Suche
Close this search box.

TU BiSchvat – das Neujahrsfest der Bäume

Am 25. Januar feiern die Israelis das diesjährige „Neujahrsfest der Bäume“, „TU BiSchvat“. Traditionell werden zu diesem Fest Bäume gepflanzt.
Die Natur erwacht: Deshalb stehen die Mandelblüten in ganz besonderer Weise für „TU BiSchvat“ als eine Art Frühlingsfeier aus Freude über die ersten Baumknospen
„Wenn ihr in das Land kommt, sollt ihr allerlei Bäume pflanzen!“ (3. Mose 19,23). Dieses Gebot hat Gott dem Volk Israel durch Mose schon während der Wüstenwanderung, vor dem Einzug ins Gelobte Land, gegeben. Es kann aber, wie so viele andere Gebote, ausschließlich im Land erfüllt werden. „TU BiSchvat“, das so genannte „Neujahrsfest der Bäume“, ist heute die Gelegenheit, dieses Gebot zu erfüllen. Die Schüler bekommen zu diesem offiziellen Frühlingsbeginn ihre Halbjahreszeugnisse. Vor allem aber laden Schulen in Israel Eltern und Schüler an diesem Tag ein, die Flora ihres Heimatlandes besser kennenzulernen. Ganze Schulklassen ziehen aus, um Bäume zu pflanzen. Der hebräische Buchstabe „Tet“ hat den Zahlenwert „9“, der Buchstabe „Waw“ steht für „6“. Gemeinsam stehen „Tet“ und „Waw“ für „15“ und werden zusammen als „TU“ gelesen. „TU BiSchvat“ ist also „der 15. Tag im Schvat“. „Schvat“ heißt der fünfte Monat im jüdischen Kalender, der in die Monate Januar und Februar des gregorianischen Kalenders fällt. Im Land Israel ist das der Übergang vom Winter zum Frühling. In dieser Zeit fällt der meiste Regen. „Sein Eimer fließt von Wasser über“, prophezeite der Seher Bileam, was zur Folge hat: „und seine Saat hat Wasser die Fülle“ (4. Mose 24,7). Die Natur erwacht. Die Bäume schlagen aus. Als Erstes blühen die Mandelbäume, weiß bis zart rosa. Deshalb stehen die Mandelblüten in ganz besonderer Weise für „TU BiSchvat“ als eine Art Frühlingsfeier aus Freude über die ersten Baumknospen.

Zehnten der Früchte festlegen

„TU BiSchvat“ ist in der jüdischen Tradition ein „Halbfeiertag“, weil seine Einhaltung nicht in der Bibel geboten wird und er auch im Talmud kaum erwähnt wird. Fasten, als Ausdruck der Trauer, ist an diesem Tag nicht erlaubt. Im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung wählte die Gelehrtenschule „Bet Hillel“ den 15. Schvat als „Neujahr der Bäume“, um den Zehnten der Früchte für ein Jahr festlegen zu können. Die Frucht derjenigen Bäume, die nach dem 15. Schvat blühen, wird also im folgenden Jahr besteuert. Die Bestimmung war den Rabbinern deshalb wichtig, weil man in einigen, eher tropischen Regionen des Landes Israel manche Früchte fast das ganze Jahr über anbauen und ernten kann. Das Datum wurde gewählt, weil vor dem 15. Schvat im Land Israel der meiste Regen des Jahres fällt. In der sephardischen Tradition Südeuropas, Asiens und Nordafrikas entwickelte sich „TU BiSchvat“ zu einem „Fest der Früchte“ mit einer speziellen Gottesdienstordnung. Ausgehend von der nord-galiläischen Stadt Safed, wo seit dem 13. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde blühte, breitete sich dieser Brauch aus in die Türkei, nach Italien und Griechenland, nach Asien und Nordafrika.

