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Möllemann-Kritikerin Hildegard Hamm-Brücher ist tot

Die langjährige FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher ist gestorben. Die gläubige Christin engagierte sich in der Kirche und im christlich-jüdischen Dialog.
Hildegard Hamm-Brücher, 1921–2016

MÜNCHEN (inn) – Mehr als fünzig Jahre war sie Mitglied in der FDP, dann trat sie wegen anti-israelischer Äußerungen des damaligen Partei-Vizes Jürgen Möllemann aus der Partei aus: Hildegard Hamm-Brücher ist am Mittwoch im Alter von 95 Jahren in München gestorben. Das gab die FDP Bayern am Freitag bekannt.
Hamm-Brücher kam am 11. Mai 1921 in Essen zur Welt, sie wuchs in Berlin auf. Mit zehn Jahren verlor sie die Eltern und lebte bei der Großmutter in Dresden. Mit 15 erfuhr die preußische Protestantin, dass sie nach den Rassegesetzen der Nazis „Halbjüdin“ ist. Ihre Großmutter brachte sich um, weil sie als Jüdin deportiert werden sollte. Hamm-Brücher war während ihres Chemiestudiums mit den Widerstandskämpfern rund um die Geschwister Scholl und der Gruppe „Weiße Rose“ befreundet. Sie habe damals gedacht: „Jetzt will ich dafür leben, wofür Freunde und Kommilitonen ihr Leben geopfert haben.“
1948 zog die promovierte Chemikerin für die FDP in den Münchner Stadtrat ein. Sie kandidierte 1994 für das Amt des Bundespräsidenten, doch im dritten Wahlgang opferte ihre Partei sie dem Koalitionskalkül, Staatsoberhaupt wurde Unionskandidat Roman Herzog. „Ich wusste, dass ich keine Chance hatte“, sagte sie dazu. „Aber manchmal hat man keine Chance und nutzt sie trotzdem.“ Hamm-Brücher war von 1976 bis 1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher. 14 Jahre saß sie im Bundestag. Über Jahrzehnte prägte Hamm-Brücher so die Politik der Liberalen.

Austritt wegen Anti-Israelismus

Nach 50 Jahren in der FDP gab Hamm-Brücher 2002 ihr Parteibuch ab – wegen anti-israelischer Äußerungen des damaligen Parteivizes Jürgen Möllemann. Möllemann hatte zum Beispiel im September jenes Jahres – während der „Zweiten Intifada“ und kurz vor der Bundestagswahl – ein Flugblatt für die nordrhein-westfälische FDP herausgegeben, mit dem er Israels Vorgehen gegen die Palästinenser kritisierte. Auf dem Flugblatt wird nur Israel an den Pranger gestellt.
Darauf zu sehen waren Bilder des damaligen israelischen Regierungschefs Ariel Scharon und des damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman. Möllemann stilisierte sich als Mann der klaren Worte: „Denn nur so kann die Gefahr eines Krieges im Nahen Osten gebannt werden, in den auch unser Land schnell hineingezogen werden könnte.“ Seit ihrem Parteiaustritt verstand sich Hamm-Brücher als „freischaffende Liberale“.

14 Jahre im Kirchentagspräsidium

2015 verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Doch trotz zweier Oberschenkelhalsbrüche, Gedächtnislücken und Gleichgewichtsstörungen verfolgte sie die Entwicklungen in der Politik weiter. „Mit ihr verliert Deutschland eine große liberale Persönlichkeit“, sagte der bayerische FDP-Landeschef Albert Duin.
Hamm-Brücher verliebte sich als junge FDP-Frau in den Fünfzigerjahren in einen verheirateten CSU-Politiker und bekam ein Kind von ihm. Ihre Schwangerschaft und das Neugeborene musste sie in Holland verstecken, um ihre Karriere und seine Scheidung nicht zu gefährden. Erst ein Jahr später konnten die beiden heiraten und offiziell eine Familie gründen.
Für die Grande Dame der FDP war der Glaube stets wichtig. Die Kirche solle nicht als Partei auftreten, sagte sie vor fünf Jahren in einem Interview des Evangelischen Pressedienstes (epd). „Sie muss Christen ermutigen, auch weltliche Verantwortung zu übernehmen“, betonte die liberale Politikerin.
Von 1974 bis 1988 gehörte Hamm-Brücher dem Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages an. Außerdem war sie Mitglied des Kuratoriums am Jüdischen Zentrum München.
Für ihr Engagement im christlich-jüdischen Dialog erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem die Moses-Mendelssohn-Medaille. In einem Interview des „Tagesspiegel“ sagte Hamm-Brücher, der Glaube an Gott sei für sie „immer ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen die Verzweiflung“. (js/df)Westerwelle: „Deutschland bleibt bester Freund Israels“ (inn)
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