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Kommentar: Erinnern – Gedenken – Bezeugen

Ein Jahr voller Erinnerungen an die Geschichte Europas geht zu Ende. Bücher, TV-Sendungen, Zeitungsberichte lieferten Rückblicke auf den Ersten Weltkrieg, der vor hundert Jahren begann, auf den Zweiten Weltkrieg, der vor 75 Jahren begann. Medien und Politik hatten ein „Europäisches Erinnerungsjahr 2014“ ausgerufen.
Eine Gedenkplatte in Wittmund erinnert an die jüdische Synagoge, die bis zum 9. November 1938 dort stand.

Peter Hahne stellte kürzlich am Ende seiner gleichnamigen TV-Gesprächsrunde die Frage an seine beiden Interviewpartner: „Wie hält man die Erinnerung aufrecht?“ Gäste waren die ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann und Roland Jahn. Thema war das Ende der deutschen Teilung. Alle, die jünger sind als dreißig hätten keine Erinnerung an die Zeit der beiden deutschen Staaten, an die Todeslinie und die Mauer. Der „Mauerfall“ vor 25 Jahren steht bis heute für die friedliche Revolution, für ein Ereignis, das die Welt so noch nicht gesehen hat. Es war das Ende einer Diktatur, die sich selbst für den Sieger der Geschichte hielt. Die andere deutsche Diktatur setzte mit der so genannten „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938 ein Schandmal in die Geschichte und Schlimmeres mit dem folgenden Massenmord europäischer Juden.
Dass die Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 Jahrzehnte später auf den gleichen Kalendertag fiel, zeigt die wechselvolle Geschichte Deutschlands, lässt Abgründe und Höhepunkte zugleich ahnen. Vielen erscheint die Geschichte der Menschen ohnehin als ziel- und damit sinnlos. Doch Juden und Christen glauben an einen Gott, der sich in der Geschichte zeigt.
Aus der Vielzahl, dem Alltäglichen und scheinbar Zufälligen lassen sich Linien und Fäden gewinnen. Diese Fäden aber hält Gott in der Hand. Das betonen die Autoren der Bibel. Israel glaubt einem Gott, der sich in Geschichte und Geschichten erweist. Dieser Gott lebt, indem er nicht aufhört, mit diesem Volk und allen Völkern Geschichte zu machen. Spannend ist die Frage: Wie offen ist die Geschichte der Welt, die Geschichte unseres Volkes und die Geschichte meines Lebens, wenn darin Gott regiert?

Gott offenbart sich in der Geschichte

Es ist schwierig, das Auf und Ab menschlicher Historie jeweils eindeutig auf Gottes Handeln zurückzuführen. Menschen sind keine Marionetten. Der Glaube an Gott bekennt sich zur Verantwortung des Menschen für sein Tun und betont zugleich, nichts geschehe ohne Gottes Willen. Und so gedenken Gläubige im Rückblick auf die Geschichte an Gottes Handeln. Gedenktage und Festtage halten die Erinnerung wach.
Eindrucksvoll, wenn am Vorabend von Pessach ein Kind gemäß der Feierordnung die Fragen stellt: „Warum ist dieser Abend anders? Weshalb das Eintauchen? Warum die Matze? Wozu bittere Kräuter?“ Und so verknüpft die biblische Tradition menschliche Geschichte und göttliches Handeln: „Wenn dich aber dein Sohn heute oder morgen fragen wird und sagen: Was sind das für Zeugnisse, Gebote und Rechte, die euch der HERR, unser Gott, geboten hat?, so sollst du deinem Sohn sagen: Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten, und der HERR führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand.“ Juden und Christen glauben einem Gott, der sich in der Geschichte offenbart. Das führt zum Staunen und zum Danken, jedoch auch zu Fragen: Wie kann Gott das zulassen? Wie kann Gott das tun?
Peter Hahnes Gesprächspartner waren sich schnell einig: Da müssen Zeitzeugen reden. Die Zeugen der „Kristallnacht“, die Überlebenden der Schoah werden bald nicht mehr da sein. So wird es die Aufgabe der folgenden Generationen sein, deren Zeugnisse zu bewahren und immer wieder neu in die Gegenwart zu bringen. Das Erbe und die Verpflichtung zum Bezeugen der Gräuel bleiben. Das gilt für die beiden deutschen Diktaturen und deren unterschiedliche Verbrechen. Und zugleich bleibt das Zeugnis jener Nacht der Befreiung mit dem Fall der Mauer 1989. Denn, wenn dein Sohn oder deine Tochter fragen, so sollst du antworten. Ich kann sagen: „Ich bin dabei gewesen, habe das Wunder der Freiheit erlebt und sehe darin die Hand eines gnädigen Gottes.“

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