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Eine boomende Stadt

Anfang Februar verbrachte die Redaktion der „Bergischen Blätter“ einen Tag in Wuppertals israelischer Partnerstadt Be'er Scheva. Dabei erlebte sie eine aufstrebende Stadt, die sich aber auch um Umweltschutz und Nachhaltigkeit bemüht. Eine Reportage von Silke Nasemann
Weitet sich ringförmig um den Kern aus: die Wüstenhauptstadt Be'er Scheva

Im vergangenen Jahr feierten die Städte Wuppertal und Be’er Scheva in Israel ihre 40-jährige Partnerschaft. Das ist vielleicht kein ganz runder Geburtstag, aber immerhin doch ein guter Anlass, sich einmal anzuschauen, worüber man schon öfter geschrieben hat.

Die Insolvenz der Fluggesellschaft „AirBerlin“ machte uns im eigentlichen Jubiläumsjahr einen Strich durch die Rechnung – aber jetzt war es so weit. Tatkräftige Unterstützung bekamen wir dabei von Arno Gerlach, Vorsitzender des Freundeskreises auf der Wuppertaler Seite, und auf der israelischen Seite von Irith Ovadia-Alsberg, Vorsitzende des Freundeskreises dort.

Eine besondere Zahl

Der Staat Israel wurde 1948 gegründet, ist also selbst erst 70 Jahre alt. Das macht die Partnerschaft zwischen Wuppertal und Be’er Scheva, die 1977 geschlossen wurde, noch ein bisschen bedeutender. Und wenn man weiß, wie sehr die Vertreter der israelischen Regierung miteinander gerungen haben, bevor 1965 diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aufgenommen wurden, erscheinen 40 Jahre dann doch als besondere Zahl.

Auch in Be’er Scheva gab es nach Erzählungen Arno Gerlachs Widerstand und Diskussionen, bevor die Städtepartnerschaft geschlossen wurde. Wer den Holocaust er- und überlebt hat, wollte sich nicht zwingend mit dem „neuen“ Deutschland beschäftigen.

Bei Irith Ovadia-Alsberg war das anders. Ihre Eltern, der Staatsarchivar Paul Alsberg und seine Frau Betty, beide in Wuppertal aufgewachsen, verließen die Stadt in jungen Jahren, nachdem Paul Alsberg bereits verhaftet und nach Buchenwald verschleppt worden war. Für ihn sei es wichtig gewesen, den Kontakt mit Deutschland zu halten und gegen das Vergessen zu kämpfen – was er seiner Tochter weitergegeben hat.

Als Mitarbeiterin der Stadtverwaltung in Be’er Scheva kümmerte sie sich um auswärtige Beziehungen und den Tourismus. Den Vorsitz des Städtepartnerschaftsvereins hat sie bis heute inne, obwohl sie nun nicht mehr in der Stadt beziehungsweise dem kleinen Nebenort Omer wohnt.

Bewohner aus 56 Ländern

In den 1980er und 90er Jahren, als in Wuppertal der Städtepartnerschaftsverein gegründet wurde (1983, der in Be’er Scheva folgte 1991), hatte Israel andere Sorgen. Über eine Million Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Osteuropa und Äthiopien mussten integriert werden. Viele davon kamen auch nach Be’er Scheva. Heute leben Menschen aus 56 verschiedenen Ländern in der Stadt, berichtet Ovadia-Alsberg.

Fast 60 Prozent davon seien Juden, aber Be’er Scheva sei eine offene Stadt für alle, betont deren stellvertretender Bürgermeister Tal El Al. Er sieht das Zusammenleben so vieler unterschiedlicher Menschen nach eigener Angabe auch weniger als Problem denn vielmehr als Herausforderung. Bei der jungen Generation sei das noch einfacher. So hätten seine beiden Töchter und der Sohn ganz selbstverständlich auch arabische Freunde.

