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Analyse: Arafat soll weg – aber wie?

„Es ist schwer, einen politischen Führer im Nahen Osten zu entthronen“, meint Dr. Hillel Frisch vom Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan, „aber der Tag der Abrechnung für (Yasser) Arafat scheint näher zu rücken.“ Hungerdemonstrationen in Gaza-Stadt — nicht etwa gegen Israel, sondern gegen die Palästinenserführung – Schießereien zwischen verschiedenen palästinensischen Fraktionen, der zunehmende Druck aus den USA, die Zustimmung der Europäer zum US-Kurs und das Schweigen der arabischen Welt machen dem alten Mann mit dem schwarzweißen Kopftuch zu schwer zu schaffen.

Abbas Zaki, Gründungsmitglied der Fatah, aus Halhul sagt in einem Interview mit dem US-Magazin Newsweek: „Wo immer Arafat auftaucht, folgen Gesetzlosigkeit, Korruption und Instabilität.“ Ein Lehrer aus Bethlehem, dessen Bruder im vergangenen Monat aufgrund seiner terroristischen Aktivitäten ins Exil gehen mußte, meint: „Vor acht Jahren kam Arafat nach Gaza und Jericho und hat uns versprochen, ein Hong Kong aufzubauen. Aber er hat daraus ein Somalia gemacht!“ Und der Besitzer eines kleinen Restaurants fügt hinzu: „Glaub’ mir, selbst unter der israelischen Besatzung mit ihren Ausgangssperren ist es besser, als unter der Palästinensischen Autonomiebehörde.“

Hussam Khader, Mitglied des Palästinensischen Legislativrates (PLC) und einflußreicher Fatah-Führer im Balata-Flüchtlingslager bei (Shechem) Nablus erklärt: „Wir sind wie die Beduinen. Wir folgen unseren Scheichs. Es ist nicht leicht, die alten Traditionen zu verlassen. Wir müssen warten, bis Allah diesen alten Scheich zu sich nimmt.“ Und der Besitzer eines Touristengeschäfts in Ostjerusalem meint frustriert: „Wir sind einfach nicht demokratiefähig.“

Ägyptens Geheimdienstchef General Omar Suleiman hat in letzter Zeit häufig die Palästinensische Autonomie besucht. Ägyptische Diplomaten bezeichnen ihn als „Kairos George Tenet“, in Anspielung an die Vermittlungsbemühungen des CIA-Chefs. Ein reger Telefonverkehr zwischen Kairo und Ramallah bezeugen das Interesse der Ägypter an einer Reform der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Unter ägyptischer Tutorenschaft soll die PA wieder zu einem ernstzunehmenden Verhandlungspartner der Israelis werden. Vorbedingung dazu ist aus israelischer Sicht vor allem, daß die palästinensischen Sicherheitsdienste unter ein gemeinsames Kommando gestellt werden. Nur zu gerne will Hosni Mubarak Ägyptens altes Image als „Großmacht vom Nil“ und „Führer der Araber“ aufpolieren und ein entscheidendes Wort bei der Arafat-Nachfolge mitreden.

Arafat bemüht sich unterdessen, die „starken Männer“ seiner Sicherheitsdienste zu entlassen: Mohammed Dahlan, Jibril Rajoub, Tawfik Tirawi sind die Namen, die in den vergangenen Wochen durch die Medien gingen. Aber die gehen nur ungern.

Rajoub hat zwar offiziell Arafats Willen akzeptiert und sein Amt niedergelegt. Gleichzeitig machte er aber seinem Nachfolger, dem Bürgermeister von Dschenin, Suhair Mansara, unmißverständlich klar, er solle die Finger von seinem Preventive Security Service lassen. Rajoubs Männer haben deutlich zu verstehen gegeben, daß sie einen Ersatz nicht akzeptieren würden.

Der Machtkampf spielt sich nicht nur zwischen den „Alteingesessenen“, die in den umstrittenen Gebieten geboren und aufgewachsen sind, wie Jibril Rajoub und Mohammed Dahlan, und den „Tunesiern“, Arafat-Loyalisten, die das Exil in Jordanien, Libanon und Tunesien mitgemacht haben, ab. Auch politische und sogar historische Differenzen sind entscheidende Faktoren. Alte Zwistigkeiten brechen wieder auf. So etwa zwischen Bani Na´im, der Heimatstadt Mansaras östlich von Hebron, und Dura, der Heimat Rajoubs im Süden von Hebron.

Wie (und ob) sich der Überlebenskünstler Yasser Arafat diesmal aus der Sackgasse manövrieren wird, ist die alte und doch so hochaktuelle Frage. Mitte Mai hatte er jedenfalls sinngemäß noch verlauten lassen: Wenn irgend jemand Arafat ersetzen kann, dann nur Arafat selbst. Bleibt zu hoffen, daß seine Manöver (und die der anderen Spieler auf der politischen Bühne im Nahen Osten) nicht wie schon so oft in den vergangenen Wochen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten wieder Ströme von Blut fordern.

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