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Israelisches Gerichtsurteil befeuert Debatte über Hauszerstörungen

Der Abriss eines palästinensischen Hauses nach einem Terroranschlag ist bei der israelischen Armee gängige Praxis. Doch im Falle eines tödlichen Steinwurfes legt das Hohe Gericht ein Veto ein. Dies löst in Israel Empörung aus.
Der Abriss von Häusern palästinensischer Terroristen ist in Israel umstritten

JERUSALEM (inn) – Mitte Mai wurde der 21-jährige Soldat Amit Ben-Jigal während einer Razzia im palästinensischen Dorf Jabad durch einen Steinblock getötet. Die Soldaten der Golani-Einheit zogen sich gerade zurück und suchten Deckung nahe den Hauswänden. Ben-Jigal hörte, wie Palästinenser sich auf dem Dach über ihm zusammenzogen und schaute nach oben. In diesem Augenblick ergriff der 49-jährige Hausbesitzer Nismi Abu Bakar einen 9 bis 11 Kilogramm schweren Stein und warf ihn nach unten. Obwohl Ben-Jigal einen Helm trug, traf ihn der schwere Stein ins Gesicht und tötete ihn augenblicklich.

Unmittelbar nach dem Vorfall verfügte Premierminister Benjamin Netanjahu die Zerstörung des Wohnhauses von Abu Bakar. Militärs erklärten, dass diese Häuserzerstörungen ein „nachgewiesenes“ Mittel der Abschreckung seien. Sie hätten schon viele junge Palästinenser davon abgehalten, Terrorattacken gegen Israelis durchzuführen, um ihren eigenen Familien kein Leid zuzufügen.

Doch die Häuserzerstörungen müssen vom Hohen Gericht genehmigt werden. Diesmal hat das Gericht ein Veto eingelegt, weil in dem Haus in Jerusalem auch die Gattin von Abu Bakar und ihre acht gemeinsamen Kinder leben. Die Zerstörung ihres Wohnhauses käme einer unerträglichen „Kollektivbestrafung“ gleich, zumal die Frau und die Kinder von der Tat des Vaters nichts gewusst hätten und auch nicht beteiligt gwesen seien.

Diskussion über Hauszerstörungen

Dieses Urteil löste Empörung in Israel aus. Der Vater des getöteten Soldaten trat im Fernsehen auf und rief mit Tränen in den Augen: „Schaut, unsere Kinder liegen hier unter der Erde, und dann sollen wir noch Rücksicht auf die Mörder nehmen.“

Nismi Abu Bakar wurde kurz nach der Tat festgenommen und hat sie beim Verhör durch den Inlandsgeheimdienst Schabak gestanden. Der Prozess gegen ihn läuft noch. Es erwartet ihn eine lebenslängliche Haftstrafe. Bei der Verlesung der Anklageschrift schrie er: „Ich wollte niemanden absichtlich töten.“

Dank dem Mehrheitsurteil des Hohen Gerichts wird in Israel erneut über die Wirkung der Häuserzerstörungen diskutiert. Da die meisten palästinensischen Terroristen tief in ihren Familien verankert sind und oft deren Hilfe erhalten, gilt es als akzeptabel, deren Wohnhäuser als „Strafe“ zu zerstören.

PA baut Häuser wieder auf – und zahlt Terrorgehälter

Doch längst hat sich eingebürgert, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) eingreift und die Baumaterialien liefert, um das Haus umgehend wieder zu errichten. Am Wiederaufbau sind oft linke israelische Organisationen – wie das Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD) – oder europäische Menschenrechtsorganisationen beteiligt. Der Schaden für die betroffenen Familien hält sich also in Grenzen.

Mehr noch: Einen Israeli oder Juden zu töten, kann für die Mörder und ihre Angehörigen durchaus ein lukratives Geschäft sein. Denn die Autonomiebehörde überweist ihnen jeden Monat üppige Gehälter. Teilweise entsprechen sie dem Gehalt eines palästinensischen Ministers. Es hat durchaus schon Anschläge gegeben, bei denen jugendliche Palästinenser angegeben haben, auf diese Weise ihren Familien finanziell helfen zu wollen.

Israel wirft den Europäern immer wieder vor, mit den Hilfsgeldern diese finanzielle Förderung des Terrors zu fördern. Weder werden Bedingungen an die Zahlungen gestellt, noch werden die ausgezahlten Gelder an Terroristen von den europäischen Zuwendungen abgezogen. Zuletzt ist aber ein Umdenken auf EU-Ebene sichtbar geworden – zum Unmut der „Volksfront zur Befreiung Palästinas“.

Ungewisse Zukunft

Zynisch wurde nach dem Urteil das Hohen Gerichts gefragt, ob denn Israel nun auch behilflich sein müsse, das erwartete „Gehalt“ von Abu Bakar an dessen Familienangehörige weiterzuleiten.

Die Zukunft der Familien von Abu Bakar ist ungewiss, obgleich ihr Wohnhaus nun nicht zerstört wird. Es stellt sich heraus, dass die Ehefrau von Abu Bakar aus dem Westjordanland stammt. Nach deren Hochzeit erhielt sie eine „humanitäre“ Sondergenehmigung und durfte in das von Israel kontrollierte Jerusalem ziehen. Wenn aber ihr Mann wegen Terror im Gefängnis sitzt, entfällt das Argument der Familienzusammenführung. Die Frau und ihre Kinder müssen dann wieder in ihr Heimatdorf ziehen.

Die Methode, Häuser von Angreifern abzureißen, geht auf die britische Mandatszeit zurück. Großbritannien gab den Militärkommandeuren die Befugnis, jegliches Gebäude oder Grundstück zu zerstören, dessen Bewohner irgendeinen Regelverstoß begangen und dabei Gewalt angewandt hatten. Israel hat das Prinzip übernommen. Arabische Familien sind groß und leben mit mehreren Generationen in einem Haus. Deshalb sind oft viele Menschen von so einer Maßnahme betroffen.

Von: Ulrich W. Sahm

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