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„Bundesregierung muss sich zwischen Israel und Iran entscheiden“

Der Hamburger Politikwissenschaftler Matthias Küntzel sieht das Atomabkommen mit dem Iran skeptisch. Im Gespräch mit Israelnetz wirft er der Bundesregierung vor, gegenüber dem Iran zu nachsichtig gewesen zu sein.
Historiker und Politikwissenschaftler Matthias Küntzel ist skeptisch hinsichtlich der Entwicklung von Atomprogrammen in Ländern der islamischen Welt

Israelnetz: Herr Küntzel, welche Ziele verfolgen die USA mit dem Atomabkommen mit dem Iran, wenn es so heikel ist?

Matthias Küntzel: Illusorische Ziele. Das Problem war, dass die jetzige US-Regierung niemals die Signale ernst genommen hat, die aus Teheran selber kamen und zwar vom Revolutionsführer. Der Iran hat sich in der Tat äußerlich gewandelt durch den Wechsel von Mahmud Ahmadinedschad zu Hassan Rohani. Das wurde missverstanden als die Bereitschaft zu einer Öffnung des ganzen Landes. Jetzt, wo der Deal praktisch abgeschlossen ist, merkt man, dass das Resultat, also die Öffnung des Landes für die internationale Gemeinschaft, überhaupt nicht eintritt. Im Gegenteil. Die Hardliner im Iran fühlen sich bestärkt, noch härter zuzuschlagen als vorher. Sowohl nach innen gegen die eigene Opposition, die furchtbar leidet, als auch nach außen, wo der Iran eben seine schiitischen Milizen in alle möglichen Länder schickt, um diese zu destabilisieren. Insofern ging da eine Rechnung einfach nicht auf.

Haben auch strategische Ziele der USA eine Rolle gespielt?

Es lag nach meiner Beobachtung durchaus auch im Interesse der USA, mit der Vormachtstellung des Iran die Region insgesamt zu stabilisieren. Aber dieses Ziel basierte auf einem sehr oberflächlichen Blick. Der iranische Außenminister Mohammed Sarif sieht nett aus und kennt die Gepflogenheiten der Amerikaner. Der Mann, ich habe ihn selber erlebt, wirkt wie ein iranischer Gorbatschow mit seinen Allgemeinplätzen. Man hat einfach vergessen, dass die Musik ganz wo anders gespielt wird, nämlich beim Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei und bei seinen Revolutionsgarden. Man hat sich täuschen lassen durch diese Kulisse, die vor diesen Revolutionsgarden aufgebaut worden ist. Was dahinter ist, hat man vergessen zu beachten.

Welche Haltung hätten Sie in den Verhandlungen von unserer Bundesregierung erwartet?

Ich hätte zunächst von der Bundesregierung erwartet, dass sie die Sanktionsmaßnahmen wirklich ernsthaft betreibt. Das war in meinen Augen nie wirklich der Fall. Die Lufthansa flog beispielsweise die ganze Zeit über nach Teheran. Es gab nach UN-Recht die Möglichkeit, dass man die Verkehrswege einschränkt und damit Druck ausübt, bis das Regime sich wirklich gezwungen sieht, Zugeständnisse zu machen. Was wir erlebt haben, das tat ein bisschen weh, aber es war nicht wirklich hart für das Regime. Dort hat man weiterhin Geschäfte mit Öl machen können. Die Revolutionsgarden haben über das Schmuggelgeschäft sogar Extra-Milliarden verdient. Als dann die Verhandlungen liefen, hätte man ehrlich sein müssen. Da wurde auch nach außen hin immer wieder Optimismus kommuniziert und niemals wirklich Klartext gesprochen. Diese doppelte Ebene bricht dann irgendwann auf. Diesen Punkt haben wir mittlerweile erreicht. Die Bundesregierung schweigt nur noch zu dem, was jetzt der Revolutionsführer erklärte: Dass er den Deal nicht akzeptiert.

