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Persönliches Gedenken „aus tiefem Herzen“

Israelische und polnische Politiker haben am Montag in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau der Opfer der Schoah gedacht. Anlass war der Internationale Holocaustgedenktag. In einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung sprach unter anderen der Filmregisseur Steven Spielberg.
Fast die Hälfte der Knesset-Abgeordneten war für die Gedenkveranstaltung nach Auschwitz gereist.

Am 69. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz kamen 54 der 120 Knesset-Abgeordneten in das ehemalige Konzentrationslager in Polen. Zu den 170 Mitgliedern der israelischen Delegation gehörten auch Überlebende der Judenvernichtung. Zu den Israelis gesellten sich polnische Minister und Parlamentarier. Die Gedenkveranstaltung wurde im ältesten Teil des Komplexes abgehalten, nahe der „Todeswand“, wo die SS-Offiziere einst KZ-Häftlinge zu erschießen pflegten.
Der israelische Oppositionsführer Jitzhak Herzog erinnerte an seine Tante, die im Alter von 20 Jahren nach Auschwitz deportiert worden war. Laut einer Mitteilung der Knesset ergänzte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitspartei: „Wir sind hierhergekommen, um die verschmutzte Luft in uns einzuatmen, aus dem Giftbecher zu kosten, den Schmerz zu spüren.“ Die anwesenden Israelis seien als Vertreter einer Nation in der Gedenkstätte, „die ihren Weg macht auf einer tiefen und zermürbenden Reise, einer Reise zu den Abgründen des Bösen und zu den Grundlagen der jüdischen und der menschlichen Existenz“. Herzog rief die internationale Gemeinschaft auf, gegen Antisemitismus zu kämpfen und mit Nachdruck gegen Verbrechen gegen die Menschheit vorzugehen.
Weitere israelische Politiker erinnerten an Angehörige, die Opfer des Holocaust geworden waren. Die Meretz-Abgeordnete Michal Rosin äußerte sich stolz über ihren Vater, der sieben Lager überlebt hatte. Auf der berühmten „Exodus“ gelangte er 1948 nach Israel, wurde Arzt, veröffentlichte Gedichtbände und erlebte noch seine Urenkel.
Der stellvertretende Minister für religiöse Angelegenheiten, Eli Ben Dahan (HaBait HaJehudi) sprach vom Großvater seiner Mutter, einem Rabbiner. Dieser sei in der Gewissheit gestorben, dass Juden immer Juden bleiben würden. Das Kabinettsmitglied fügte an: „Ich erinnere mich der Worte meiner Schwiegermutter, die meine Töchter jahrelang lehrte, dass wir nie nach Polen reisen dürften, in dieses unreine Land. Sie war selbst in Auschwitz. Seitdem ist sie nicht zurückgekehrt. Andererseits bin ich jetzt als stellvertretender Minister hier, als Knessetabgeordneter, als Vertreter der israelischen Regierung. Es gibt keine größere Rache. Wir sind hier, um die Welt zu lehren, dass wir leben. Hier kann man dies tief in seiner Seele fühlen.“
Die stellvertretende Innenministerin Faina Kirschenbaum (Israel Beiteinu) teilte mit, ihr Schwiegervater habe nur noch 35 Kilogramm gewogen, als er aus Auschwitz befreit wurde.

„Stolze Bürger eines demokratischen Staates“

Der mitgereiste Schoah-Überlebende Noah Klieger erzählte: „Am Tag, an dem die Truppen der Roten Armee einmarschierten, waren wir auf einem Todesmarsch. Die Deutschen, die sich vor dem Angriff der Roten Armee zurückzogen, nahmen 57.000 von den letzten Überlebenden des Lagers Auschwitz mit, um sie in Lagern arbeiten zu lassen. Sie waren in Lastwagen und Fahrzeugen unterwegs. Wir wurden gezwungen, zu Fuß in einem Tempo zu gehen, das keiner von uns durchhalten konnte. Wer es nicht schaffte, wurde erschossen.“
Weiter sagte Klieger: „Heute, 69 Jahre nachdem wir diese Hölle verlassen haben, deren Name Auschwitz ist, sind wir hier als stolze Bürger des neuen Staates, der auf den Trümmern der europäischen Judenheit errichtet wurde. Ein starker, demokratischer, liberaler und entwickelter Staat. Wir sind stolz, heute hier zu sein und danken der Knesset, dass sie diese Reise ermöglicht hat.“

