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Iran: „Ein System der Angst“

Vor einem Jahr ist der neue iranische Staatspräsident Hassan Rohani angetreten, um sein Land zu verändern. Das zumindest hoffte der Westen. Heute regiert in dem islamischen Gottesstaat noch immer die Angst.
Hassan Rohani regiert seit 2013 im Iran. In Wahrheit zieht aber der Ajatollah die Strippen, meinen Experten.

Wo es keine Religions- und Pressefreiheit gibt, sind auch alle anderen Freiheiten gefährdet. Das betonen Menschenrechtler immer wieder. Ihnen dürfte mulmig werden, wenn sie sich den heutigen Iran ansehen. Knapp 50 Journalisten und Blogger sitzen dort derzeit wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, allein 25 wurden seit der Amtseinführung Rohanis im August 2013 neu inhaftiert. Unliebsame Medienorgane werden vom Regime verboten, Google oder Facebook sind geblockt, berichtet die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. „Journalisten und andere Medienschaffende werden häufig von der Justiz vorgeladen oder festgenommen oder sind Schikanen und Angriffen der Sicherheitskräfte ausgesetzt“, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen über den Iran.
Doch auch vielen Christen ergeht es im Iran schlecht. So machte die Verhaftung des 32-jährigen Pastors Saeed Abedini Schlagzeilen. Im August 2012 hatte ihn die iranische Staatsmacht in einem öffentlichen Bus festgenommen. Bis heute sitzt er im Gefängnis und ist zu weiteren sechs Jahren Haft verurteilt. Abedini lebte mit seiner Familie in den USA, ist aber im Iran geboren, wurde dort Christ und war offenbar Teil einer Hauskirche. Er war zurück in seine einstige Heimat gereist, um ein Waisenhaus zu eröffnen. Das Regime wirft ihm nun „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ vor. Abedini ist laut dem Hilfswerk „Open Doors“ einer von 60 Christen, die derzeit wegen ihres Glaubens im Iran gefangen gehalten werden.

„Am Ende hat der religiöse Führer die absolute Macht“

Am Dienstag luden die „Reporter ohne Grenzen“ in Berlin zu einer Veranstaltung ein, die nach einem Jahr Rohani-Präsidentschaft Bilanz ziehen sollte. Denn der Nachfolger von Mahmud Ahmadinedschad gilt als moderat, für viele war er ein Hoffnungsträger für eine weltoffene iranische Zukunft. Zu seinen Wahlversprechen zählten die Einführung einer Bürgerrechtscharta und eine bessere Zusammenarbeit mit der Weltgemeinschaft. Dennoch zeigten sich die Anwesenden Experten und Kenner der Region wenig überrascht, dass sich die Zustände im Iran unter ihm nicht wesentlich verändert haben.
„Am Ende hat der religiöse Führer die absolute Macht“, sagte der iranische Journalist Farhad Pajar. Der Ajatollah Ali Chamenei könne Zeitungen verbieten oder Menschen in Haft bringen, wie es ihm beliebe. „Und wer ihm nahesteht, kann mitbestimmen“, sagte Pajar. Unliebsamen Journalisten drohe das Regime mit Gefängnisstrafen und zwinge sie zu öffentlichen Geständnissen ihrer Schuld. „Das ist ein System der Angst“, erklärte Pajar. Im Land tobe ein Machtkampf zwischen Reformern und Hardlinern – und eines der Schlachtfelder sei das Internet. Eine Internetpolizei oder das iranische Kommunikationsministerium filterten das Netz, lediglich die politischen Eliten hätten uneingeschränkten Zugang. Das mache Journalisten die Arbeit schwer.

Peinliche Visa-Politik

Hautnah hat das auch Ehsan Mehrabi erlebt. Bis 2010 war er Parlamentsreporter der moderaten iranischen Zeitung „Etemade Melli“. Nach der Wiederwahl Ahmadineschads im Jahr 2009 gab er der persischen Redaktion des britischen Senders BBC ein Interview – und wurde daraufhin verhaftet. Zwar kam er auf Kaution wieder frei, wurde aber kurze Zeit später erneut gefangen genommen. Ende 2011 floh er über die Türkei nach Europa. Seit Februar lebt er in Berlin. Heute wünscht er sich vor allem, dass der Westen unbeeindruckt von iranischen Machtplänkeleien weiter Druck auf seine alte Heimat ausübt. Der Iran sei nicht immun gegen internationalen Protest gegen die Zustände im Land. Und: Viele Iraner seien dem Westen sogar zugeneigt.
Der ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), sieht das ähnlich: „Wir müssen unsere Botschaften auf politischer Ebene platzieren, auch wenn wir denken, wir reden mit einem Stein“, beschrieb er die oft schwierigen Gespräche mit der Staatsführung des Iran. Die staatlich gesteuerte Propagandamaschine im Land müsse durch eine gezielte Unterstützung unabhängiger Journalisten gebremst werden. Oppositionellen, die das Land verlassen wollten, müsse Deutschland gezielt und öfter helfen, forderte er. „Peinlich“ nannte Löning die Visa-Politik der deutschen Bundesregierung und bezog sich damit vor allem auf die Zeit nach der Niederschlagung der Grünen Revolution im Jahr 2009. Damals flohen tausende Iraner in die Türkei, Deutschland erklärte sich damals bereit, 50 von ihnen in einem Sonderverfahren aufzunehmen. Das seien zu wenige gewesen, meint Löning heute. Auch „Reporter ohne Grenzen“ hatte 2010 die Aufnahme von Journalisten aus dem Iran in Deutschland gefordert und ein entsprechendes Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den damaligen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) gerichtet.
Seit damals hat die Organisation nach eigenen Angaben insgesamt 80 Hilfsanfragen iranischer Journalisten erhalten, davon 30 Bitten um Unterstützung im Asylverfahren. Im Jahr 2013 stellten insgesamt knapp 4.500 Iraner einen Antrag auf Asyl in Deutschland. Rund die Hälfte der Bewerber wird laut eines Berichts der Organisation „Transparency for Iran“ anerkannt und darf bleiben.

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