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Rivlin und Tsipras prangern Antisemitismus an

In Griechenland pflanzt Staatspräsident Rivlin einen Baum auf dem Gelände des zukünftigen Holocaustmuseums. Premier Tsipras verspricht, Rassismus nicht hinzunehmen. Bewegend ist die Reise für eine israelische Abgeordnete mit griechischen Wurzeln.
Gegen das Vergessen: Rivlin in der jüdischen Gemeinde

ATHEN / THESSALONIKI (inn) – Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin hat am Dienstag in der griechischen Stadt Thessaloniki an der Grundsteinlegung für ein Holocaustmuseum teilgenommen. Er und Premierminister Alexis Tsipras pflanzten symbolisch zwei Olivenbäume. Das Museum wird von israelischen und deutschen Architekten gestaltet, wie die Onlinezeitung „Times of Israel“ berichtet. Es soll an einem ehemaligen Bahnhof entstehen, von dem aus während der Nazizeit 54.000 Juden in die Konzentrationslager deportiert wurden.

Rivlin sagte bei der Zeremonie: „Der Holocaust ist nicht nur eine jüdische Angelegenheit, er ist eine internationale Angelegenheit, die jede Nation und jedes Volk berührt. Auch hier in Griechenland ist er eine nationale Angelegenheit.“ Das Zentrum werde „ein Museum der Erinnerung und des Zeugnisses sein“. Tsipras versicherte, sein Land werde nie wieder unbeteiligter Zuschauer von Rassismus sein. Das Mahnmal werde ein Symbol dafür sein, dass Griechenland die Werte der Menschenrechte hochhalte. „Wir haben weder die Täter noch die Opfer vergessen – wir werden die Schatten nicht ignorieren“, ergänzte er mit Bezug auf neue Tendenzen von Antisemitismus und Rassismus in Europa.

Der 90 Jahre alte Auschwitz-Überlebende Heinz Kunio sagte: „Es ist sehr wichtig für Thessaloniki, für die jüdische Gemeinde und für die Menschheit, dass die Stadt ein Holocaustmuseum erhält.“ Vor dem Zweiten Weltkrieg waren etwa 40 Prozent der Bewohner jüdisch, von ihnen wurden 97 Prozent in der Scho’ah ermordet. Kunio gehörte zur ersten Gruppe griechischer Juden, die 1943 Auschwitz erreichte. Er wurde mit seiner Schwester und den Eltern in das Vernichtungslager deportiert. Alle vier überlebten dank ihrer Deutschkenntnisse – sie wurden im Lager als Dolmetscher eingesetzt.

Bürgermeister Yiannis Boutaris teilte mit, das Museum werde die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Griechenland und dem südwestlichen Balkan erzählen. „Es wird unsere Scham symbolisieren. Über das, was geschah, über das, was wir taten, und vor allem über das, was wir nicht tun konnten oder wollten … während und nach dem Krieg“, fügte er hinzu.

Kritik an Polen

Bereits am Montag hatte Rivlin bei einer Gedenkzeremonie der jüdischen Gemeinde von Athen gesprochen. Anlass war der Internationale Holocaustgedenktag, der am 27. Januar begangen wird. In seiner Rede kritisierte der Präsident den polnischen Gesetzesvorstoß zur Holocaust-Sprachregelung: „Diese Entscheidung erinnert uns daran, dass es uns immer noch auferlegt ist, für die Erinnerung an den Holocaust, so wie er geschah, zu kämpfen. Forschung zum Holocaust muss frei, offen und ehrlich sein.“ Man dürfe Geschichte nicht umschreiben. „Auch in der polnischen Nation gab es diejenigen, die den Nazis bei ihren Verbrechen halfen. Wir werden das nicht vergessen. Es gab auch andere unter ihnen, die kämpften, um die Leben von Juden zu retten, und als Gerechte unter den Völkern anerkannt wurden.“

Laut einer Mitteilung des Präsidialamtes rief Rivlin dazu auf, Antisemitismus und Fremdenhass in jeder Form zu bekämpfen. „Es gibt nicht so etwas wie: Israelis lieben und Juden hassen, oder Juden lieben, aber Israelis hassen“, betonte er.

Bei der Veranstaltung „7 in 70“ wurden indes in Rivlins Beisein sieben Menschen für ihre Beiträge zur Beziehung zwischen den beiden Ländern geehrt, die sie während der 70 Jahre der israelischen Unabhängigkeit geleistet hatten. Bei den Geehrten handelt es sich um sechs Griechen und den israelischen Botschafter in Griechenland.

Griechischstämmige Abgeordnete spricht im Parlament

Zur Delegation des Präsidenten gehörte auch die Knessetabgeordnete Ajelet Nahmias-Verbin (Zionistisches Lager). Sie leitet die israelisch-griechische Parlamentariergruppe. Ihre Großeltern Meir und Raschel Nahmias waren bereits im Januar 1933 mit einem Baby auf dem Arm von Thessaloniki über Ägypten nach Jaffa geflüchtet. Denn der zionistisch eingestellte Großvater war in einer Straße von Thessaloniki Opfer eines antisemitischen Vorfalls geworden. In den folgenden Jahren bemühten sie sich vergeblich, Angehörige der weitverzweigten Familie nachzuholen. Mindestens 100 von ihnen wurden von den Nationalsozialisten ermordet.

Nahmias-Verbin hielt am Montag vor dem griechischen Parlament eine Rede zum Gedenktag. „Wir stehen hier heute alle gemeinsam und sagen laut: Wir erinnern!“, zitiert sie die Tageszeitung „Yediot Aharonot“. „Wir erneuern unsere Verpflichtung zu der menschlichen Auffassung, dass kein Volk in der Welt unter Bedrohung von Rassismus, Hass und Angst vor kollektiver Vernichtung sein darf. Mehr als 74 Jahre sind vergangen, seit sich die Juden Griechenlands einem Grauen gegenüber sahen, und ich stehe heute hier vor den Mitgliedern des griechischen Parlaments, im Namen der griechischen Familien, die überleben konnten.“ Sie erzählte die Geschichte ihrer griechischen Vorfahren.

Insgesamt wurden 100.000 griechische Juden nach Auschwitz deportiert. Etwa 70.000 starben in der Scho’ah. Heute leben in Griechenland ungefähr 4.000 Juden.

Von: eh

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