Liturgie wie beim Passahfest

Aus dem 17. Jahrhundert ist ein „Seder TuBiSchvat“ erhalten, eine Liturgie für das „Neujahrsfest der Bäume“. Im Rahmen dieser Liturgie trank man vier Kelche Wein, wie beim Passahmahl. Diese Kelche sollen für die vier Jahreszeiten stehen. Gebete aus der Torah , den Propheten und der Mischna werden gelesen. Man isst die Früchte des Landes Israel, besonders die so genannten „sieben Arten“ des Landes Israel, die Mose schon vor dem Einzug in das Land Israel erwähnte: „Der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, […] ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt“ (5. Mose 8,7f.). Der „Honig“ wird dabei meist als Dattelhonig gedeutet. Während des Essens wurden der Psalm 104 und die 15 Wallfahrtspsalmen (120–134) rezitiert. In den aschkenasischen Gemeinden Europas war es Sitte, an diesem Tag 15 verschiedene Arten von Früchten zu essen. Dabei wurde natürlich den Früchten, für die das Land Israel schon in biblischen Zeiten berühmt war, eine besondere Bedeutung beigemessen: Trauben, Feigen, Granatäpfel, Oliven und Datteln. Aber vielfach war „TU BiSchvat“ nicht mehr als ein besonderer Eintrag im Kalender. Der bekannte deutsche Rabbiner Samson Raphael Hirsch erwähnt das „Neujahrsfest der Bäume“ in seinem 500 Seiten starken Buch „Choreb oder Versuche über Jissraels Pflichten in der Zerstreuung“ aus dem Jahre 1838 nicht ein einziges Mal.

Erwartung eines geistlichen Frühlings

Einer Tradition zufolge ist der Monat Schvat Beginn eine Zeit der Erneuerung für den Einzelnen, aber auch für die ganze Gemeinde. Mit dem Ende des Winters beginnt neues Leben zu sprießen. Das gilt für die „Winterzeiten“ des einzelnen Menschen, aber auch für das jüdische Volk als Ganzes, das sich seit etwas mehr als einhundert Jahren nach dem Winter der weltweiten Diaspora in das Land Israel sammelt. Gläubige Juden erwarten nach dem nationalen und geistlichen Winter auch einen geistlichen Frühling. So hat „TU BiSchvat“ eine hohe Aktualität, wenn in der Gegenwart nicht nur viele jüdische Menschen in ihr Land zurückkehren, sondern auch ihre geistigen und kulturellen Wurzeln neu entdecken und schätzen lernen. Das Volk kehrt heim zur Torah, der Weisung, dem Wort des Gottes Israels. Dabei wird auch nicht übersehen, dass zunehmend Nichtjuden die Entwicklungen in und um das Volk und Land Israel bemerken. Man erkennt, wie sich die Vision des Propheten Jesaja erfüllt, der die nichtjüdischen Völker sagen hört: „Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen!“ (Jesaja 2,3; Luther 84). Mit dem Beginn der Rückkehr des jüdischen Volkes in das Land Israel Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch das Bäumepflanzen wieder aufgenommen. 1890 pflanzte der Lehrer und Dichter Seev Jabetz erstmals mit einer Gruppe von Schülern in dem Städtchen Sichron Jaakov am 15. Schvat im Rahmen einer Feier neue Bäume. 1908 ernannte die Lehrergewerkschaft diesen Tag zum offiziellen Baumpflanzfest und später übernahm der Jüdische Nationalfonds „Keren Kajemet LeIsrael“ die Idee. Wie kein anderes Fest symbolisiert „TU BiSchvat“ die Neubelebung und Befreiung des Landes, die Eroberung und Begrünung der Wüste. Hunderttausende von Setzlingen werden jedes Jahr für diesen Tag vorbereitet, hauptsächlich Zypressen, Zedern, Kiefern, Eichen und Eukalyptusbäume. Die Eukalyptusbäume stammen aus Australien und sind am größten, können sich aber nicht selbst aussamen. In einer Höhe von zwanzig Metern werden ihre Früchte gesammelt, aus denen dann die Samen gewonnen werden.