Biblische Tradition: Wasser gemeinsam nutzen

Daneben war das Land – und ist es bis heute – mit dem Friedensprozess beschäftigt, der 1979 mit dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag begonnen hatte. Bei dem spielte im Übrigen auch Be’er Scheva eine Rolle. Zwar hielt der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat seine Rede in der Knesset in Jerusalem, wollte dann aber nach Be’er Scheva reisen: Schon in der Bibel wird Be’er Scheva als Ort beschrieben, an dem Abraham – den Juden, Christen und Moslems als den Urvater ihrer Religionen ansehen – mit dem damals herrschenden König Abimelech einen Schwur schloss, sich nicht um das rare Wasser zu streiten. Denn Abraham hatte einen Brunnen gegraben, der heute noch – in ein Museum eingebettet – in Be’er Scheva zu sehen ist. Be’er Scheva bedeutet im übrigen auch „Brunnen der Sieben“, weil Abraham dem König sieben Lämmer schenkte, beziehungsweise „Brunnen des Schwurs“.

Das Wasser kommt aus den Bergen von Hebron, wo etwa viermal mehr Regen fällt. Insgesamt wurden in der Gegend um die 200 Brunnen gebaut, aber nur von dem einen trugen die Nomaden die Geschichte Abrahams weiter. Heute ist das Wasser jedoch verunreinigt.

Sadat soll in Be’er Scheva gesagt haben: „Abraham war mein und euer Vater.“ Eine Kopie der Urkunde mit den Unterschriften von Sadat, dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin und vielen anderen hängt heute im Stadthaus vor dem Saal, in dem sich die Stadtverordneten in Be’er Scheva treffen.

Eine Kopie der Unterschriften der Friedensurkunde zwischen Israel und Ägypten hängt im Stadthaus in Be'er Scheva Foto: Bergische Blätter/Uwe E. Schoebler
Eine Kopie der Unterschriften der Friedensurkunde zwischen Israel und Ägypten hängt im Stadthaus in Be’er Scheva

Lange war und blieb Be’er Scheva eine Stadt, die von der Negev-Wüste und den dortigen Beduinen geprägt war. Als sie vor 50 Jahren in die Stadt kam, sei dort im wahrsten Sinne des Wortes noch alles Wüste gewesen, berichtet Irith Ovadia-Alsberg. Deshalb weigerte sich der Bildhauer Dani Karavan, der das Wahrzeichen der Stadt, die Gedenkstätte der Negev-Brigade, geschaffen hat, auch, seine Kunst in Grün einzubetten, so Ovadia-Alsberg. Es sollte an die Wüste erinnern und Wüste bleiben.

Langfristige Strategie für die Stadtentwicklung

Doch mit dem Ausbau der Universität veränderte sich auch die Stadt. Der Campus der 1967 gegründeten Ben-Gurion-Universität des Negev, wie sie offiziell heißt, wird stets erweitert. Heute studieren dort und an weiteren Colleges rund 25.000 junge Menschen. Daneben soll die Stadt selbst zum Hightech-Standort ausgebaut werden, wie Tal El Al berichtet. Davor stand zunächst die Idee, der Stadt mit vielen verschiedenen Stadtteilen zu einer kompakteren Struktur zu verhelfen, die Grundlage für eine bessere wirtschaftliche Entwicklung sein sollte. Vor gut acht Jahren setzte sich so die Verwaltung mit Fachleuten zusammen, um zu beraten, wie sie am besten zu entwickeln sei. Aus den Ideen und Vorschlägen wurde eine langfristige Strategie entwickelt, so Tal El Al.

Im Mittelpunkt stand dabei die Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze, um die Jungen in der Stadt halten zu können. Was sich viele Städte wünschen, ging in Be’er Scheva auf: Hätte die Stadt vor vier Jahren noch so gut wie keine Arbeitsangebote in diesem Sinne machen können, könne man heute auf rund 2.000 Mitarbeiter verweisen, deren Arbeitsplätze in einem neu gebauten Hightech-Park, der Universität und dem Krankenhaus entstanden sind. Dabei handele es sich nicht um Fertigungen, sondern um reine Forschung und Entwicklung, so der stellvertretende Bürgermeister.

Aber wie hat Be’er Scheva das geschafft? Tal El Al glaubt, dass das Geheimnis in der guten Zusammenarbeit zwischen Stadt, Universität, Krankenhaus und Wirtschaft liege, die mit Unterstützung der israelischen Regierung an einem Strang gezogen hätten. So gehöre der Technologiepark zum Beispiel allen genannten Einrichtungen. Das sei auch für Israel etwas Besonderes.

