Suche
Close this search box.

Müll zum Leben – Die „Zabbaleen“ von Kairo

Mit Sonnenaufgang erscheinen die Eselskarren auf den Straßen Kairos und plagen sich durch den legendären Straßenverkehr. Von Haus zu Haus gehen die „Zabbaleen“, die „Mülleute“, und sammeln den Abfall. In manchen Fällen bezahlen sie dem Hausbesitzer eine Gebühr dafür, daß sie auf seinem Grundstück den Müll sammeln dürfen. Im Gegenzug müssen dann die Bewohner wiederum dafür bezahlen, daß ihr Müll entsorgt wird.

17.000, andere Schätzungen sprechen von bis zu 30.000 Menschen, die in Muqattam, einer der Müllstädte Kairos, leben. Die überwiegende Mehrheit der „Zabbaleen“ sind koptische Christen, die durch Armut und Auseinandersetzungen mit der muslimischen Mehrheit in ihre Ghettos gedrängt wurden. Heute werden sie dort hinein geboren und aufgrund der wirtschaftlichen Lage ist ein Entkommen aus dem Elendsviertel kaum denkbar.

Alle Versuche, eine Müllentsorgung nach westlichen Maßstäben aufzubauen, sind bislang gescheitert. Die „Zabbaleen“ haben sich immer wieder als bei weitem effizienter erwiesen als jede Müllabfuhr. 1990 hat die Stadtverwaltung von Kairo zum letzten Mal versucht, die Eselskarren im Straßenverkehr zu verbieten – was, wie schon viele Male zuvor, offensichtlich erfolglos war. Das größte Problem bei der Entsorgung der Abfälle Kairos war immer, wohin mit dem Müll der Millionenstadt.

Kairos 18 Millionen Einwohner produzieren täglich 7.000 Tonnen Abfall, von denen die „Zabbaleen“ etwa 3.000 Tonnen entsorgen. Jeder kann Müll sammeln. Aber nur wenige können ihn so effektiv und umweltverträglich entsorgen, wie die „Zabbaleen“ – und das, ohne jegliche Kosten für die Stadtverwaltung zu verursachen. Und die sperren sich gegen alle Reformversuche, die ihr gewohntes Leben und ihr Einkommen bedrohen. Städteplaner können sich des Gedankens nicht erwehren, daß die Welt eines Tages gezwungen sein könnte, sich am primitiven Beispiel der Mülleute von Kairo ein Beispiel zu nehmen.

Der Abfall des einen ist des anderen Reichtum. Bis zu 80 Prozent des gesammelten Abfalls können die „Zabbaleen“ wieder verwerten. Flaschen werden sortiert und gewaschen. Kleider werden weiterverkauft oder zu Lumpen, Knochenabfälle werden zu Klebstoff verarbeitet. Die Füllungen von Glühbirnen werden an die Hersteller zurückgeschickt.

Eine Tonne ungewaschenen Plastiks bringt den Mülleuten umgerechnet mehr als 100 Euro. Eine Tonne gepreßten und gebündelten Papiers bis zu 50 Euro. Ein Kilo Aluminium läßt sich für umgerechnet 20 Eurocent verkaufen, ein Kilo Kupfer für 70 Eurocent. Alle organischen Abfälle werden von den Schweinen versorgt, die in den Hinterhöfen leben. Eine Fabrik verarbeitet den Mist der 40.000 Schweine zu täglich 100 Kubikmetern Kompost.

Die „Zabbaleen“ führen diesen Recycling-Prozeß in ihren eigenen Häusern durch. Sie leben unter einem Dach mit ihren Eseln, Schweinen, Büffeln, Hunden, Federvieh und Ziegen. Während die Eltern arbeiten oder am Straßenrand einen Tee trinken oder eine Wasserpfeife rauchen, spielen die Kinder barfuß auf den schlammigen Straßen. Tote Ratten und andere Tierleichen, verrottender Abfall, Glasscherben, rostiges Metall, gebrauchte Rasierklingen liegen überall herum. 1989 wurden zwei Kleinkinder von einer Handgranate getötet, die ein Müllsammler achtlos weggeworfen hatte. Der Gestank raubt einem den Atem.

Das effektive Recycling-System Kairos hat einen hohen Preis. Den bezahlen die „Zabbaleen“, die „Unberührbaren“ der ägyptischen Gesellschaft. Infektionskrankheiten und Parasiten fordern genauso ihren Tribut wie Drogen und Alkohol. Das Tragen viel zu schwerer Lasten, oft von Kindheit an, und die Ernährung aus Essensabfällen gehört zum Leben der Mülleute. „Lebensqualität“ ist ein Fremdwort für sie und die Kindersterblichkeit ist in Muqattam bei weitem höher als in allen anderen Stadtteilen Kairos.

Slums gehören zu den Großstädten der dritten Welt. Im Vergleich zu den Slums von Nairobi beschreibt ein Mitarbeiter der vielen Hilfsorganisationen, die sich um diese Menschen mühen, den Kairoer Stadtteil Muqattam als rosig, eher ein Viertel mit Sozialwohnungen. Und während in Kairo arme „Mülleute“ und reiche Saudis, die ihr Leben genießen, auf engstem Raum leben, drängt sich Beobachtern ein anderer Vergleich auf, nämlich der mit den Flüchtlingslagern der Palästinenser.

Weder in Deheishe noch in Balata, weder im Gazastreifen noch in Jenin, herrschen so furchtbare Verhältnisse wie in den Müllvierteln Kairos. Warum sprengen sich diese Menschen nicht in die Luft, um ihrer aussichtslosen Situation zu entkommen? Fehlt ihnen als Christen die Zukunftshoffnung auf ein Paradies mit 72 Jungfrauen? Oder fehlen ihnen die Juden, die sie für ihre Misere verantwortlich machen können?

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

2 Antworten

  1. Mhm. Ich war in mukatton in Kairo und in Kibera in Nairobi – nur als touristik. Mein Eindruck war, ja, den Zab alleen geht es „besser“ als den Menschen im slam von Nairobi – vielleicht auch weil sie eine sehr wertvolle Arbeit leisten – wie ungerecht, dass sie trotzdem so arm sind. Ich kenne keine palästinensischen Flüchtlingslager und es kann gut sein, dass das Leben dort von außen betrachtet nicht so elend wirkt wie in Kairos Müllstadt. Sehr stören tut mich an dem Artikel allerdings der zungenschlag „selber schuld“ im Hinblick auf die Palästinenser. Welche Chancen haben sie denn? Wie sieht es mit ihren Rechten aus? Guckt euch mal die Erfahrungen des tent of Nations im Westjordanland an. Die Tendenz des Artikels gefällt mir nicht.

    0
    1. Wow, dies ist der erste Artikel, den ich auf dieser Webseite lese und es wird gleichzeitig der letzte sein. Generell sehr wertend geschrieben und nicht ansatzweise wissenschaftlich oder journalistisch wertvoll. Das ganze endet dann in einem krönendem Schlusswort, was sehr deutlich zeigt, welche politische Meinung die Verfasser*innen dieser Artikel verbreiten wollen. Darunter dann der Aufruf für eine „faire Berichterstattung aus Israel“ zu spenden, da wird einem echt anders. Zum Glück scheinen die Betreibenden dieser Webseite Gaza, das Westjordanland und Ost-Jerusalem nicht zu Israel dazuzuzählen, denn für die hier lebenden Menschen ist dies alles andere als eine „faire Berichterstattung“ sondern einfach nur Hass.

      0

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen