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Das poetische Gedächtnis Israels

Er fühlte sich mit Israel so verbunden, dass er seinen Gesundheitszustand an das Wohlergehen des Landes koppelte: Der Nationaldichter Haim Guri ist mit 94 Jahren verstorben. Seine Gedichte über den Unabhängigkeitskrieg und seine Artikel und Dokumentationen über den Eichmann-Prozess bleiben im kollektiven Gedächtnis.
Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin nannte den am Mittwoch verstorbenen Schriftsteller Haim Guri den „Nationaldichter unserer Zeit“

JERUSALEM (inn) – Der bedeutende israelische Schriftsteller, Journalist und Filmemacher Haim Guri ist am Mittwoch mit 94 Jahren in Jerusalem verstorben. Der Israeli kleidete in poetische Worte, was die Generation des Unabhängigkeitskrieges von 1948 erlebt hatte. Als Journalist und oscarnominierter Regisseur setzte er sich intensiv mit dem Prozess gegen Adolf Eichmann auseinander.

Guri wurde 1923 in Tel Aviv geboren. 1941 schloss er sich der paramilitärischen Palmach-Gruppe an und war an Operationen gegen die Briten in Palästina unter britischem Mandat beteiligt. 1947 schickte sie ihn nach Ungarn, um Holocaust-Überlebenden bei der Auswanderung in den Nahen Osten zu helfen. Er diente als Vize-Kompaniekommandant im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948. Seinen ersten Gedichtband, „Feuer und Blumen“, veröffentlichte er über seine persönlichen Erfahrungen während des Krieges. Eines seiner Themen war die Dualität von dem Schmerz und Stolz der ersten israelischen Soldaten, schreibt die Online-Zeitung „Times of Israel“.

Gedichtklassiker „Hier liegen unsere Leichen“

Eines von Guris berühmtesten Gedichten aus dieser Sammlung, „Hier liegen unsere Leichen“, war dem Konvoi von 35 Soldaten der paramilitärischen Untergrundorganisation Hagana gewidmet. Die Soldaten waren getötet worden, als sie die Kibbutzim in Gusch Etzion mit Nachschub versorgen wollten. Guris Gedicht half, sie im kollektiven Gedächtnis der Israelis zu verankern. Sein vertontes Gedicht HaRe’ut (Die Kameradschaft), was er in Erinnerung an die Gefallenen des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1949 schrieb, wird noch heute häufig bei Beerdigungen von israelischen Soldaten gespielt. 1988 gewann Guri den prestigeträchtigen Israelpreis für Poesie. Er hörte nie mit dem Schreiben auf.

Guri (links) diente in der paramilitärischen Palmach-Gruppe Foto: The Palmach Archive
Guri (links) diente in der paramilitärischen Palmach-Gruppe

Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten begann er auch als Journalist und Filmemacher zu arbeiten. Er erlangte journalistische Bekanntheit durch seine Artikel über den Eichmann-Prozess 1961. Für den Dokumentarfilm „Der 81. Schlag“, den Guri geschrieben, co-produziert und mit inszeniert hatte, erhielt er 1974 eine Oscarnominierung. Der Film schildert die Demütigungen der Juden durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg und zeigte seltene historische Aufnahmen von Konzentrationslagern. Der Titel der Dokumentation bezieht sich auf die Aussage des Zeugen Michael Goldman-Gilad im Eichmann-Prozess. Er beschrieb, wie die Nazis ihn 80 Mal auspeitschen ließen. Als ihm die Israelis nach dem Krieg das nicht glaubten, sei das für ihn der 81. Schlag gewesen.

Rivlin: Nationaldichter unserer Zeit

Im angelsächsischen Raum waren Guris Texte wenig bekannt. Die einzige englischsprachige Übersetzung seiner Gedichte kam von Stanley F. Chyet, der einen Sammelband herausgab. Bekannter war er in Europa, da er ein Jahr an der Sorbonne-Universität in Paris verbrachte.

Die israelische Kulturministerin Miri Regev beschrieb Guri am Mittwoch als einen „der großartigen Poeten der 1948er-Generation“: „Er hat die Wiederbelebung unseres Volkes in unserem Land gepriesen.“ Er werde immer eine der „Feuerblumen“ im Wiederaufblühen des israelischen Staates bleiben, sagte sie im Bezug auf den Titel seines ersten Gedichtbandes. Der Knesset-Sprecher Juli Edelstein kündigte an, einen Garten des israelischen Parlaments nach Guri zu benennen: „Seine Lebensgeschichte ist mit der Geschichte des Staates Israel verwoben. Und seine Gedichte waren und werden immer Teil des israelischen Ethos sein.“ Staatspräsident Reuven Rivlin nannte Guri den „Nationaldichter unserer Zeit, ein nationales Symbol und eine Quelle des Stolzes“.

Guri hinterlässt seine Ehefrau, drei Töchter und sechs Enkel. „Immer wenn sie meinen Vater nach seinem Gesundheitszustand fragten, antwortete er auf zwei Weisen: Mir geht es so, wie es meinem Land geht. Oder er sagte: Das Land Israel tut mir weh“, erzählte Guris Tochter Hamutal. Er sei mit jedem Teil seiner Seele mit dem Land verbunden gewesen.

Von: mm

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