Israelisch-polnische Parlamentssitzung in Krakau

Im Anschluss an die Gedenkstunde hielten israelische und polnische Abgeordnete eine historische gemeinsame Sitzung im nahe gelegenen Krakau ab. Dort wies Richter Eljakim Rubinstein vom Obersten Gerichtshof auf eine Besonderheit der Beziehung zu Auschwitz hin: „Vielleicht haben Sie bemerkt, dass die Israelis alle ähnliche Geschichten erzählen“, sagte er den polnischen Politikern nach Angaben der Online-Zeitung „Times of Israel“. „Die persönlichen Familiengeschichten, sie sind nicht koordiniert. Sie kommen aus tiefem Herzen, aus der DNA unserer Erfahrung.“ Rubinstein hat selbst zahlreiche Angehörige während der Schoah verloren.
Als die israelischen Gäste wieder von Polen aufbrechen wollten, gab es eine unerwartete Verzögerung. Aus Sicherheitsgründen war die Delegation in zwei Flugzeugen angereist. Eine Maschine der Gesellschaft „Israir“ konnte jedoch aufgrund technischer Probleme am Montagabend nicht vom Militärflughafen in Krakau starten. An Bord befanden sich unter anderen Wirtschaftsminister Naftali Bennett und Oppositionsführer Herzog. Sie mussten erst auf ein Ersatzflugzeug warten, bevor sie die Rückreise antreten konnten. Dies berichtet die Tageszeitung „Yediot Aharonot“.

Prosor: „Juden wurden wie kein anderes Volk verfolgt“

Bei den Vereinten Nationen in New York gab es anlässlich des Gedenktages eine Sondersitzung. Der israelische UN-Botschafter Ron Prosor sagte in seiner Ansprache: „Das jüdische Volk ist gequält, exiliert und verfolgt worden wie kein anderes Volk in der Geschichte – aber wir haben nie aufgegeben. In den Ghettos und Konzentrationslagern haben Juden Schulen und Synagogen eingerichtet. Sie feierten Feste und Hochzeiten. Sie machten Musik, sangen und tanzten, selbst als der Tod überall aufragte. Das jüdische Volk hat überlebt, weil mutige Männer und Frauen für das aufstanden, was richtig war und ihr eigenes Leben riskierten, um andere zu retten.“
Der Botschafter fügte hinzu: „Aus der Asche des Holocaust und den Tiefen der Verzweiflung ist das jüdische Volk zu seiner alten Heimstätte zurückgekehrt; es hat wieder Unabhängigkeit gewonnen; Schulen und Krankenhäuser gebaut; die Wüste zum Blühen gebracht; und eine starke und pulsierende Gesellschaft aufgebaut.“ Das jüdische Volk wolle Frieden. „Aber die Geschichte hat gezeigt, dass wir uns nicht auf andere verlassen können, um uns zu verteidigen.“ Fast 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust sei die Welt immer noch von Vorurteilen geplagt. „Antisemitismus wird durch Regierungen, Lehrer und religiöse Führer gefördert.“
Regisseur Spielberg gewährte in der Sitzung Einblick in seine Arbeit für den Film „Schindlers Liste“. Während der Vorbereitungen habe er Opfer der Schoah interviewt. Auch dadurch habe er eine Plattform anbieten wollen für eine Hoffnung von Überlebenden, die man häufig antreffe: gehört, geglaubt und verstanden zu werden. „Ich habe Jahre gebraucht, in denen ich Regie bei Filmen über Haie, Außerirdische und Dinosaurier geführt habe, bevor ich mich bereit fühlte, den Holocaust anzugehen.“
Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Nationalsozialismus gab es am Montag auch im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag.
Das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurde am 27. Januar 1945 von Soldaten der Roten Armee befreit. Deshalb ist an diesem Datum der Internationale Holocaustgedenktag. Israel hat seinen eigenen Jom HaSchoah, der sich nach dem jüdischen Kalender richtet und im Zusammenhang mit dem Warschauer Ghettoaufstand steht. In diesem Jahr wird er am 28. April begangen.

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