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Israel und Ukraine vereint im Gedenken und beim Handel

Nach einem holprigen Start trägt Netanjahus Besuch in der Ukraine doch noch Früchte. Kommentatoren glauben, dass die Visite insbesondere eine Botschaft an potentielle ukrainischstämmige Wähler darstellt.
Benjamin Netanjahu mit seiner Frau Sara und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij (v.l.n.r.)

KIEW (inn) – Benjamin Netanjahu hat als erster israelischer Regierungschef nach 20 Jahren die Ukraine besucht. Kommentatoren sehen darin die Absicht, ukrainischstämmige Israelis als Wähler zu gewinnen. Die Neuwahlen stehen am 17. September an. Vor seiner Abreise hatte Netanjahu betont: „Wir haben hunderttausende israelische Bürger aus der Ukraine, die eine lebendige Brücke zwischen unseren beiden Ländern bilden.“ Spekulationen über Wahlkampf-Taktiken trat er jedoch entgegen. Der Besuch sei zu einer Zeit angesetzt worden, als noch keine Neuwahlen beschlossen waren. Bei seinen Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij ging es unter anderem um Handelsfragen und die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt.

Zu Beginn der Reise hatte Ehefrau Sara Netanjahu für Turbulenzen gesorgt. Zeitungsberichten zufolge musste sie vom Sicherheitspersonal daran gehindert werden, ins Cockpit des Flugzeugs zu stürmen. Grund für ihre Wut war, dass der Pilot sie angeblich nicht namentlich über die Lautsprecherdurchsage begrüßt hatte.

Beim Empfang auf dem Kiewer Flughafen am Sonntagabend schockierte sie dann die Gastgeber. Mädchen in Trachten boten dem Ehepaar zur traditionellen Begrüßung Brot und Salz dar. Während Benjamin Netanjahu ohne Umstände einen Bissen Brot aß, ließ seine Frau ihr Stück achtlos auf den Boden fallen. Ukrainische Medien bezeichneten den Vorgang als Skandal. Der israelische Premier veröffentlichte daraufhin ein Video, in dem er beteuerte, das Verhalten seiner Frau drücke keineswegs Verachtung gegenüber der Ukraine aus. Und immerhin habe sie zu Ehren des Gastlandes ein gelbes Kleid getragen.

Israel als Bollwerk gegen Judenvernichtung

Am Montag traf Netanjahu den ehemaligen Komiker und heutigen Präsidenten der Ukraine, Selenskij. Dieser sagte: „Wir als Staat können von Israel viel lernen, besonders bei Fragen der Sicherheit und Verteidigung, und genau das werden wir tun.“ Zugleich dankte Selenskij Israel für die Unterstützung beim Kampf gegen Separatisten im Donbass und für die Nicht-Anerkennung der russischen Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim.

Israel pflegt gute Kontakte sowohl zur Ukraine als auch zu Russland. Laut anonymen Quellen der Onlinezeitung „Times of Israel“ sprachen Selenskij und Netanjahu über eine mögliche Vermittlerrolle Israels im Konflikt zwischen den Ländern. Noch sei die Zeit dafür aber nicht reif. Netanjahu wollte derartige Erwägungen gegenüber Journalisten nicht bestätigen.

An der Gedenkstätte von Babi Jar (Weiberschlucht) gedachten Netanjahu und Selenskij der dort von SS, Wehrmachtssoldaten und ukrainischen Kollaborateuren ermordeten Juden. Netanjahu sprach von einer dauerhaften Pflicht, sicherzustellen, dass es „kein weiteres Babi Jar“ geben wird und sagte: „Für die Menschheit ist Babi Jar ein Mahnmal. Für Juden ist es ein ewiger Imperativ – wir werden uns immer selbst verteidigen, gegen jeden erdenklichen Feind.“ Eine besondere Rolle maß er dabei dem jüdischen Staat zu: „Einst ein hilfloses Volk, das abgeschlachtet wurde, sind wir ein starker und stolzer Staat geworden.“ Das Massaker von Babi Jar kostete im Zweiten Weltkrieg über 33.000 Juden das Leben.

Keine Botschaftsverlegung, aber engere Kooperation

Im Zuge des Treffens sprachen die Politiker auch über das im Januar dieses Jahres vereinbarte Freihandelsabkommen zwischen den Ländern, das noch ratifiziert werden muss. Dieses sieht unter anderem vor, 80 Prozent der Zölle auf ukrainische Agrarprodukte abzuschaffen. Selenskij und Netanjahu wollen das Abkommen auf Dienstleistungen ausweiten.

Ein weiterer wichtiger Schritt war Selenskijs Zusage, in der Ukraine geborenen Israelis, die nach 1991 emigrierten, eine staatliche Pension zu zahlen. Davon könnten etwa 8.000 israelische Bürger profitieren. Selenskij sagte, er fühle dazu eine moralische Pflicht. Die beiden Länder hatten sich 2014 auf ein entsprechendes Abkommen geeinigt; eine Ratifizierung steht jedoch noch aus.

Außerdem vereinbarten die beiden, ein Hightech- und Investitionsbüro im jeweils anderen Land zu eröffnen. Die ukrainische Dependance soll in Jerusalem stehen. Die Tageszeitung „Jerusalem Post“ merkt an, dass die Ukrainer damit dem Beispiel Tschechiens und Australiens folgen, die Handelsbüros in Jerusalem eröffneten, ihre Botschaften jedoch in Tel Aviv beließen. Das Blatt fügt hinzu, dass eine Botschaftsverlegung wohl wegen der strikten Ablehnung von Seiten der Europäischen Union nicht in Frage kommen dürfte. Die Ukraine ist im Konflikt mit Russland stark auf die Europäer angewiesen und strebt langfristig einen Beitritt zur EU an.

Am Dienstag traf Netanjahu kurz mit dem ukrainischen Premierminister Wolodimir Groisman zusammen. Wie Selenskij ist auch Groisman Jude. Später, bei Gesprächen mit der jüdischen Gemeinde wurde der israelische Premier dem ukrainischen Juden Felix Gelfer vorgestellt. Dieser hatte sich, von Netanjahus Besuch inspiriert, kurz zuvor beschneiden lassen. Außerdem nahm er den Namen Jonatan an, zu Ehren von Netanjahus Bruder Joni Netanjahu, der 1976 als Teil eines israelischen Spezialkommandos bei einer Geiselbefreiung am Flughafen des ugandischen Entebbe getötet wurde.

Von: tk

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