdische Schriftsteller Stefan Heym wäre am  Mittwoch 100 Jahre alt geworden.

Heyms letzte Reise führte nach Jerusalem. Er nahm an einem Kongress zu Heinrich Heines „Rehabilitierung und Einwanderung nach Israel“ teil. Bis zu dieser Reise war Heine in Israel und bei vielen Juden tabu, weil er zum Christentum konvertiert war, um Jura studieren zu können.

Während des Kongresses hatte Heym sein letztes Interview gegeben. Seine Worte zu Heine trafen auch auf ihn selber zu und wurden bei seinem Begräbnis in Berlin vorgetragen.

Ulrich W. Sahm: Stefan Heym, ist Heinrich Heine eine Reise nach Jerusalem wert?

Stefan Heym: Der ist noch viel mehr wert. Er ist auch eine Reise nach Paris wert. Und vor allem ist er wert, dass man seine Bücher liest. Das ist die Hauptsache. Damit man weiß, worüber er sich eigentlich Gedanken gemacht hat. Denn was er sich seinerzeit überlegt hat, das ist von unerhörter Aktualität auch für unsere Zeit, besonders jetzt. Ich meine damit Deutschland, Israel, ich meine auch Afghanistan. Ich meine Terrorismus.

Das ist alles auch schon für Heine wichtig gewesen. Vor allem hat er sich auch beschäftigt mit der deutschen Reaktion. Die ist ja auch heute wieder ein Problem. Wenn ich mir überlege, dass die deutsche Polizei heute ausziehen muss, um die Nazis zu beschützen, die wieder durch die Straßen demonstrieren, dann kann ich nur sagen: Wir müssen Heine noch mehr unterstützen als bisher.

Herr Heym, wie haben Sie Heine kennen gelernt?

Eigentlich hat das auch etwas mit meiner Familie zu tun. Bei uns stand er im Bücherschrank. Und ich hab ihn mal rausgenommen und angefangen zu lesen, was er geschrieben hat. Dann haben wir mal eine kleine Familienfeier gehabt, mit Onkels und Tanten und so. Da kam die Rede auf Heine und da sagte meine Tante, die ältere Schwester meines Vaters, plötzlich: „Das ist ein guter Kerl, dieser Heine. Es ist einer von unseren Jungs.“

Und da war natürlich ein besonderes Interesse, wenn er einer von unseren Jungs war. Ich war auch einer von unseren Jungs. Also war da eine Verbindung von mir zu Heine, über diese Familien-Lesergewohnheit hinaus.

Erst später habe ich natürlich erfahren, wie tief Heine gedacht hat. Ich habe dann Heine und seine Gedanken und sein Werk benutzt, als ich meine Dissertation schreiben musste, für den Magistergrad, an der Universität von Chicago. Da hab ich geschrieben über Heines Atta Troll. Das war seine Abrechnung mit der falschen deutschen Romantik.

Da muss ich aber mal ganz peinlich fragen. Wenn Sie sagen, der ist einer von unseren Jungs. Es gibt Leute, die ihn für sich beanspruchen, und Leute die sagen, nein, der gehört ja gar nicht zu uns.

Wie meinen Sie das?

Also die Juden sagen, er sei zum Christentum übergetreten. Die Deutschen sagen, er sei nach Frankreich ausgewandert und die Christen meinen, er sei doch eigentlich Jude.

Ja wissen Sie, ich bin auch weggegangen aus Deutschland. Weil ich musste. Und Heine musste sein Judentum aufgeben, wenn er studieren wollte, und wenn er Rechtsanwalt werden wollte, was er in Preußen eigentlich wollte, dann aber nicht konnte, obwohl er konvertiert hatte. Sie können sich dann selber überlegen, wie die Zustände damals waren. Und dann kamen ja noch viel schlimmere Zeiten, wo man das Heine-Gedicht von der Lorelei gedruckt hat, mit der Autorenzeile: „Autor unbekannt“.

Das war vielleicht eine böse Zeit in Deutschland. Ich hoffe nur, dass sie nicht wiederkommt. Aber wenn ich mir so überlege und ansehe, was jetzt passiert, dann hab ich meine Zweifel.

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