Wir feiern gerade 50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen auf diplomatischer Ebene. Wie hat sich der Atomdeal mit dem Iran auf die deutsch-israelischen Beziehungen ausgewirkt?

Es ist ja nicht so, dass es erst jetzt mit diesem Deal begonnen hat. Es war schon in den letzten zehn Jahren eine janusförmige Politik. Deutschland wollte der privilegierte Partner Israels bleiben, und zugleich der privilegierte Partner des Iran. Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren hat Ahmadinedschad seine Rede gehalten, Israel solle von der Landkarte radiert werden. Darauf hat die Bundesregierung nicht ernsthaft reagiert.

Hat man das auch in Israel so registriert?

Das hat man natürlich auch in Israel wahrgenommen. Einerseits hat Deutschland an Israel U-Boote geliefert und wichtige Dinge zur Verteidigung Israels beigetragen. Andererseits hat Deutschland viele Waren in den Iran geliefert. Man hat beide Klienten bei Laune gehalten. Irgendwann muss das aufbrechen und es muss eine Entscheidung gefällt werden, auf welcher Seite man stehen will. Es kann sein, dass dieser Punkt noch kommen muss für die Bundesregierung.

Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass der Iran auch kurzfristig zu einer Atombombe gelangen könnte?

Man weiß das nicht, weil man nicht durchblickt, was da wirklich produziert wird. Das, was man an Anlagen gefunden hat, das waren alles vorher Geheimanlagen. Man weiß nicht, wie stark die Zusammenarbeit mit Nordkorea läuft. Sind die Iraner schon beim nächsten Atomtest in Nordkorea mit dabei? Ist das vielleicht schon iranisches Material, das dort in Nordkorea getestet wird? Da sind so viele Fragen offen. Es handelt sich um ein Gebiet, um das besonders hohe Mauern der Geheimhaltung gezogen sind. Eine zuverlässige Antwort ist unmöglich. Es ist besser, die Vorstellungskraft so auszuweiten, dass man vom Schlimmeren ausgeht.

Sie bleiben also weiter skeptisch?

Ich möchte an den 7. Juni 1981 erinnern. An diesem Tag zerstörte die israelische Luftwaffe den irakischen Kernreaktor Osirak von Saddam Hussein. Das Gebiet, auf dem sich dieser Reaktor befand, ist heute in der Hand der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS). Wir müssen uns in der westlichen Welt schon die Frage stellen: Was geschieht, wenn der IS die Möglichkeit in die Hände bekommt, eine Nuklearwaffe zu entwickeln? Diese Frage müssen wir uns aber auch hinsichtlich des Iran stellen. Die Extremisten dort teilen die gleiche Ideologie wie der IS. Die Interpretationen des Koran sind bei allen islamistischen Organisation und Staaten nahezu identisch – von den Muslimbrüdern, über die Hisbollah bis hin zum IS und dem Iran. Deren Ideologie ist dadurch gekennzeichnet, dass Allah die über alles entscheidende und über allem stehende Instanz ist. Ziel aller islamistischen Gruppierungen und Staaten ist, weltweit die Scharia einzuführen sowie natürlich die Vernichtung Israels. Das muss man einfach sehen. Ich bleibe skeptisch.

Herr Küntzel, vielen Dank für das Gespräch!

Matthias Küntzel steht in enger Verbindung zum „Vidal Sassoon International Centre for the Study of Antisemitism“ (SISCA) der Hebräischen Universität in Jerusalem. Als Kenner internationaler Sicherheitspolitik und des mittleren Ostens publizierte er unter anderem für die israelische Tageszeitung „Jerusalem Post“, für „Spiegel Online“ und die Tageszeitung „Die Welt“. Der Historiker und Politikwissenschaftler rechnet die Entwicklung von Atomprogrammen in Ländern der arabischen Welt, die ähnliche Werte vertreten wie islamistische Terrorgruppen, zu den größten Herausforderungen unserer Zeit.

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