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Israelische Soldaten: Seit Jahren vermißt. Leben sie noch?

„Ron Arad, LeChophesh Nolad!“ – „Ron Arad, zur Freiheit geboren!“ Die unzähligen Aufkleber gehören schon zum gewohnten Bild in Israel. Immer wieder sieht man an Autos die typischen blauen Luftballons, die an die im Felde vermißten israelischen Soldaten erinnern sollen.

Von der Welt werden sie aufgrund der täglichen Ereignisse, die sich immer wieder überschlagen, leicht vergessen. Für die israelische Gesellschaft sind sie ein „Pfahl im Fleisch“, den keine Schlagzeile vergessen macht. Kaum ein Tag vergeht, an dem man nicht an das furchtbare Schicksal dieser jungen Männer erinnert wird.

Seit der Panzerschlacht von Sultan Yakoub mit syrischen Einheiten am 11. Juni 1982 im Südlibanon werden Zachary Baumel, Zvi Feldman und Yehuda Katz vermißt. Im Dezember 1993 PLO-Chef Yasser Arafat überreichte eine Hälfte der Kennmarke von Zachary Baumel an israelische Diplomaten und versprach, mehr Informationen über den Verbleib der Vermißten herauszugeben. Baumel, Feldman und Katz waren zuletzt auf einer „Siegesparade“ in den Händen einer PLO-Einheit gesehen worden.

Der israelische Luftwaffen-Navigator Ron Arad wurde zum Symbol für seine Leidensgenossen. Er war 1986 mit seinem Flugzeug wegen eines technischen Defekts über dem Libanon abgestürzt und gefangen genommen.

Die beiden Oberfeldwebel Benjamin Avraham und Omar Sawayed, sowie der Feldwebel Adi Avitan wurde am 7. Oktober 2000 in der Nähe der umstrittenen Sheba-Farmen am Fuß des Hermon auf libanesischem Gebiet von Hisbollah-Kämpfern entführt. Dabei wurden die drei Israelis zumindest verletzt.

Wenige Tage nach der Entführung der drei israelischen Soldaten verkündete die Hisbollah, sie habe Elhanan Tannenbaum, einen israelischen Geschäftsmann und Oberst d.R., während einer Europareise entführt.

Immer wieder hat Israel im Laufe der Jahre arabische Terroristen freigelassen, um etwas über das Schicksal seiner Soldaten zu erfahren. Besonders deutsche Diplomaten haben ihre guten Beziehungen zum Iran und dessen Verbündeten geltend gemacht und bemühen sich seit Jahren, zwischen den Parteien zu vermitteln.

Der Generalsekretär der radikal-islamischen Hisbollah, Sheikh Hassan Nasrallah, will keine Informationen über den Verbleib von Ron Arad haben. Im Blick auf Avraham, Sawayed und Avitan behauptete der bärtige Geistliche aber im Juni 2001 noch, sie seien am Leben.

Die Hisbollah-Miliz hat bislang jeden Kontakt des Internationalen Roten Kreuzes mit den drei Israelis verweigert. Unversöhnlich fordern die Islamisten für jede verifizierbare Information die Freilassung von Libanesen und anderen Arabern aus israelischen Gefängnissen, sowie detaillierte Karten von Minenfeldern im Libanon.

Aus Sicht der Hisbollah, die vom Libanon aus gegen Israel operiert und vom Iran gesponsort wird, ist die Frage der vermißten Israelis Teil der psychologischen Kriegführung gegen den verhaßten Judenstaat. Sheikh Hassan Nasrallah spart nicht mit unverhohlenen Drohungen, mehr Israelis in seine Gewalt zu bringen.

Nachdem Verteidigungsminister Benjamin Ben Eliezer noch Anfang August 2001 an der Annahme, die Entführten seien am Leben, festhalten wollte, erkärte die israelische Armee die drei jungen Männer Anfang November aufgrund von Geheimdiensterkenntnissen für tot. Die Familien Avraham und Avitan absolvierten die traditionelle jüdische Trauerwoche. Die Beduinen vom Stamm der Sawayed weigern sich beharrlich, Omar tot zu erklären. Sie berufen sich auf die islamische Tradition, die für so einen Fall die Aussage von zwei Zeugen fordert. „Wir wollen die Jungs tot oder lebendig, auch wenn das zehn Jahre dauern sollte“, beharrt Kassem Sawayed, der Vater von Omar.

