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Mangel beim Laubhüttenfest befürchtet

Italienische Wetterunbilden könnten sich auf Israel auswirken. Juden bangen um eine Zitrusfrucht, die zum Ritus des Laubhüttenfestes gehören.
Der Etrog wird vor dem Kauf sorgfältig untersucht

Vier Tage Frost im Januar haben fast 80 Prozent der Zitronenernte in Kalabrien zerstört, der „Fußspitze“ des italienischen „Stiefels“. Das wird nicht nur Auswirkungen auf die Herstellung des fruchtigen Limoncello-Likörs haben, der vor allem bei Amalfi hergestellt wird. Dieser Frost hat auch schlimme Folgen für das jüdische Laubhüttenfest. Denn da wird neben Palm-, Myrten- und Weidenzweigen auch der sogenannte Etrog verwendet. Das ist eine Zitronatzitrone mit besonders dicker Schale. Diese ansonsten ziemlich ungenießbare Frucht wird vor allem in Kalabrien angebaut. Deshalb rechnet man in Israel für das diesjährige Laubhüttenfest im Herbst mit spürbarem Mangel.

Die Etrog-Zitronen werden sehr sorgsam verpackt. Vor ihrem Kauf untersuchen ultra-orthodoxe Juden die Früchte mit der Lupe. Kleinste Beschädigungen wie Frostspuren an ihrer Schale machen sie für den Kult unbrauchbar.

Vor allem die jüdische Chabad-Sekte verlässt sich auf die Etrog-Ernte in Kalabrien. Gemäß einer Legende hat be Gott auf einer Wolke Boten in alle Welt ausgesandt, um nach Etrog-Zitronen zu suchen. So sei man schon zu Moses Lebzeiten auf Kalabrien gestoßen.

Die diesjährige Ernte ist in Gefahr wegen vier Tagen Frost im Januar in Süditalien. Etwa 80 Prozent der Zitronenbäume seien dabei zerstört worden. Sie werden seit mindestens 2.000 Jahren in der Region angebaut.

Von Israel nach Italien gelangt

Dafna Langgut vom Archäobotanik-Labor der Universität Tel Aviv hat kürzlich eine Studie zur Migration von Zitrusfrüchten im Mittelmeerraum veröffentlicht. Mit archäobotanischen Beweisen entdeckte sie, dass Zitronen erst in Israel vorkamen, ehe sie 500 Jahre später nach Italien gelangten.

Die Professorin untersuchte botanische Überbleibsel in archäologischen Kontexten. „Vor einigen Jahren habe ich den frühesten archäobotanischen Nachweis von Zitrusfrüchten im Mittelmeerraum gefunden, in einem 2.500 Jahre alten königlichen Garten bei Jerusalem“, sagt Langgut.

Die Wissenschaftlerin habe den Garten eines Palastes von 686 vor der Zeitrechnung im Gelände des heutigen Kibbutz Ramat Rachel bei Jerusalem geprüft. Die Archäologen entdeckten Zitronen-Pollen im Gips des Putzes an den Wänden. Der Putz wurde auf die persische Periode datiert. Neben den Zitronen wurden auch Spuren von Myrte und Weiden gefunden, weitere Pflanzenarten, die bei den Sukkot-Ritualen verwendet werden (3. Mose 23,40).

Im Gegensatz dazu stammen die frühesten archäobotanischen Beweise für die Zitrone im westlichen Mittelmeerraum aus Pompeji im 3. und 2. Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Dort seien mineralisierte Samen der Zitrone gefunden worden. Anders als Pollen liefern Samen allein keine direkten Beweise für den Anbau der Früchte, behauptet Langgut. Echte Beweise für das Anpflanzen von Zitronenbäumen im heutigen Italien gebe es erst nach der Römerzeit, also mehrere hundert Jahre nach den Funden aus Jerusalem.

Zitrone als Eliteprodukt

Um festzustellen, wann genau die Zitronen in das Heilige Land gelangt sind, untersuchte Langgut botanische Reste von Holzkohle und Samen anderer Obstsorten. Zudem prüfte sie Texte und antike Münzen. Bei der amerikanischen Gesellschaft für Hortikultur veröffentlichte Langgut einen Aufsatz zum Thema: „Die Entdeckung der Zitrus-Route von Südostasien zum Mittelmeer“. Sie stellte fest, dass der Mensch erstmals Zitrusfrüchte im Nordosten Indiens und den östlichen Himalaya-Vorgebirgen gezüchtet habe. „Meine Ergebnisse zeigen, dass die ersten Zitrusfrüchte, darunter die Zitrone, am Mittelmeer als Eliteprodukte betrachtet wurden. Alle anderen Zitrusfrüchte folgten wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen erst ein Jahrtausend später“, so Langgut.

Bitter-Orangen, Limetten und Pomelos wurden in den Westen wahrscheinlich von Muslimen über Sizilien und über die Iberische Halbinsel erst ab dem 10. Jahrhundert eingeführt.

Der hebräische Name des Etrog enthalte einen Hinweis auf seinen Ursprung. Der Name klinge wie „Torring“ auf Hindi. Noch näher sei die persische Bezeichnung Toronge, aus dem später „Etronen“ wurden.

Gemäß der Studie sei die Etrog-Zitrone schon in der Antike wegen ihrer Heilwirkung, des symbolischen Gebrauchs und des angenehmen Geruchs geschätzt worden. Andererseits sei die Frucht sehr selten gewesen.

Marmelade und Bier

Die Etrog-Zitrone kann nicht gegessen werden. Für wirklich perfekte Exemplare entrichten fromme Juden bis zu 100 Dollar. Sie nach dem Fest einfach wegzuwerfen ist wohl schade. Nachdem die aufgeschnittenen Früchte stundenlang gewässert worden sind, um ihnen die Bitterkeit zu entziehen, kann man aus ihnen eine Marmelade kochen. Der Etrog dient einer israelischen Brauerei sogar als Geschmacksverstärker für ein exotisches Bier.

Das diesjährige Laubhüttenfest (Sukkot) beginnt am Abend des 4. Oktober. Es erinnert an die Wüstenwanderung des Volkes Israel und wird eine Woche lang gefeiert.

Von: Ulrich W. Sahm

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