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Der Mossad, die Nazis und die Raketen – Showdown am Nil

Wie Ex-Nazis in den 1960er Jahren Ägypten bei der Entwicklung eines Raketenprogramms geholfen haben, thematisiert eine interessante ARD-Dokumentation. Bizarr ist nur, dass die damaligen Gegenmaßnahmen des Mossad als unmoralisch und die Deutschen als Opfer dargestellt werden – stellt Nahostkorrespondent Ulrich W. Sahm fest.
Die Dokumentation „Der Mossad, die Nazis und die Raketen“ lief am Montag in der ARD

„Spiegel-TV“ hat mit dem anerkannten israelischen Geheimdienstexperten Ronen Bergman einen bemerkenswerten Film gemacht, der am Montag in der Nacht ab 23:30 Uhr bei der ARD gelaufen ist. Es geht in der Dokumentation „Der Mossad, die Nazis und die Raketen“ um die Beteiligung deutscher Experten an der Entwicklung eines Raketenprogramms für Ägypten in den 1960er Jahren.

Für den Film standen Bergman neu zur Veröffentlichung freigegebene geheime Dokumente des Mossad, also des israelischen Auslandsgeheimdienstes, zur Verfügung. Das Thema beschäftigt schon seit vielen Jahren Bergman und die Historiker. Nur so erklärt sich, dass den Filmemachern Interviews mit verstorbenen israelischen Politikern wie Schimon Peres und Geheimdienstleuten zur Verfügung standen.

Angemerkt sei hier, dass es geschmacklos ist, hinter den Namen der verstorbenen Juden ein Kreuzzeichen zu setzen, um zu zeigen, dass sie tot sind. Eine elegantere Lösung wäre es gewesen, hinter ihren Namen ihre Lebensdaten, also die Jahreszahlen, zu setzen. Der Film ist allein wegen der gezeigten bislang unbekannten Informationen spannend und wäre weiterer Analysen wert.

Eigenartige Gewichtung

Doch unproblematisch ist die von „Spiegel-TV“ vorbereitete Darstellung der Vorgänge nicht. Es geht um deutsche Raketenexperten, die ihr „Handwerk“ während des Zweiten Weltkriegs beim Bau der V-2 Rakete erlernt haben und nach dem Ende des Krieges in der von Amerikanern, Franzosen und Briten besetzten Bundesrepublik Deutschland „arbeitslos“ geworden waren. Deutschland durfte zunächst kein Militär besitzen und auch keine Waffen herstellen.

Für diese deutschen Ex-Nazis, SS-Obersturmbannführer und Beteiligte an der Judenvernichtung Hitlers kam die Einladung des ägyptischen Präsidenten Gamal Adbel Nasser wie gerufen. Der überschüttete sie mit Geld und Vergnügen, damit sie für Ägypten Raketen bauen. Hierzu gibt es im Film einige fragwürdige Einstellungen und Behauptungen. Waren diesen Deutschen wirklich derart blauäugig, dass sie die Absichten der Ägypter nicht gesehen haben? Waren sie wirklich so überrascht, als Nasser Attrappen dieser Raketen bei einer Militärparade präsentierte?

Ägypten stand an der Vorderfront arabischer Staaten, die wenige Jahre zuvor, 1948, den gerade erst gegründeten jüdischen Staat vernichten wollten. Die anti-israelische Propaganda lief auf Hochtouren. Und es „kam“ nicht zufällig 1967 zum Sechs-Tage-Krieg, wie im Film behauptet. Dem gingen intensive ägyptische Kriegsdrohungen und Vorbereitungen voraus, darunter die Sperrung der Meerenge von Tiran (eine Blockade des Hafens von Eilat und der Ölzufuhren nach Israel) und ein Abzug der UNO-Beobachter entlang der Sinai-Grenze zu Israel.

Aus israelischer Perspektive problematisch

Es ist ziemlich unvorstellbar, dass die Deutschen tatsächlich glaubten, nur für das Spaßvergnügen Nassers Raketen zu bauen, zu testen und dafür fürstlich belohnt zu werden. Fragwürdig sind deshalb auch einige Behauptungen der interviewten Israelis. Da wird als „Bluff“ bezeichnet, dass die Raketen der Ägypter jeden Punkt in Israel erreichen und angeblich auch atomar bestückt werden könnten. Der Kampf des Mossad, vor allem gegen die deutschen Experten, wird als fehlgeschlagene Aktion dargestellt.

Gewiss gab es auch unter den Israelis Meinungsverschiedenheiten und politische Differenzen. Aber im Rückblick war es wohl für Israel sehr problematisch, dass ausgerechnet Deutsche kurz nach dem Ende der Scho’ah und der Befreiung von Auschwitz nun an einem arabischen Projekt mitarbeiteten, die überlebenden Juden in ihrem Staat Israel auszulöschen. Im Film werden aber vor allem die Folgen der israelischen Briefbomben und die Verletzungen der Mitarbeiter des Raketenprojekts hervorgehoben. Die erzeugen Mitgefühl des Zuschauers und führen unweigerlich zu einer Verurteilung der illegalen wie unmoralischen Methoden des Mossad: Da wurde ein deutscher Experte entführt und ermordet. Ebenso wurde eine Sekretärin schwer verletzt durch eine Briefbombe.

Mit keinem Wort und keinem Bild wird dargestellt, was wohl passiert wäre, wenn die Deutschen tatsächlich erfolgreich fliegende Raketen gebaut und die Ägypter sie für ihren Krieg gegen Israel mitsamt atomaren oder chemischen Komponenten eingesetzt hätten. Die Dokumentation „Der Mossad, die Nazis und die Raketen“ ist ein interessanter Film mit vielen neuen Erkenntnissen, der aber politisch nur die Absicht verfolgt, die deutschen Raketentechniker als harmlose, politisch naive Fachleute darzustellen, während die Hetzjagd des Mossad als sinnloses politisches Spiel mit tragischen Folgen für die ach so unschuldigen ehemaligen SS-Leute und anderen Ex-Nazis vorgestellt wird.

Viel ausgeblendet

Wer auch nur kurze Zeit in einem arabischen Land unterwegs ist, kann sich des offenen Antisemitismus und Judenhasses in der arabischen Gesellschaft nicht entziehen. Hitler ist – bis heute! – ein Held auf der arabischen Straße. Das weiß jeder Deutsche, der auch nur kurze Zeit in Ägypten oder Syrien unterwegs war. Wieviel mehr muss das in den 1950er und 1960er Jahren der Fall gewesen sein.

Der Film moralisiert also, blendet aber fast völlig aus, welche Folgen die Kriegsabsichten der Ägypter für die Juden, also für Israel, gehabt haben könnten. Entscheidend ist dabei, dass es wieder mal Deutsche waren, die an der beabsichtigten Vernichtung Israels und des jüdischen Volkes aktiv beteiligt waren. Das wird stärker ausgeblendet und führt dazu, dass hier potenzielle deutsche Massenmörder entlastet und der israelische Mossad zu einem abscheulichen Mörderverein gemacht wird.

Die Dokumentation „Der Mossad, die Nazis und die Raketen“ ist bis zum 29. Januar in der Mediathek der ARD anzusehen.

Von: Ulrich W. Sahm

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