Monatelang hatten sich die Angehörigen bei der UNO darum bemüht, Beweismaterial, Fotos, DNA-Analysen von Blut, das in den Entführerfahrzeugen sichergestellt worden war, persönliche Gegenstände der Soldaten, freizugeben.

Im Spätsommer sorgten dann Bemerkungen Nasrallahs für Furore, die UN habe Videoaufzeichnungen von der Entführung gemacht. Nach wochenlangem Hin-und-Her wurde israelischen Nachrichtendienstoffizieren der Film gezeigt und sie kamen zu der Erkenntnis, daß darin keine Informationen enthalten seien, die die israelische Armee nicht schon gehabt hätte. Trotzdem kam es Mitte Januar 2002 zu einem Eklat, als den Eltern der entführten Soldaten endlich die Videoaufzeichnungen gezeigt wurden und ein Vater versuchte, dabei Fotoaufnahmen zu machen.

Der israelische Staatspräsident Moshe Katzav hatte der UNO in diesem Zusammenhang vorgeworfen, gegen ihre Grundprinzipien zu verstoßen, wenn sie „künstlich ihre Objektivität zwischen einem souveränen Staat und einer Terrororganisation aufrechtzuerhalten“ suche. Die USA haben in letzter die Hisbollah gleich nach der al-Quaida des Osama bin Laden, auf ihre Liste der Terrororganisationen gesetzt.

In Israel geht derweil das parlamentarische Gerangel um die rechtliche Grundlage der als Geiseln festgehaltenen Libanesen weiter. Der ehemalige geistliche Leiter der Hisbollah Sheikh Abd al-Karim Obeid wurde von einem Sonderkommando der israelischen Armee 1989 im Libanon entführt. Mustapha Dirani von der schi’itischen Amal-Miliz, der persönlich an der Gefangennahme Ron Arads beteiligt war, wird seit 1994 festgehalten, ebenso wie Obeid an einem geheimen Ort. Sie sollen gegen die vermißten Israelis oder ihre sterblichen Überreste ausgetauscht werden.

Israelische und internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verhaltensweise der Israelis scharf. Im April 2000 hatte das Oberste Gericht Israels geurteilt, daß der Staat kein Recht habe, jemanden ohne Gerichtsverfahren festzuhalten, wenn kein eindeutiges Sicherheitsrisiko vorliege. Jemanden als Verhandlungsbonus festzuhalten, bezeichneten Israels oberste Richter als „ungeheuerliche“ Verletzung der fundamentalen Menschenrechte.

Für die Familienangehörigen der vermißten Soldaten sind die vergangenen Monate und Jahre eine grausame Kneipp-Kur der Gefühle. Heiße Spuren zu möglichen erfreulichen Ergebnissen von Geheimverhandlungen wechseln sich ab mit eiskalten Enttäuschungen. Jede Nahostreise westlicher Diplomaten, besonders in die Länder Libanon, Syrien und Iran, jeder Regierungswechsel wird mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt.

Zu allen jüdischen Festen werden weltweit in jüdischen Kreise besondere Solidaritäts- und Gebetsveranstaltungen durchgeführt. „Warum sind diese Gefangenen anders als alle anderen Gefangenen?“, wurde zum Passahfest in Anlehnung an die Passahliturgie gefragt. Die Antwort: „Weil die grundlegenden Regeln der Würde ignoriert werden, wenn es um israelische Soldaten und Zivilisten geht!“ Wenigstens die eigenen Familien sollten vom Schicksal dieser Männer informiert werden, erklärte ein Rabbiner.

Im Gegensatz zu seinen Kameraden ist Ron Arad bislang nicht für tot erklärt worden. Beharrlich halten sich die Gerüchte, er lebe weiterhin in iranischer Gefangenschaft. Im Sommer 2001 behauptete der syrische Journalist Nizar Nayuf, Arad im August 1993 in einem syrischen Gefängnis gesehen zu haben. Immer lauter werden die Befürchtungen, der Iran betrachte es als geringeren Schaden, Arad zu beseitigen, als nach 15 Jahren zuzugeben, daß er noch immer festgehalten werde.

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