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Das Fahrrad wird 200

Wegen der hügeligen Landschaft ist das Fahrradfahren in Jerusalem herausfordernd. Trotzdem ist die Zahl der Radler in den vergangenen Jahren rasant angestiegen. Zwei Ausstellungen widmen sich dem Drahtesel aus historischer Perspektive.
In der Sammlung des Radfahrers Moshe Cuikerman findet sich seine Mütze mit der Aufschrift „Makkabi“ aus den 1920er Jahren

JERUSALEM (inn) – Anlässlich der Erfindung des Fahrrads im Jahr 1817 zeigt das Bloomfield Museum der Wissenschaften in Jerusalem die Ausstellung „2 x 200 – Fahrradausstellung“. Neben den historischen Fakten bietet die Ausstellung die Möglichkeit, Einräder, Tandem- und Liegeräder auszuprobieren. Für Kinder gibt es einen extra Bereich zum Experimentieren. Workshops, Experimente mit Fahrradketten und Kugellagern bieten Beschäftigung für die ganze Familie. Zudem ist das Gefährt in unterschiedlichen Ausführungen, Größen und Materialien ausgestellt. Unikate aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Holland bereichern die Sammlung.

Maya Halevy, Direktorin des Bloomfield Museums der Wissenschaften, äußerte sich gegenüber „The Jewish Voice NY“: „Wir wollen zeigen, wie Fahrräder in verschiedenen sozialen Kontexten und auch durch gesellschaftliche Veränderungen hindurch unterschiedlich genutzt wurden. Beispielsweise entwickelte die Hippiebewegung der 1970er Jahre in den USA das Mountainbike. In China oder Afrika spielt das Fahrrad ebenfalls eine ganz besondere Rolle in der jeweiligen Gesellschaft.“ Die Konzeption der Ausstellung habe etwa ein Jahr in Anspruch genommen.

Obwohl die Zahl der Elektroräder in den vergangenen Jahren in Jerusalem zugenommen hat, sind diese nicht Teil der Ausstellung. Jedoch ist die Erfindung des Autos von Karl Benz ausgestellt, der einen Motor an ein Dreirad anbrachte.

Die Ausstellung ist Samstag und von Montag bis Donnerstag ganztägig sowie freitags am Vormittag geöffnet und ist noch bis zum April 2018 zu sehen. Danach wird sie in Bremen ausgestellt, bevor sie nach Italien weiterwandert.

Yad Vashem bietet virtuellen Rundgang

Kurz vor Beginn der 20. Makkabiade hat die Familie des polnischstämmigen Moshe Cukierman der Holocaustgedenkstätte eine Sammlung des früheren Fahrradsportlers geschenkt. Darin sind Medaillen, Zeitungsausschnitte, Fotos und Reisetagebücher enthalten. Mit diesen Dokumenten hat die Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem folgende Online-Ausstellung eröffnet: „Tagebuch und Momentaufnahmen von Fahrradtouren, die Moshe Cukierman absolvierte“. Sie ist im Rahmen der Reihe „Zeugnis geben – die Geschichten hinter den Ausstellungsstücken der Sammlung von Yad Vashem“ konzipiert. Teil der Sammlung ist eine Mütze, auf der in hebräischer Schrift „Makkabi“ geschrieben steht.

Cukierman war der Kapitän des Fahrradteams des jüdischen Sportvereins Bar Kochba im polnischen Lodz. Außerdem war er im Maccabi-Sportverein von Lodz aktiv. In den 1920er und 30er Jahren gewann er bei mehreren Fahrradrennen Medaillen und hielt seine Routen durch das ganze Land in Tagebüchern fest.

Der gebürtige Pole heiratete 1934 die Athletin Nova Krakowski. Zusammen kamen sie 1935 ins britische Mandatsgebiet Palästina, um an der Makkabiade teilzunehmen. Statt nach Europa zurückzukehren, blieben sie in Palästina. Viele ihrer Familienmitglieder wurden während des Holocausts umgebracht.

Tagebuch gibt Aufschluss

Wie es zu Beginn des 20. Jahrhundert von allen Teilnehmern von Sportwettbewerben gefordert war, musste auch Cukierman sein Reisetagebuch von Behörden der Orte stempeln lassen, die er passierte. Daneben machte er persönliche Notizen und schrieb auch von den Herausforderungen seiner Touren: „Der Regen ist stärker geworden, die Straße ist voller Matsch, ich habe die Stadt Mnichow durchquert. Es ist bereits 19.00 Uhr und Kielce ist noch mehr als 20 Kilometer entfernt. Es gibt einen regelrechten Wolkenbruch, es wird dunkel, die Straße ist matschig und es ist sehr schwer, zu fahren.“ Er schafft die Fahrt schließlich doch noch am gleichen Abend: „Bergauf bin ich gezwungen, vom Fahrrad abzusteigen und zu Fuß zu gehen. Bergab ist die Fahrt so schnell, dass die Räder mich mit Wasser und Matsch vollspritzen. Das ist wirklich schwer auszuhalten. Ich bin nass bis auf die Knochen und steif vor Kälte. In Kielce um 20.30 Uhr angekommen.“

Am 26. August 1928 schreibt er: „Noch 100 Kilometer sind es bis Lodz. Das ist wirklich sehr schade. Darüber bin ich sehr traurig. Trotzdem bin ich sehr dankbar für diese Tour und die Reise im Allgemeinen, weil ich Erfahrungen sammle mit schlechten Wetterbedingungen und damit, wie ich mich in unbekannten Städten und mit fremden Menschen verhalte. Alle meine Erinnerungen und Erfahrungen beschließe ich mit einem Hurra! Lang lebe der Tourismus!“

Später schreibt er: „In Ostrowiec (Wusterwitz) bin ich direkt zum Sportclub ‚Ha Koach‘ gegangen, wo ich Mitglieder kenne. Sie haben mich sehr großzügig aufgenommen und luden mich ein, zum Abendessen und über Nacht zu bleiben.“

Bisher ist die Ausstellung in Englisch, Hebräisch, Französisch und Spanisch verfügbar. In deutscher Sprache gibt es eine Seite, die Bilder mit Erklärungen von „Juden und Sport vor dem Holocaust: eine Retrospektive in Bildern“ zeigt. Die Ausstellung beinhaltet Fotos, Medaillen und Auszüge aus Cukiermans Tagebüchern, die nicht nur Sportbegeisterten eine besondere Geschichte erzählt. Mit der Ausstellung möchte die Holocaustgedenkstätte erinnern an „die Überreste des kulturellen Lebens jüdischer Gemeinschaften, das für Jahrhunderte blühte, bevor es mit dem Holocaust ausgelöscht wurde“.

Von: mh

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