Hilfestellung kam zudem vom Militär, das in der Stadt sein „National Cyber Bureau“ erreichtet habe, was als Initialzündung für weitere Ansiedlungen gewirkt habe. So gäbe es inzwischen sogar Standorte von Google und IBM in der Stadt. Das erste Unternehmen sei jedoch die Deutsche Telekom gewesen, so El Al. Nun kämen immer wieder Start-ups hinzu, derzeit seien es um die 50. Platz für weitere 20 sei gerade erst geschaffen worden.

„Es wird gebaut wie verrückt!“

Heute hat die Stadt rund 220.000 Einwohner, mit dem Umland mit Bauern, Beduinen und Kibbutzen, für die Be’er Scheva eine große Rolle mit seinen Krankenhäusern, Schulen, der Universität und weiterer, auch kultureller Infrastruktur spielt, sind es rund eine Million Einwohner. Das sei im Umkehrschluss auch der Grund, warum die Infrastruktur in der Stadt so gut sei, berichtet El Al. Dabei konnte sich die Stadt ringförmig um den alten Kern ausweiten, weil weder Berge noch Seen natürliche Hindernisse bilden.

Wie in ganz Israel seien hohe Immobilien- und Mietpreise auch in Be’er Scheva ein Problem, sodass für junge Familien nun erst ein Bereich angelegt wird, in dem sich diese zu fairen Preisen ansiedeln können. Aber: Wo ebenfalls ein Wohngebiet geplant war, soll nun eine Art Wald entstehen. Die Pflanzen seien bereits angelegt, berichtet der stellvertretende Bürgermeister. Umweltschutz und Nachhaltigkeit spielen eben auch im wasserarmen Süden eine immer wichtigere Rolle.

Dennoch: Sowohl Irith Ovadia-Alsberg als auch ihr Wuppertaler Pendant Arno Gerlach sagen es mit dem gleichen Satz: „Es wird gebaut wie verrückt!“ Das kommt nicht von ungefähr, denn vor zehn Jahre hatte die Stadt noch rund 35.500 Einwohner weniger.

(von links) Gabriele Schoebler, Irith Ovadia Alsberg, die Vorsitzende des Freundeskreises Be'er-Scheva-Wuppertal, Silke Nasemann, der stellvertretende Bürgermeister von Be'er Scheva, Tal El Al, und Uwe E. Schoebler Foto: Stadtverwaltung Beer Sheva/Bergische Blätter
(von links) Gabriele Schoebler, Irith Ovadia Alsberg, die Vorsitzende des Freundeskreises Be’er-Scheva-Wuppertal, Silke Nasemann, der stellvertretende Bürgermeister von Be’er Scheva, Tal El Al, und Uwe E. Schoebler

Auch in die Infrastruktur wird dabei investiert. So bekommen neue Wohngebiete nicht nur eine gute Straßenanbindung, sondern meist auch einen Kindergarten und eine Schule. Ein großer Sportkomplex wurde errichtet und für Kinder das „Lunada Kinder-Museum“, das in einem großen Gebäude und einem weiträumigen Außengelände zum Spielen, Toben, Kennenlernen und Lernen einlädt. Ein bisschen fühlt man sich dabei an die Wuppertaler Junior-Uni erinnert.

Heute ist Be’er Scheva erstaunlich Grün: Das Wasser für die Begrünung an vielen Plätzen der Stadt stamme dabei zum Großteil aus aufbereitetem Abwasser, berichtet El Al. Die Versorgung mit Trinkwasser geschieht wie fast überall in Israel über Regen (wobei es in Be’er Scheva nur knapp 30 Tage im Jahr regnet) und den See Genezareth. 1964 wurde die Leitung fertiggestellt, um das Wasser vom Norden in die südlichen Landesteile zu transportieren. Der See Genezareth wird seinerseits durch den Jordan gespeist.

Der Wuppertal-Square in Be'er Scheva Foto: Silke Nasemann/Bergische Blätter
Der Wuppertal-Square in Be’er Scheva

Einer dieser begrünten Plätze ist der Wuppertal-Square, der an die Partnerstadt erinnert. Dabei spielt jedoch weniger das Grün als vielmehr eine Konstruktion als Schattenspender eine Rolle, die an die Schwebebahn beziehungsweise an ihr Gerüst erinnern soll. Der Platz wurde Ende der 1990er Jahre gebaut und in Anwesenheit vieler ehemaliger Wuppertaler wie Paul und Betty Alsberg eingeweiht.

Mit freundlicher Genehmigung der „Bergischen Blätter“

Von: Silke Nasemann

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