„TU BiSchvat“ ist Geburtstag der Knesset

Während die jüdischen Kinder in der Diaspora an diesem Tag schulfrei hatten, ist er heute im jüdischen Staat Israel voller Aktivitäten. Schüler, Soldaten, Familien und Touristengruppen treffen sich zum Bäumesetzen. Es werden „TU BiSchvat“-Lieder gesungen und es wird viel getanzt. Und natürlich nutzt der Jüdische Nationalfonds den Anlass weltweit, um für sein Anliegen des Bodenerwerbs und der Aufforstung in Israel zu werben. Übrigens ist „TU BiSchvat“ auch der Geburtstag der Knesset, des israelischen Parlaments, das genau an diesem Tag im Jahr 1949 gegründet wurde. Den Geburtstag haben israelische Politiker am Dienstag mit einer Talentshow gefeiert. Ein Baum ist im Nahen Osten nichts Selbstverständliches und „TU BiSchvat“ deshalb eine Gelegenheit, sich an die Vorzüge der Bäume zu erinnern. Das betrifft nicht nur die Obstbäume, sondern Bäume überhaupt. Jeder, der in heißen Zonen wohnt, weiß das wertvolle und lebensnotwendige Geschenk der Bäume zu schätzen, deren erste „Frucht“ der Schatten ist. Bäume schützen nicht nur vor der Sonne, sondern auch vor Stürmen, speichern das Regenwasser und beleben den Erdboden. Beim Pflanzen der Bäume wird ein Gebet rezitiert. Man bittet den Vater im Himmel, sein Volk und sein Land zu segnen. Man bittet um Regen und Tau, um Segen für alle Pflanzen und die neu gesetzten Bäume im Besonderen. Außerdem heißt es da: „Verwurzele auch uns im Land der Väter, segne uns, damit wir mit diesen Bäumen wachsen und durch uns alle Völker der Erde gesegnet werden.“

Baum und Mensch im Vergleich

Die rabbinische Tradition verweist darauf, dass die Heilige Schrift vielfach den Menschen mit einem Baum vergleicht. So wird von dem, der die Torah studiert, gesagt, er sei „wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht“ (Psalm 1,3). Der Prophet sagt für die Zukunft voraus: „Die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes“ (Jesaja 65,22). Und am Schabbat wird gesungen: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon“ (Psalm 92,13). Im biblischen Denken haben Bäume und Menschen viel Gemeinsames. Sie haben Wurzeln und bringen gute oder schlechte Frucht. Der Sänger des Schabbatpsalms fährt fort: „Die gepflanzt sind im Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein, dass sie verkündigen, wie der Herr es recht macht“ (Psalm 92,14–16; Luther 84). Das hebräische Sprichwort „Ein Mensch ist ein Baum auf dem Felde“ ist in der Zeit um „TU BiSchvat“ viel in Israel zu hören, obwohl das Zitat aus 5. Mose 20,19 stammt, aus dem Zusammenhang gerissen und der Sinn ins Gegenteil verdreht wurde. Die Phantasie der jüdischen Tradition denkt sich die Bäume als Gemeinde, mit Rabbi, Vorbeter und Schammes (Synagogendiener). In ihrer ganz eigenen Art loben die Bäume den Schöpfer, haben ihre eigenen Melodien beim Verlesen der Torah , so wie das vor langer Zeit schon der Prophet Jesaja gesagt hatte: „Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen“ (Jesaja 55,12).

Keine Bepflanzung im Schabbatjahr

Im vergangenen Jahr fiel „TU BiSchvat“ in ein so genanntes Schmittah-, Schabbat- oder Brachjahr. Für das Jahr 5775 nach jüdischer Zeitrechnung galt: „Im siebenten Jahr soll das Land dem Herrn einen feierlichen Schabbat halten; da sollst du dein Feld nicht besäen noch deinen Weinberg beschneiden“ (3. Mose 25,4). Deshalb pflanzte der Jüdische Nationalfonds keine Bäume in den Boden Israels. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass die „TU BiSchvat“-Feierlichkeiten ausfielen. Schulklassen trafen sich, um den Wald vom Abfall zu säubern und Touristen, die während des Schmittah-Jahrs das Heilige Land besuchten, hatten die Möglichkeit, den obligatorischen Baum in einen Topf zu pflanzen, der dann nach Beendigung des Jahres 5775 in den Wald ausgepflanzt werden konnte. Außerdem gibt es jederzeit die Möglichkeit, seine Verbundenheit mit dem Land Israel zum Ausdruck zu bringen, indem man „virtuell“ per Mausklick einen Baum pflanzt – der dann ebenfalls irgendwie auf „koschere“, sprich mit dem jüdischen Gesetz im Einklang stehende Art und Weise, seinen Weg in den Boden Israels finden wird. (jg)

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen