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Überraschungen in Bethlehems Geburtskirche

Von einem Besuch in einer der schönsten, ältesten und vor allem heiligsten Kirchen der Christenheit ist derzeit dringend abzuraten. Die Bethlehemer Geburtskirche wird seit 2013 von Grund auf renoviert. Doch wie weit sind die Arbeiten fortgeschritten? Ulrich W. Sahm hat sich umgesehen.
Die Geburtskirche in Bethlehem wird seit 2013 renoviert
Die 50 mächtigen und teilweise bemalten Säulen rechts und links des Hauptschiffes sind verschalt. Das einsturzgefährdete hölzerne Dachgestühl ist verdeckt. Und wer hinunter zur Geburtsgrotte will, muss sich stundenlang zwischen Gerüsten und Vorhängen anstellen. Wer die Geburtskirche in Bethlehem dieser Tage besuchen möchte, muss viel Zeit mitbringen. Die Renovierungsarbeiten werden von einer italienischen Spezialfirma unter der Leitung von Giamarco Piacenti durchgeführt. Durch die Abdeckungen vorerst unsichtbar für Besucher der Kirche werden die Mosaiken an den Wänden der Basilika hoch über den tragenden Säulen renoviert. Manche Mosaiken sind jetzt erst entdeckt worden. Mit Wärmebildkameras wurde das verputzte Mauerwerk sondiert. Damit lässt sich zwar nicht erkennen, was unter dem Putz liegt. Aber es gebe Hinweise auf andere Materialien. An „verdächtigen“ Stellen zwischen zwei Fenstern wurde geschabt und dabei kam ein rund zweieinhalb Meter hoher Engel zutage. Mit erhobenen Händen schaut er in Richtung des Eingangs zur Grotte, die jährlich von etwa zwei Millionen Christen besucht wird. Auf den Mosaiken sind neutestamentliche Geschichten ikonenhaft dargestellt. Darunter sind der ungläubige Thomas, wie er die Finger in Jesu Wunde legt, der Einzug nach Jerusalem und die Auferstehung. Über dem Chor befindet sich eine griechische Inschrift: „Das alte Werk wurde in die Hände von Ephraim gelegt, Mönch, Maler und Mosaik-Künstler in der Regierung von Manuel Comnenus …“ Erwähnt ist das Datum der Restauration der Kirche im Jahr 1169.

Bewegte Geschichte

Seit 2.000 Jahren wird der Ort verehrt. Kaiser Hadrian habe an der Stelle eine Statue des Jupiter errichtet, um die frühesten Christen von einer Verehrung der Stelle abzuhalten. In der Grotte, wo einst die Krippe stand, weinten römische Pilger über Adonis, den Liebhaber der Venus. Entsprechend hatte Hadrian eine Venusfigur auf Golgatha aufgestellt. Das berichtete im Jahr 385 ein Freund des St. Hieronymus. 1979 wurden bei der Freilegung des Felsens von Golgatha, wo die drei Kreuze gestanden haben, tatsächlich Reste eines römischen Altars mit Asche und Knochen von Opfertieren gefunden. Hadrian hatte Jerusalem in Aelia Capitolina und die Provinz Judäa in Palästina umbenannt, um dem Judentum wie dem Christentum einen Todesstoß zu versetzen. So schriebe es Paulinus von Nola 403 in einem Brief an Severus. St. Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, „entdeckte“ drei heilige Stätten: Die Geburtsstätte Jesu in Bethlehem, die Kreuzigungsstelle in Jerusalem und den Ort der Himmelfahrt auf dem Ölberg. Die ursprünglich von Konstantin errichtete fast quadratische Geburtskirche in Bethlehem wurde 335 geweiht und während der Revolte der Samaritaner 529 durch ein Feuer zerstört. Auf den Mosaiken unter dem heutigen Fußboden fanden Archäologen eine Ascheschicht. Justinian der Große (Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus Augustus) war von 527 bis 565 der letzte byzantinische Kaiser. Er hat nicht nur Meisterwerke byzantinischer Baukunst wie die Hagia Sofia in Istanbul hinterlassen. Er ließ auch die Geburtskirche in Bethlehem neu errichten. Der Grundriss der konstantinischen Kirche blieb erhalten, aber das Gebäude wurde erweitert. Der Fußboden wurde um 60 Zentimeter höher gelegt, sodass an manchen Stellen, unter dem heutigen Belag, durch aufklappbare Holztüren geschützte alte Mosaiken bewundert werden können. Bedeutsam sind abgebildete Kreuze. In der Zeit des Justinian waren Kreuze schon heilig. Deshalb durften sie nicht mehr als Bodenschmuck dienen, auf dem Besucher herumtrampeln. Justinian ließ die Mosaiken an den Wänden anbringen. Gemäß einer Legende hing über dem Eingang eine Darstellung der drei Weisen aus dem Morgenland. Sie waren dem Schah von Persien nachempfunden. Das habe die Geburtskirche 614 vor einer Zerstörung durch die Perser bewahrt. Schon 638 folgte Kalif Omar. Er erweiterte das arabische Reich von Marokko bis Persien. In Bethlehem versprach er Eutychius, dem Patriarchen von Alexandia, die Geburtskirche nicht anzurühren. In der südlichen Apsis wurde damals eine Gebetsnische für Moslems eingerichtet, wo sie einzeln beten dürfen, ohne zum Gebet aufzurufen. 1717 installierte die römisch-katholische Kirche in der Geburtsgrotte einen silbernen Stern mit der lateinischen Inschrift „Hier wurde Jesus Christus von der Jungfrau Maria geboren“. Nachdem der silberne Stern 1847 entfernt oder gestohlen worden war, führte das zum Ausbruch des Krimkriegs, der bis zu 600.000 Tote gekostet hat. 2002 verschanzten sich 40 palästinensische Kämpfer in der Kirche, während die Israelis sie 39 Tage lang belagerten. 2012 anerkannte die UNESCO die Geburtskirche als Weltkulturerbe und setzte sie gleichzeitig auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes.

Renovierung heute

Das marode Dach ist inzwischen erneuert worden. Jetzt werden die Mosaiken neu angeklebt. Vergoldete Steinchen rund um die Engel und die anderen Figuren sind in unterschiedlichen Winkeln eingesetzt, damit sie einfallendes Sonnenlicht leuchtend reflektieren. Renoviert werden auch die 50 mächtigen Säulen aus rosafarbenem Kreidestein. Auf 30 Säulen sind Heilige gemalt. Die untersten zwei Meter sind durch Tausende Hände der Pilger zerstört. Weiter oben sind sie wegen Verschmutzung kaum noch zu erkennen. Die Renovierung einer jeden bemalten Säule kostet etwa 50.000 Euro. Für die Finanzierung werden „Paten“ für jede Säule gesucht. Die Renovierungsarbeiten, darunter der Einbau einer Feuerlöschanlage und neue Beleuchtung, werden durch Zuwendungen von Staaten wie Russland, Frankreich, dem Vatikan, Deutschland, Italien, Marokko, Polen und Griechenland finanziert. Die palästinensische Regierung koordiniert die Arbeiten und steuert auch zur Finanzierung bei. (uws)

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