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Kriegsgefahr wegen Toten bei Tunnelsprengung?

Bei der Sprengung eines Terrortunnels durch die israelische Armee kommen mehrere Palästinenser ums Leben. Weder die Hamas noch die Israelis sind an einer Eskalation der Sicherheitslage interessiert.
Immer wieder graben Islamisten aus Gaza Tunnel, die nach Israel hineinführen, um zu schmuggeln oder Anschläge auszuführen (Archivbild)

GAZA (inn) – Bei der Zerstörung eines Angriffstunnels vom Gazastreifen hunderte Meter weit auf israelisches Gebiet hat es acht Tote gegeben. Der Tunnel soll bis in die Nähe des 1950 gegründeten Kibbutz Kisufim gereicht haben. Die israelische Armee habe den Tunnel mittels „modernster Technologie“ entdeckt, als er noch im Bau war. Dessen Sprengung sei unter israelischem Territorium erfolgt.

Israelische Militärreporter berichten, dass es unter den Erbauern des Tunnels acht Tote gegeben habe, darunter ein hochrangiger Befehlshaber des „Islamischen Dschihad“. Diese Extremistengruppe hat sich in der Vergangenheit durch Raketenbeschuss auf Israel hervorgetan. Die Reporter berufen sich dabei teilweise auf palästinensische Quellen.

Die palästinensische Seite redet von einem „Verbrechen Israels“ und von einer gefährlichen Eskalation. Israelische Politiker und Beobachter halten jedoch den „Vorfall“ für erledigt und erwarten keine weitere militärische Reaktion der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation oder der islamistischen Terror-Organisation Islamischer Dschihad in Palästina.

Was genau passiert ist und wie die Palästinenser zu Tode gekommen sind, bleibt unklar. Die palästinensische Seite behauptet, dass Israel den Tunnel mit Giftgas geflutet habe, ehe er gesprengt worden sei. Die Israelis hingegen bestehen darauf, nur „legitime Mittel“ angewendet zu haben, also Sprengstoff. Zudem behauptet die israelische Seite, dass es die Toten erst nach der Sprengung gegeben habe. Im teilweise eingestürzten Tunnel habe es „sekundäre Explosionen“ gegeben, was darauf hinweise, dass darin Sprengstoff gelagert worden sei. Die Toten seien daher keine direkte Folge der israelischen Sprengung gewesen, sondern jener Sekundärexplosionen. Palästinensische Rettungsmannschaften, darunter der Dschihad-Befehlshaber Arafat Abu Murschid und sein Stellvertreter Hassan Abu Hassanein, wollten angeblich Vermisste suchen und eine unbekannte Zahl von Verletzten aus dem eingestürzten Tunnel ziehen.

Seit 2014 der gefährlichste Vorfall

Im israelischen Rundfunk hieß es, dass der Eingang zu dem Tunnel etwa einen Kilometer vor der Grenze auf palästinensischem Gebiet gelegen habe. Der Tunnel sei dann mehrere hundert Meter weit unterirdisch unter israelischem Territorium vorangetrieben worden. Die Absicht sei gewesen, für einen Terrorangriff in Israel Kämpfer durch den Tunnel zu schmuggeln.

Schon seit Wochen hätten die Israelis von den unterirdischen Arbeiten gewusst und sie dank „modernster Technologie“ beobachtet. Einzelheiten zu der eingesetzten Technologie sind streng geheim. Klar ist anhand dieser Informationen nur, dass die Israelis den Zeitpunkt der Sprengung des Tunnels bestimmen konnten. Sie bestreiten, etwas von der Präsenz der Bauarbeiter oder Aktivisten von Hamas oder des Dschihad im Tunnel während der Sprengung gewusst zu haben.

Seit der Operation „Starker Fels“ im Sommer 2014 ist dieses der gefährlichste Vorfall. Auf israelischer Seite vermuten Beobachter, dass die relative Ruhe gleichwohl bestehen bleibe. Die Palästinenser, also weder Hamas noch der Dschihad, hätten jetzt ein Interesse, die Lage durch Raketenbeschuss Israels weiter zu eskalieren.

Grenzöffnung gefährdet

Für die Hamas passiert der ungewöhnlich tödliche und schmerzhafte Vorfall zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Islamisten befinden sich gerade mitten in einem von Ägypten vermittelten „Versöhnungsprozess“ mit der Fatah-Partei des Westjordanlandes. Die Hamas will einen Teil der Kontrolle im Gazastreifen an die PLO und die Autonomieregierung unter Präsident Mahmud Abbas abgeben. Mit ägyptischer Genehmigung soll auch der Grenzübergang in Rafah geöffnet werden. Da alle Übergänge nach Israel geschlossen sind, außer für wenige „humanitäre Fälle“, würde die Öffnung der Grenze nach Ägypten erstmals nach Jahren den rund zwei Millionen Bewohnern des Gazastreifens wieder ermöglichen, über Ägypten ins Ausland zu reisen.

Ein erneuter „Krieg“ gegen Israel ausgerechnet jetzt würde nicht nur die innerpalästinensische „Versöhnung“ in Frage stellen und mutmaßlich verzögern. Auch die Grenzöffnung wäre infrage gestellt.

Israel wiederum behauptet, dass die Sprengung des Tunnels eine reine „Verteidigungsmaßnahme“ gewesen sei, da der Tunnel unter israelischem Territorium gesprengt worden sei und nicht im Gazastreifen.

Die Hamas und Israel haben ein großes Interesse, jetzt die Ruhe zu bewahren. Gleichwohl hat die israelische Armee entlang der Grenze zum Gazastreifen ihre Präsenz „erheblich verstärkt“ und angeblich auch wieder das Raketenabwehrsystem „Eisenkuppel“ in der Gegend aufgestellt. Nur Bewohner von Kisufim dürfen ihre Ortschaft betreten, während Fremde nach einer Ausweiskontrolle fortgeschickt werden. Die Lage gilt als „sehr angespannt“, aber niemand kann mit Gewissheit vorhersehen, ob es wieder zum Krieg kommt.

Von: Ulrich W. Sahm

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