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Aus dem Leben: Moishe und das ‚Nun, Pei, Kuf‘ ???

Schnell will ich Zucker, Milch und Butter in die Hand nehmen und nach Hause gehen. Aber Moische, der Besitzer des Makolet („Tante-Emma-Laden“, aber das paßt auf Moisches Bude nicht so recht), ist schneller. Er packt die Sachen in eine Plastiktüte. Der Einwand, daß Plastiktüten die Umwelt belasten, weist er vehement zurück: „Wir sind hier in einem zivilisierten Land. Hier herrscht Ordnung!“ Ich gebe mich geschlagen. Vielleicht ist es ja wirklich so, daß die Plastiktüten, die der Wind im ganzen Land verweht, untrennbar zur unberührten Natur Israels gehören?

„Hier herrscht Ordnung!“ Das war ein bewußter Seitenhieb des bärtigen, orthodoxen Juden mit den lustigen Augen gegen den „Jecken“, den perfektionistischen Deutschen.

In Israel herrscht Ordnung. Auch wenn so mancher Israelkenner diesen Satz mit einem ungläubigen Lächeln betrachtet, ich wage ihn aufzuschreiben. Es gibt hier Bürokraten sozialistischer Couleur, die ließen so manchen DDR-Beamten vor Eifersucht erblassen. Auf alle Fälle wollen sie ernst genommen werden und machen einem das Leben schwer mit dem Verweis auf allerlei Gesetze und Bestimmungen. Ich habe gelernt, daß es von Nutzen ist, diese Verordnungen zu kennen.

Deshalb ist mir auch ein Schild aufgefallen, das seit einiger Zeit an den Straßensperren im Lande auftaucht. Es ist ungefähr einen Meter breit und 50 Zentimeter hoch. Auf gelbem Grund stehen die hebräischen Buchstaben „Nun“, „Pei“ und „Kuf“. Offensichtlich eine der unendlich vielen Abkürzungen der hebräischen Sprache. Darunter steht auf Hebräisch: „Halt zur Untersuchung!“

Als der junge Soldat auf meine Frage nach der Bedeutung der drei Buchstaben antwortete, „Wie soll ich das wissen?!“, habe ich mir nicht viel gedacht. Mit der Zeit wurde die Sache dann aber immer spanischer. Keiner der diensthabenden Sicherheitsbeamten konnte mir die Bedeutung der drei Buchstaben auf dem gelben Schild erklären.

„Das mußt Du unseren befehlshabenden Offizier fragen“, antwortet mir einer pflichtbewußt und weist mir den Weg, „der weiß es bestimmt.“ Tatsächlich bekomme ich diesmal eine Antwort: „Das heißt ‚Nekudat Bikoret’!“ (Punkt der Prüfung oder Prüfpunkt) „Ja aber“, wage ich einzuwenden, „‚Bikoret’ schreibt man doch mit ‚Beit’ und nicht mit ‚Pei’?!“ „Das stimmt“, gibt der Offizier zu und zuckt mit den Schultern.

Ich rufe beim Sprecher der israelischen Armee an. „‚Nun’, ‚Pei’, ‚Kuf’???“, wiederholt der Wehrdienstleistende am anderen Ende der Leitung meine Frage, „da muß ich mich erkundigen.“ Fünf Minuten warte ich – dann die Antwort: „Wir wissen nicht, was diese Abkürzung bedeutet. Das muß ein Schild der Polizei sein!“ „Das kann nicht sein“, muß ich einwenden. „Gerade eben an der Straßensperre stand ich neben einem hohen Polizeioffizier in der Warteschlange. Auf meine Frage nach der Bedeutung dieses Schildes wußte auch er keine Antwort – und meinte, das sei ein Schild der Armee.“

Was tun, wenn alle Stricke reißen, beziehungsweise alle Informationsquellen versiegen? Dann kenne ich noch Shimon, meinen Nachbarn, Freund und Taxifahrer. Shimon stammt aus Kurdistan und hat mir schon so manche unverständliche orientalische Gegebenheit erleuchtet. Täglich fährt er durch Straßensperren mit dem gelben Schild. „Da muß ich mich erkundigen!“, schreit er durchs Mobiltelefon auf meine Frage. Neben ihm hupt ein Lastwagen oder Autobus.

Zwanzig Minuten später ruft Shimon zurück: „‚Nun’, ‚Pei’, ‚Kuf’ steht für ‚Nekudat Pikuach’!“, was übersetzt soviel bedeutet wie „Kontrollpunkt“. Umwerfend ist diese Erkenntnis nicht, eher logisch. Aber vielleicht erscheint dem nicht eingeweihten Beobachter die Ordnung in Israel deshalb oft so chaotisch, weil die meisten Beteiligten sich kaum Gedanken machen über Regelungen, Bestimmungen, Gesetze und Schilder – und es nicht weiter schlimm finden, wenn sie deren Bedeutung nicht verstehen.

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